Geschlechtergleichheit ist vor allem Männersache
Eins meiner Lieblings-T-Shirts ist weiß und enthält einen prominent in schwarz gedruckten Text: „WE SHOULD ALL BE FEMINISTS“. Da man damit scheinbar wieder mehr Kontroversen auslöst als mit Sprüchen des antisemitischen US-Rappers Kanye, fühlte ich mich veranlasst, das Thema Gerechtigkeit für sogenannte Minderheiten eingehend zu beleuchten; von der Historie über die Gegenwart bis in die Zukunft.
Warum Geschlechtergleichheit?
Auf diese Einstiegsfrage möchte ich mit einer Gegenfrage antworten: Warum nicht? Diese Frage wird zu selten gestellt in der „woken“, „grünlinksversifften“ Filterblase, in der sich vermutlich nicht nur ich aufhalte, sondern auch die meisten, die das hier lesen.
Das Problem
Unabhängig von chauvinistischen und misogynen Äußerungen eines gesellschaftlichen Randes oder dem AfD-Programm ist Geschlechtergleichheit noch immer keine Selbstverständlichkeit. Wenn Sie diesen Text lesen, (er)leben Sie vielleicht längst das Gegenteil, weil Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zukunftsoffen, tolerant und aufgeklärt sind. Das ist fabelhaft, schließlich sind es unsere gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systeme bis heute nicht. Daran ändert leider der Status Quo in einzelnen Familien oder Milieus wenig, zumindest nicht kurzfristig.
Unsere sozialen Systeme und Institutionen sind träge, was nicht immer schlecht sein muss. Man hat aus der Vergangenheit gelernt. Doch ein nennenswerter Anteil der Gesetze und Normen stammt aus einer weniger aufgeklärten, weniger globalisierten Zeit, in der es als gesellschaftlicher Konsens galt, dass
- eine Familie aus einem Mann (= Vater), seiner Frau (= Mutter) und deren Nachkommen besteht,
- der Mann arbeitet und die Frau sich um Haushalt, Kinder und andere Angehörige kümmert (unentgeltlich),
- der Mann die Familienentscheidungen trifft, Bankkonten verwaltet und Ausgaben verantwortet,
- Frauen keinen höheren Schulabschluss benötigen und erst recht kein Studium,
- Frauen, wenn überhaupt, überwiegend in Teilzeit arbeiten und natürlich weniger verdienen – und somit auch weniger Rentenansprüche haben,
- Frauen zwar de facto die Reproduktion der Gesellschaft sicherstellen, de jure aber nicht mehr als unmündige Arbeiterbienen sind.
Der Mann war im alten Rollenbild sozusagen der Vorstand der Familien-Firma, die Frau der operative Unterbau. Zugespitzt war der Mann der Kapitalist, dem alles gehörte, und die Frau stand für das Proletariat, kaum Rechte, aber viele Abhängigkeiten. Noch einfacher: Mann = Elite, Frau = Prekariat.
Über Jahrzehnte war es sogar gesetzlich verankert, dass der Mann Anspruch auf Sex, notfalls unter Anwendung von Gewalt, hat.
„Das Gesetz, das Vergewaltigungen in der Ehe zur Straftat machte, trat erst am 1. Juli 1997 in Kraft, vor nun 20 Jahren; im Bundestag angenommen mit 470 zu 138 Stimmen bei 35 Enthaltungen.“
(sueddeutsche.de (2017))
Eine der Gegenstimmen kam übrigens vom heutigen CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz (Quelle: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 13/175). Gruselig.
Tiefgreifende Verankerung der strukturellen Diskriminierung
Die Gründe für die tiefgreifende Verankerung der strukturellen Diskriminierung liegen maßgeblich in der Wirtschaftsstruktur der Zeit zwischen der ersten und dritten Industrialisierung. Doch die hat sich schneller gewandelt als soziale und kulturelle Normen mithalten können. In einer christlich – über viele Jahrhunderte katholisch – geprägten Gesellschaft ist es bis heute keine Selbstverständlichkeit, dass die Rechte von Mädchen und Frauen denen von Jungs und Männern gleichgestellt sind. Leider hat den bibeltreuen Menschen kaum jemand erzählt, dass man Texte, die inzwischen teilweise über 2000 Jahre alt sind, durch den historischen Kontext gefiltert lesen muss. Was zu biblischen Zeiten noch richtig gewesen sein mag, ist heute oft natürlich kompletter Unsinn und muss reformiert werden. Ja, auch das, was zu Luthers Zeiten richtig war, hat sich überlebt.
Die eine Seite sind die Gesetze, die zunehmend durch Gleichberechtigung gekennzeichnet sind. Die andere, noch langsamere Seite sind kulturelle, informelle Normen, die oft mehrere Generationen benötigen, um sich an neue Gegebenheiten anzupassen. Ja, dazu gehört auch das „Gendern“ bzw. Gender Mainstreaming, also die sprachliche Berücksichtigung mehrerer als der generisch maskulinen Form. Aber ganz praktisch gesehen wird sich das Wertegefüge in einer Ehe, die seit 30 Jahren auf dem „alten“ Muster besteht und einigermaßen funktioniert, nicht über Nacht in eine gleichberechtigte Ehe wandeln. Und wenn diese Ehe auch Kinder hervorgebracht hat, sind diese Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Wertmuster ihrer Eltern geprägt und reproduzieren potenziell eher das klassische Schema – insbesondere, wenn nicht über die Möglichkeiten einer gleichberechtigten Gesellschaft aufgeklärt wird oder wurde. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Gewalt gegen Frauen
Leider spiegelt allerdings auch die Kriminalitätsstatistik häuslicher Gewalt, die sich fast immer gegen die Frau richtet, wider, was wir in diesen Mustern sehen. Die sogenannte „partnerschaftliche Gewalt“ – ein absurd verharmlosender Begriff – hat sogar in den letzten Jahren wieder zugenommen: Zwischen 2017 und 2021 stieg sie um 3,4 Prozent, was einem Sprung von 138.893 (gemeldeten!) Taten in 2017 auf 143.604 in 2021 entsprach (Pressemeldung vom Bundesinnenministerium 24.11.2022, Statistiken des Bundeskriminalamts). Ob ein direkter Zusammenhang zwischen Gewalt in Partnerschaften und dem Widerspruch der Realität mit dem konservativen Wertefundament besteht, ist wissenschaftlich unklar. Ich bin davon überzeugt.
Umgekehrt liegt die Vermutung nahe, dass mehr Geschlechtergleichheit, bessere Aufklärung und mehr – auch durchgesetzte! – Gesetze zu einem Rückgang der Gewalt und strukturellen Diskriminierung beitragen könnten.
Schauen wir uns die Gegenseite an: Welche Vorteile bringt Geschlechtergleichheit?
Die Vorteile der Geschlechtergleichstellung
Vorweg: Kein Mädchen, keine Frau soll gezwungen werden, gegen ihren Willen höhere Bildungsabschlüsse anzustreben oder besser bezahlte Jobs auszuüben.
Aber: Jedes Mädchen, jede Frau soll die Möglichkeit haben, sich unabhängig von einem männlichen „Beschützer“ (Ehemann, Vater, sonstige Beziehung) eigenmächtig für ihren Bildungs- oder Karriereweg zu entscheiden. Das gilt selbstverständlich auch für alle Menschen nicht-binären Geschlechts und alle sexuellen Orientierungen, zusammengefasst im Akronym LGBTQIA*. Zumindest müsste man so argumentieren, wenn man seinen Wertekodex nach Aufkommen der Aufklärung ab dem Jahr 1700 basierend auf humanistischen Werten definiert.
Denn das ethische Fundament wurde mit dem Humanismus gelegt und spätestens seit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 international kodifiziert. In Artikel 1 heißt es:
„Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, 1948
Und warum wurde das ausgerechnet nach dem Zweiten Weltkrieg in dieser Form festgehalten? Weil man zur damaligen Zeitenwende auch die Lehren aus der Vergangenheit zog, Platz für die freiheitlich demokratische Grundordnung und freie Märkte machen sollte. Zu der Zeit war absehbar, dass die zweite industrielle Revolution global an Fahrt gewann und die dritte, der Computer, bereits langsam begonnen hatte. In der Vorstellung der Vereinten Nationen existierten schon damals die Zukunftsbilder einer zunehmend mit Computern vernetzten und globalen Arbeitswelt, in der Wertschöpfungsketten sich über mehrere Kontinente erstreckten, in der die Arbeitskraft einzelner Unternehmen notwendigerweise zu einer globalen Verteilung führen musste.
Die Trümmerfrauen sollten kommen, um zu bleiben
Dieser „great leap forward“ basierte auf dem „New Deal“ zum Wiederaufbau des zerstörten Europas und Teilen Russlands. Darin erkannte man auch ganz pragmatisch, dass für diese Mammutaufgabe(n) viel Arbeitskraft benötigen wird; auch weibliche, denn viele Männer waren nie aus dem Krieg zurückgekehrt. Vermehrt stellte man fest, dass die althergebrachten Erzählungen über das „schwache Geschlecht“ nicht mehr als Unterdrückungsgeschichten einer männlichen Wirtschafts-, Kirchen- und Adelselite waren – dennoch waren besonders hierzulande die Regierungen und die Justiz konservativ geprägt und maßgeblich durch rehabilitierte Nazis durchsetzt. Dennoch erlebte der Feminismus des 19. Jahrhunderts eine Renaissance und gipfelte in den 1960er Jahren in weltweiten Protesten für Gleichberechtigung und (sexuelle) Selbstbestimmung.
Heute wissen wir in unserer aufgeklärten Filterblase, die von Rechtsextremen und Populisten gern als „grünlinksversifft“ abgewertet wird, dass mehr Freiheiten für das weibliche Geschlecht zu einem gesamtgesellschaftlichen Gewinn führen. Die einzigen Verlierer sind diejenigen, die sich gegen den Wandel wehren und den Mädchen und Frauen offensichtlich veraltete Rollenbilder vorschreiben möchten, weil sie sich in ihrer toxischen Männlichkeit bedroht fühlen.
Die volkswirtschaftlichen Vorteile von Geschlechtergerechtigkeit liegen auf der Hand. Je mehr Menschen einen Zugang zu Arbeitsplätzen haben, weil sie ohne Diskriminierung eine zeitgemäße Schul- und Ausbildung oder ein Studium absolvieren können, desto besser ist das für Arbeitgeber und den Fiskus.
Der Fakt, über welches Organ ich Urin ausscheide, ob ich gebärfähig bin, mit wem ich am liebsten mein Bett teile, darf keine Rolle im Bildungswesen oder Arbeitsmarkt spielen.
Erste Ergebnisse und Trendverstärker
Es mangelt ja auch nicht an Vorbildern, die „es“ trotz der starren Institutionen geschafft haben. Inzwischen hatten wir in Deutschland eine weibliche Bundeskanzlerin, mehrere Bundestagspräsidentinnen, einige Spitzenwissenschaftlerinnen prägen seit Jahrzehnten die Forschungslandschaft (wobei der Anteil der weiblichen Nobelpreisträgerinnen nach wie vor unterirdisch ist). Seit 2015 gilt das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, infolgedessen der Frauenanteil in Vorständen der 100 größten Unternehmen von 0,2 Prozent im Jahr 2006 auf immerhin 16,4 Prozent im Jahr 2021 anstieg (Quelle: Statista).
Inzwischen trat 2021 das Zweite Führungspositionengesetz in Kraft, welches öffentliche Unternehmen und große Privatunternehmen dazu verpflichtet, eine Nullquote von Frauen zu begründen. Die Auswirkungen sind noch nicht messbar, jedoch ist zu erwarten, dass daraufhin der Frauenanteil in Führungspositionen weiter steigen dürfte. Studierende sind knapp zur Hälfte weiblich, jedoch ist nur etwa ein Viertel der Professorenschaft dann auch weiblich besetzt. Etwas mehr als ein Drittel der Bundestagsabgeordneten sind Frauen. Etwas mehr als ein Drittel der Unternehmensgründungen machen Frauen. Das fadenscheinige Argument, Frauen seien nicht in der Lage oder hätten keine Ambitionen, komplexe Ämter oder Berufe auszuführen, ist damit rein faktisch widerlegt.
In den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDG) steht das SDG 5: Geschlechtergleichheit für die Gleichstellung von Mädchen und Frauen. Es umfasst fünf Unterziele, insgesamt 14 Indikatoren (s. SDG-Indikatoren.de), anhand derer regelmäßig für die meisten Staaten weltweit Daten erhoben und im besten Fall der Fortschritt zu mehr Geschlechtergleichheit dokumentiert wird. Vorsichtig gesagt ist in den meisten Staaten der Welt ein positiver Trend erkennbar – mit den üblichen Ausnahmen und teils herben Rückschlägen.
Eine Studie des Bundesfamilienministeriums kam bereits 2011 zu dem Ergebnis, dass Frauen in Führungspositionen zu signifikant besseren Ergebnissen in Unternehmen beitragen (Quelle: BMFSFJ). Die internationale Arbeitsorganisation (ILO) fand 2019 nach der Befragung von 12.000 Unternehmen aus 70 Ländern heraus: „Ein höherer Anteil von Frauen in Führungspositionen verbessert die Unternehmensperformance und erhöht die Attraktivität als Arbeitgeber“ (Quelle: ILO). Und sogar die konservative Zeitung WELT titelte 2018: „Der Frauen-Effekt sorgt für signifikant bessere Ergebnisse“.
Wieso diskutieren wir dann immer noch über eine Quote?
Warum Frauenquote?
Der deutsche Gesetzgeber hat sich vor inzwischen acht Jahren klar positioniert und viele börsennotierte Unternehmen sowie „der Mittelstand“ haben den Pfad eingeschlagen. Dennoch sind die Zahlen immer noch ernüchternd oder, flapsig ausgedrückt: Da geht noch was.
Eine Quote soll in keinem Fall einen gleichrangig oder besser qualifizierten Mann vor die Tür setzen. Genauso wenig hat jemals jemand eine Pflicht zum Gender Mainstreaming in ganz Deutschland gefordert – aber verboten, was ich übrigens nicht nur inhaltlich falsch, sondern in Erinnerung an die Sprachgesetze der NS-Zeit grauenhaft finde. Und ja, ich bin auch einer derjenigen, die überzeugt sind, dass der Zusammenhang zwischen Sprache und Gesellschaft in beide Richtungen verläuft, weshalb ich in meinen Texten auch trotz Verbots in Sachsen
weiter gendern werde – nicht einheitlich und nicht dogmatisch, sondern um den Diskurs aufrechtzuerhalten. Sprache ist immer auch Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse; und solange es nicht beispielsweise normal ist, dass man das generische Femininum verwendet und die Männer auch mitgemeint sind, läuft etwas schief. Wie wär’s mit einem Jahrhundert des generischen Femininums?
Die oftmals aggressiven Äußerungen in „social“ Media sind ein offensichtlicher Beleg dafür, dass ein Teil der Gesellschaft noch nicht bereit ist, sich auf die veränderte Ausgangssituation einzulassen, dass Mädchen und Frauen dieselben Rechte und Ansprüche haben wie Jungs und Männer. Nein, lieber Hartmut, nicht mehr. Genauso viele. Dass man das überhaupt noch diskutieren muss, macht mich manchmal ratlos.
Bis also auch der liebe Hartmut* verstanden hat, dass eine weibliche Führungskraft genauso kompetent (oder inkompetent!) sein kann wie sein männlicher Boss, dass seine Ehefrau und Tochter genauso frei in der Wahl ihres Berufs, ihres Partners oder ihrer Partner:innen ist, dass sie über sämtliche Freiheiten verfügen können sollen, wie die allseits beschworenen „alten, weißen Männer“, werde ich weiterhin gendern. Danach können wir das meinetwegen auch wieder lassen.
*sorry an alle aufgeklärten Hartmuts, ist nichts Persönliches!
Fazit: Aufruf an die Männer
„Die Zukunft ist weiblich“, steht immer wieder auf Transparenten. Dann gibt es noch jene, auf denen die Zukunft als queer festgelegt wird. Aus Zukunftsforschersicht ist beides falsch. Eher richtig: In Zukunft spielt das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung genauso wenig eine Rolle wie die Augenfarbe. Sie ist vorhanden, entscheidet aber nicht über meine Chancen zur gesellschaftlichen Teilhabe.
Da wir davon aber noch weit entfernt sind, bin ich überzeugt: Geschlechtergleichheit ist vor allem Männersache. Noch immer sitzen „wir“ in Führungspositionen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft (inkl. Kirche) und Forschung. Noch immer entscheiden „wir“ einen Großteil der Personalbelange oder darüber, welche strategischen Investitionen zu tätigen sind. Und damit haben wir eine große Verantwortung und auch Chance, um zu einer insgesamt gerechteren Welt beizutragen.
Zwei Initiativen möchte ich explizit erwähnen:
- In Episode #104 meines Podcasts „Im Hier und Morgen“ (VÖ: 3. August 2023) erklärt Heike Leise, Top-Führungskraft und Vorstandsmitglied bei FidAR e. V. (Frauen in die Aufsichtsräte), die Vorzüge von mehr Diversität in Teams und auch großen Unternehmen. Sie nennt dabei viele Statistiken, die Aufschluss über den Ernst der Lage geben.
- Leuchtturm-Papas von Jörg Stephan helfen Führungskräften und Teams dabei, mehr Geschlechtergleichheit und Diversität umzusetzen – dazu gehört auch Eltern- oder Teilzeit für Väter. Er war auch im Podcast zu Gast, genauer in Episode #096 (Apple, Spotify, Youtube), und erklärt, warum die „Untervaterung“ der schlimmste Gegner der Geschlechtergleichheit ist.
Ausschnitt Foto von Presidencia de la República Mexicana
Ohne Nachhaltigkeit geht die Welt bald unter
Ohne Nachhaltigkeit geht die Welt bald unter. Soweit die sehr verkürzte Zusammenfassung der aktuellen Debatten rund um den Klimawandel, Klimakrise oder Klimakatastrophe – abhängig von Medium und Organisation. Dass Nachhaltigkeit sehr viel mehr als Umweltschutz umfasst, wird sehr schnell deutlich, wenn man sich eingehend mit verschiedenen Konzepten befasst. In diesem Beitrag gebe ich einen Überblick über die drei wichtigsten Dimensionen der Nachhaltigkeitsdebatte: die ökologische, die soziale und die ökonomische, auch bekannt als Triple Bottom Line oder Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit.
Eine ganz kurze Geschichte der Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit ist kein Trend. Trends zeichnen sich durch eine kurze Lebensdauer aus, sie tauchen kurzfristig und in der Regel nur in einer oder wenigen gesellschaftlichen Sektoren auf – so wie Trendfarben in der Mode oder Geschmacksrichtungen bei Limonaden. Nachhaltigkeit wiederum wurde erstmals bereits im Jahr 1713 vom sächsischen Forstwirt Hans Carl von Carlowitz beschrieben: In seinem epochalen Werk „Sylvicultura oeconomica“ (1713, Neuauflage 2022) beschrieb er bereits die Grundlagen einer „nachhaltenden“ Wirtschaft. Richtig, mehr als ein halbes Jahrhundert vor Beginn der Industrialisierung. Es war also bereits bekannt, welche Auswirkungen menschliches Handeln, insbesondere durch das Abholzen und Verbrennen von Holz, auf die natürliche Umwelt hat.
Diese fundamentale Erkenntnis, dass die ökologischen Ressourcen nicht – wie vorher gedacht – endlos seien, wurden einerseits in den folgenden Jahrhunderten und zum Teil bis heute vielfach ignoriert, andererseits wuchs die wissenschaftliche Evidenz über die Thesen von Carlowitz‘. Sie gipfelten vorerst in der ersten interdisziplinären und computermodellierten Studie über „Die Grenzen des Wachstums“ von 1972 im Auftrag des Club of Rome, geschrieben von Donella und Dennis Meadows. Infolge dieser Veröffentlichung entstanden weltweit erste „grüne“ Parteien, das Thema Umweltschutz und Klimawandel gelang erstmals auf die politische Agenda, angesichts der damaligen Ozonproblematik kam es relativ schnell zu strikter, teils global koordinierter Umweltgesetzgebung, wie u. a. das globale Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) in technischen Geräten eindrucksvoll zeigte. Diverse globale Klimakonferenzen brachten (fast) alle Staaten der Welt immer wieder zusammen, um Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels zu beschließen.
Somit ist Nachhaltigkeit sogar zu groß für einen Megatrend. Es handelt sich dabei eher um einen Gigatrend, der uns nie wieder loslassen wird. Wie wir nachhaltiger leben und wirtschaften können, schauen wir uns jetzt konzeptionell an.
Die Triple Bottom Line / Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit
Mehrere Konzepte der Nachhaltigkeit kommen zu einem ähnlichen Schluss: Es genügt nicht, Umweltschutz voranzubringen, um das Klima zu schützen oder die Erderwärmung aufzuhalten. Um staatliche Ausgaben in den Naturschutz zu rechtfertigen oder unternehmerische Anreize für nachhaltigere Produktion zu setzen, braucht es auch ein Bewusstsein der Menschen für die Notwendigkeit des Umdenkens. Nun sind aber nicht alle Menschen mit derselben Bildung, demselben ethischen Grundgerüst oder einer hinreichenden wirtschaftlichen Situation ausgestattet. Wie sagte Berthold Brecht so passend sinngemäß: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Oder: Erst kommt der Neuwagen, dann die Nachhaltigkeit.
Offensichtlich hat Nachhaltigkeit erstens mehr als eine Dimension – dazu kommen wir noch – und zweitens sind diese Dimensionen miteinander verbunden und verstärken sich drittens zum Teil sogar wechselseitig. Wird es dauerhaft deutlich wärmer auf der Erde, werden einige Regionen unbewohnbar, was zu sozialen und ökonomischen Krisen führen wird. Oder: Ohne grundlegenden Zugang zu demokratischen Institutionen oder das Recht auf freie Meinungsäußerung wird es äußerst schwer, soziale Nachhaltigkeitsziele wie Gleichberechtigung der Geschlechter oder bessere Bildungschancen sowie Teilhabe zum öffentlichen Leben für alle Menschen zu erreichen.
Viele der Nachhaltigkeitsziele wurden in den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (engl. sustainable development goals, SDG) formuliert, die wiederum aus den Millennium Goals hervorgingen. Sie sind nicht perfekt, sie beinhalten einige neokoloniale Perspektiven, doch sie sind das beste und globalste, was uns aktuell zur Verfügung steht. Die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele sowie deren Unterziele, diverse Veröffentlichungen und Fortschritte werden von den Vereinten Nationen online gepflegt. In diesem Beitrag soll es aber um die unterschiedlichen Dimensionen gehen. Das statistische Bundesamt pflegt auf einer eigenen SDG-Website die Indikatoren für Deutschland.
Im Schaubild des Stockholm Resilience Center der Stockholmer Universität sehen wir eine (!) Aufteilung der 17 SDG in mehrere Dimensionen, die aufeinander aufbauen. Das Fundament für sämtliche menschliche Aktivitäten bildet die Ökologie bzw. Biosphäre. Darauf basiert die Gesellschaft (society), darauf wiederum die Wirtschaft (economy) und schließlich schwebt über allem die Vernetzung verschiedener Institutionen.
Ökologische Dimension der Nachhaltigkeit
Hierzu werden die SDGs 6, 13, 14 und 15 eingeordnet, also:
Es liegt fast auf der Hand, dass diese Ziele allein nicht ohne Unterziele erreicht werden können. Die Links in der Liste führen Sie direkt zu den Unterzielen und genaueren Beschreibungen. Klar ist: Ohne Fortschritte in diesen zahlreichen Unterzielen wird die Biodiversität, also die Anzahl und Komplexität der pflanzlichen und tierischen Arten auf dem Planeten, weiter massiv sinken – mit gravierenden Folgen auch für die Menschheit.
Soziale Dimensionen der Nachhaltigkeit
Hierzu zählen die Ziele 1-5, 7, 11 und 16, also:
- Keine Armut
- Kein Hunger
- Gesundheit und Wohlergehen
- Hochwertige Bildung
- Geschlechtergleichheit
- Bezahlbare und saubere Energie
- Nachhaltige Städte und Gemeinden
- Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
Diese Liste der gesellschaftlichen Faktoren der Nachhaltigkeit verleiht ein Gefühl dafür, wie umfangreich die Herausforderungen für Politik und Zivilgesellschaft sind. In den meisten europäischen Staaten ist der Status Quo bereits vergleichsweise fortgeschritten; sicherlich gibt es berechtigte Kritik am Zustand jedes einzelnen Faktors und wie politische Entscheidungen die Entwicklung einzelner Faktoren langfristig möglicherweise sogar gefährden könnten. Einig sind sich jedoch viele Wissenschaftler:innen, dass ein solides Fundament in diesen Zielen auf Ebene der Gesellschaft eine Bedingung dafür ist, um wahre Nachhaltigkeit erreichen zu können. Keine leichte Übung. Und einer der Gründe, warum es mehr Aufklärung über diese miteinander verwobenen Themengebiete geben muss.
Ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit
Ohne Wirtschaft keine Nachhaltigkeit – doch dann bitte richtig. Zur ökonomischen Dimension zählen die Ziele 8-10 und 12, also:
- Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
- Industrie, Innovation und Infrastruktur
- Weniger Ungleichheiten (zwischen Staaten)
- Nachhaltiger Konsum und Produktion
Spätestens an diesem Punkt wird ersichtlich, dass es eine Frage der Perspektive ist, was „menschenwürdig“ bedeutet – beispielsweise ist die von der Weltbank definierte Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar am Tag durchaus umstritten. Auch der Begriff „nachhaltiger Konsum“ ist schwierig zu fassen, da letztlich jeder Konsum den Bedarf von Ressourcen und Energie mit sich bringt, was genau genommen nur in geschlossenen Kreisläufen (Stichworte Kreislaufwirtschaft oder cradle-to-cradle) wirklich „nachhaltig“ sein kann. Davon sind wir jedoch noch weit entfernt. Doch das hier ist ja ein Zukunfts-Blog 😉
Über diesen drei Kerndimensionen schwebt letztlich das SDG 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele. Spätestens nach der Operationalisierung in Ziele, Unterziele und Messindikatoren wird nämlich deutlich, dass all dies nicht durch einzelne Organisationen oder Regierungen erreicht werden kann. Stattdessen ist ein beispielloser Kraftakt notwendig, um das angesammelte Wissen über die diversen Nachhaltigkeitsbereiche aus unterschiedlichsten Forschungsgebieten und Regionen zu dokumentieren, zusammenzufassen, in die politischen Gremien unter Beteiligung der Zivilgesellschaft einzubringen und die Fortschritte auf dem Weg in die Zukunft zu begleiten.
Fazit
Die Triple Bottom Line bzw. Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit ist – wie jedes Modell – nicht perfekt, sondern immer im jeweiligen Kontext zu betrachten. Ein wesentlicher Nutzen ist die Erhöhung der Sichtbarkeit von Komplexität der Nachhaltigkeit. Ein wesentlicher Nachteil ist, dass die unterschiedlichen Denkrahmen und unterschiedliche ethische Schwerpunkte darin keinen Platz finden. Somit bleiben die Nachhaltigkeitsziele im Stadium eines zahnlosen Tigers verharren, da sie nicht bindend sind; das wiederum führt nicht nur mich zur eher nüchternen Einschätzung, dass die Zielmarke zur Erreichung der SDG für das Jahr 2030 nahezu unmöglich ist, zumal kulturelle Aspekte in der Regel eine zu geringe Rolle bei solchen Zielen spielen – in der Realität aber nicht vernachlässigt werden sollten.
Unterm Strich werbe ich jedoch dafür, wenigstens gut gebildeten Menschen die Zusammenhänge der drei Dimensionen von Nachhaltigkeit immer wieder zu zeigen. Denn letztlich hängt, so der eindeutige Konsens in Zukunfts- und Klimafolgenforschung, das Wohlbefinden und die Stabilität der menschlichen Zivilisation direkt vom Gelingen von Nachhaltigkeit ab. Insofern lade ich Sie herzlich dazu ein, diesen Beitrag mit Ihrer Filterblase zu teilen – und, falls noch nicht geschehen, tragen Sie sich gern für den Newsletter ein. Dort wird es nächstes Jahr eine Reihe aufregender Neuigkeiten in diesem Themenkomplex geben!
Die virtuellen Realitäten der Zukunft: Spielerei oder revolutionärer Durchbruch?
Morgen wird Apple sein Mixed Reality Headset vorgestellt haben. Die Tech-Welt blickt gespannt nach Cupertino, wo der scheidende Apple-CEO Tim Cook heute (5.6.23 um 19 Uhr deutscher Ortszeit) die freudig erwartete Apple Keynote genutzt haben wird, um unter anderem das eigene VR-/AR-Headset zu präsentieren – neben anderen Neuerungen wie dem neuen Prozessor, Updates im iOS und watchOS. Gelingt ihm damit sein eigener Iphone-Moment? Willkommen zu den virtuellen Realitäten der Zukunft.
Der Tanz der Illusionen
Während heute Abend Apple sein neues Mixed-Reality-Headset präsentiert, stellt sich die Frage, ob diese Technologie nur ein teurer Zeitvertreib für Privatpersonen ist oder ob sie tatsächlich das Potenzial hat, die Art und Weise, wie wir arbeiten und interagieren, revolutionär zu verändern. In diesem Beitrag möchte ich meine Überzeugung teilen, dass virtuelle Realitäten für den privaten Gebrauch ungeeignet sein mögen, aber im professionellen Einsatz, insbesondere im Service-Bereich, von unschätzbarem Wert sein können.
Virtuelle Realitäten sind wie der Tanz der Illusionen. Sie versprechen uns ein Eintauchen in andere Welten, sei es auf ferne Planeten, in historische Epochen oder in fantastische Abenteuer. Doch hinter der Fassade der Unterhaltung verbirgt sich eine Technologie, die weitreichende Auswirkungen auf die Art und Weise haben kann, wie wir arbeiten und Dienstleistungen erbringen.
Privates Vergnügen oder professionelle Wunderwaffe?
Für private Zwecke sind virtuelle Realitäten meiner festen Überzeugung nach aktuell noch ungeeignet. Klar, es macht Spaß, in eine virtuelle Welt einzutauchen und für eine Weile dem Alltag zu entfliehen. Aber mal ehrlich, wer von uns hat wirklich Zeit, Geld und Nackenmuskulatur im Überfluss, um stundenlang mit einem teuren Headset auf dem Kopf in einer simulierten Realität herumzustolzieren? Die meisten von uns haben noch reale Aufgaben zu erledigen und echte Verantwortungen zu tragen. Schließlich ist die digitale/virtuelle Infrastruktur noch sehr rudimentär, wenn man sich eins der Hobby-Metaversen (z. B. Decentraland, Sandbox oder das wohl teuerste Projekt von Facebook-Mutter Meta, Horizon Worlds) mal genauer ansieht. Die Preise für VR-Headsets werden sinken, klar, doch das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist: Unsere Gesellschaft – inklusive Kultur, Normen und Werte, Anforderungen an Erwerbsarbeit, etc. – verhindert für den Großteil der Menschen nennenswerte Schnittpunkte und Mehrwerte.
Doch schauen wir über den Horizont des Privatvergnügens hinaus und stattdessen auf den professionellen Einsatz. Hier eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten. Wahnsinnig viele Investments wurden bereits getätigt, nicht zuletzt ausgelöst durch die Consumer Electronics Show 2022 (CES), bei der das Metaverse als einer der wichtigsten Zukunftstrends gefeiert wurde. Darüber hinaus kennt inzwischen wohl jede:r inzwischen Guccis Metaverse-Siegeszug, selbst die Deutsche Bank + Dekabank haben Filialen im Metaverse.
Insbesondere im technischen Service-Bereich kann der Einsatz von virtuellen oder gemischten Realitäten allerdings einen wahren Quantensprung bedeuten. Techniker:innen der Zukunft können mithilfe eines AR-Headsets komplexe Wartungsarbeiten an Maschinen durchführen und dabei von einer intelligenten Maschine unterstützt werden, die in Echtzeit Feedback gibt. Dadurch wird der Mensch zum Superheld, der mit technologischer Unterstützung die Welt der Reparaturen revolutioniert – und zwar lange bevor eine Maschine wirklich ausfällt.
Wichtiger Aspekt aus Arbeitgeberperspektive: Der Mensch, der mithilfe eines solchen Headsets Wartungsarbeiten ausführt, braucht eine ganz andere, viel weniger aufwendige Ausbildung als die heutige, mehrfach zertifizierte Technikerin mit Berufserfahrung.
Der Fachkräftemangel ruft nach virtuellen Helden
In Zeiten des Fachkräftemangels sind innovative Lösungen gefragt. Allein im Maschinenbau geben 29 Prozent der Unternehmen an, dass ihre Produktion angesichts fehlender Fachkräfte beeinträchtigt wird (Quelle: VDMA). Virtuelle Realitäten können dabei helfen, das Wissen und die Fähigkeiten von Fachkräften zu erweitern und zu ergänzen. Durch Simulationen und virtuelle Schulungen können neue Beschäftigte schneller qualifiziert werden und erfahrene Kräfte ihre Fähigkeiten auf dem neuesten Stand halten. Die virtuelle Welt wird zum Trainingsgelände für die Held:innen des Service-Bereichs, die mit ihren AR-Headsets ausgestattet die komplexesten Herausforderungen meistern.
Doch Vorsicht ist geboten: Natürlich gibt es auch Schattenseiten und Bedenken, die nicht ignoriert werden dürfen.
Der Einsatz von virtuellen Realitäten im professionellen Bereich bringt zweifellos Herausforderungen mit sich. Die erste Frage für Unternehmen ist natürlich: Lohnt sich die Entwicklung? Entwickle ich es selbst oder kaufe ich Lösungen ein? Gibt es überhaupt schon Standards und können oder wollen meine (zukünftigen) Arbeitskräfte VR/AR/MR einsetzen?
Datenschutz und Sicherheit sind weitere Bedenken, die wir berücksichtigen müssen. Wenn wir virtuelle Welten betreten, öffnen wir Türen zu einer neuen Dimension, die von Algorithmen und Daten durchdrungen ist. Es besteht die Gefahr, dass persönliche Informationen und geistiges Eigentum missbraucht oder Manipulationen vorgenommen werden. Wir müssen daher strenge Richtlinien und Sicherheitsmaßnahmen einführen, um den Schutz der Nutzer und Patentinhaber zu gewährleisten. Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass unsere staatlichen Einrichtungen aus Sicherheit und Justiz noch nicht wirklich darauf vorbereitet sind.
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Menschlichkeit und dem sozialen Zusammenhalt in einer virtuellen Welt. Wenn wir unsere physische Präsenz durch virtuelle Avatare ersetzen, besteht die Gefahr, dass wir den persönlichen Kontakt und das zwischenmenschliche Miteinander vernachlässigen. Wir dürfen nicht vergessen, dass echte Beziehungen und menschliche Interaktionen die Grundlage unserer Gesellschaft bilden. Virtuelle Realitäten sollten uns nicht von der realen Welt entfremden, sondern sie unterstützen und bereichern – schon allein, indem sie uns körperlich anstrengende und/oder repetitive Aufgaben abnehmen.
Ausblick auf virtuelle Service-Welten
Werfen wir einen Blick in die Zukunft der virtuellen Realitäten im Service-Bereich.
Stellt euch vor, wir haben eine hochentwickelte B2B-Plattform, auf der Unternehmen und Service-Techniker:innen ihre Dienstleistungen anbieten können. Außerdem können smarte Maschinen Wartungsaufträge ausschreiben. Eine Technikerin, ausgestattet mit einem AR-Headset, nimmt einen Job an und wird in manchen Fällen sicherlich noch zur physischen Maschine, eine Rolltreppe oder einen Gabelstapler, fahren; in anderen Fällen geht das auch ohne örtliche Präsenz. Außerdem betritt unsere Technikerin die virtuelle Welt und wird dort von einer intelligenten Maschine begleitet, die alle Aktionen überwacht und bewertet, auch Warnungen anzeigt. Feedback aus aller Welt kann von Expert:innen eingeholt werden. Dank Computer Vision erkennt die Brille selbst, was der Mensch sieht, und kann jederzeit hilfreiche Ratschläge geben.
Mit jeder erfolgreichen und schnellen Wartung oder Reparatur steigt die Reputation der Technikerin auf der Plattform. Unternehmen können auf diese Weise die Fähigkeiten und Kompetenzen von Technikern objektiv bewerten und die besten Kräfte für ihre Aufgaben auswählen. Noch ein paar Jahre weitergedacht wird die Maschine alle Aufträge – natürlich lange vor dem Verschleiß eines Teils – autonom an menschliche Servicekräfte vergeben. Einige dieser Techniker werden mit Sicherheit für mehrere Arbeitgeber tätig sein, weil es sich lohnt und keine umfangreiche Schulung für jedes einzelne Thema nötig ist, sondern ausschließlich ein grundsätzlich technisches Verständnis.
Fazit
Die virtuellen Realitäten der Zukunft sind mehr als nur Spielerei. Sie haben das Potenzial, die Art und Weise, wie wir arbeiten und interagieren, zu revolutionieren. Während sie für private Zwecke möglicherweise ungeeignet erscheinen, können sie im professionellen Einsatz im Service-Bereich Gold wert sein. Ob virtuelle Bankfiliale, branchenübergreifend Fortbildungen, AR-Anleitungen für Bauarbeiter (m/w/d) oder punktuelle Upgrades für menschliche Servicekräfte im Wartungsbereich – ich kann mir für kaum ein Unternehmen keinen sinnvollen Anwendungsfall vorstellen.
Der Fachkräftemangel und die Notwendigkeit, effizientere Lösungen zu finden, erfordern innovative Ansätze. Virtuelle Realitäten können uns helfen, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, indem sie unsere Fähigkeiten erweitern und neue Möglichkeiten eröffnen. Doch dabei dürfen wir nicht die Menschlichkeit und den Schutz der Privatsphäre vernachlässigen. Es liegt in unserer Verantwortung, die virtuellen Realitäten sorgfältig zu gestalten und sie als Werkzeug zur Verbesserung unserer Gesellschaft einzusetzen. Die virtuellen Service-Welten warten auf uns – lassen Sie uns die Zukunft gemeinsam gestalten!
Foto von My name is Yanick auf Unsplash
Text with a little help from ChatGPT (gesamter Chatverlauf unter dem Link ersichtlich)
Futuralgie statt Nostalgie
Warum gibt es eigentlich keinen Begriff für die Sehnsucht nach einer besseren Zukunft? Nostalgie und sogar Ostalgie sind doch weit verbreitet! Mein Plädoyer für mehr Zukunftssehnsucht, oder: Futuralgie.
Plädoyer gegen Nostalgie und Ostalgie
Was genau bedeutet eigentlich Nostalgie? Laut Duden.de ist die Bedeutung wie folgt:
... vom Unbehagen an der Gegenwart ausgelöste, von unbestimmter Sehnsucht erfüllte Gestimmtheit, die sich in der Rückwendung zu einer vergangenen, in der Vorstellung verklärten Zeit äußert, deren Mode, Kunst, Musik o. Ä. man wieder belebt.
Duden.de über Nostalgie, 12.04.2023
Das heißt in anderen Worten: Wer mit der aktuellen Situation unzufrieden ist, flieht gedanklich in die Vergangenheit. Man schwelgt in Erinnerung, oft sogar in einer falschen. Allzu viele Menschen oder deren Umfeld leiden am Rückschaufehler (hindsight bias). Demnach neigen wir manchmal dazu, die Vergangenheit zu glorifizieren, à la: "Es war ja auch nicht alles schlecht damals!" - die Musik war besser, man hatte mehr Spaß und die Jugend ist heute sowieso total verdorben.
Der Haken an Nostalgie: Sie kann krank machen. Denn schließlich wird die Vergangenheit nie zurückkehren. Wer sich eine komplexe Situation wie eine vergangene Staatsform zurückwünscht, wird unweigerlich enttäuscht werden. Wer Geschichtsbücher studiert, weiß, dass auch viele "Revolutionen", die die Wiederherstellung eines vorherigen Status Quo (ex ante) zum Ziel hatten, unter anderem daran scheiterten, dass dies natürlich nicht möglich war. Das Rad der Zeit hatte sich schon weitergedreht, die Einstellungen in den Köpfen der Menschen und die Regeln in den Institutionen waren bereits andere. Ein nennenswerter Anteil der psychischen Krankheiten in strukturschwachen Regionen lässt sich mittelbar mit Nostalgie (oder Ostalgie) erklären, wäre meine steile These an dieser Stelle.
Der noch größere Haken: Logischer Weise können wir nur künstlerische Artefakte wie Musik oder Kunst aus der Vergangenheit konsumieren. Darüber hinaus sind unsere Erinnerungen eng an unsere sinnliche Erfahrung der Vergangenheit gekoppelt, dazu kommen noch Gerüche und taktile Reize, welche wiederum (noch) schwieriger codierbar sind. Aus dieser Verzahnung vergangener Kunst - ein bestimmter Song, den man zur Hochzeit gehört hat, ein Gemälde, welches man mit dem verstorbenen besten Freund bestaunte - wird dann die Fehlannahme, dass "damals alles besser war".
Ein Einfalltor für Populismus und autoritäre Ideologie, siehe Reichsbürger.
Plädoyer für Futuralgie
Deshalb habe ich mir überlegt, warum wir nicht eine Futuralgie bestärken können. Noch gibt es das Wort nicht, aber das möchte ich mit diesem Beitrag ändern oder zumindest anregen. Sharing is caring!
Zur Klarstellung: Die Zukunft existiert nicht. Höchstens im Plural als mögliche Zukünfte, deren Eintrittswahrscheinlichkeit stark davon abhängt, wie viele Menschen an ihrer Erfüllung arbeiten. Deshalb halte ich es auch für wesentlich, optimistische Zukunftsbilder in die Köpfe der Menschen zu bringen als Gegenpol gängiger Weltuntergangsszenarien und Verzichts-Narrative.
Der Haken: Futuralgie kann immer nur funktionieren, wenn Darstellungen möglicher Zukünfte nicht bloß existieren, sondern diese Vorstellungen auch geteilt, diskutiert, kritisiert und in einen zukünftigen Wertekanon integriert werden - so wie historische Kunst eben. Einen Konsens wird es nicht geben, aber vielleicht einige, potenziell miteinander harmonierende Zukunftsbilder in einzelnen Weltbereichen. Außerdem sollten die Zukunftsbilder möglichst nicht ideologisch aufgeladen sein wie Parteiprogramme.
Laut Duden.de ist die sprachliche Herkunft von "Nostalgie"
neulateinisch nostalgia = Heimweh, zu griechisch nóstos = Rückkehr (in die Heimat) und álgos = Schmerz; die heutige Bedeutung wohl beeinflusst von gleichbedeutend englisch nostalgia
Duden.de über Nostalgie, 12.04.2023
Nostalgie ist also der Schmerz in der Gegenwart und die gedankliche und emotionale Flucht in nicht existente, vergangene Zustände. Wäre es nicht aussichtsreicher, wenn man den Schmerz über aktuelle Missstände umlenkt auf mögliche zukünftige Zustände, an deren Erreichung man selbst mitwirken kann?!
Je nach Zeitempfinden ist das Erreichen einer zukünftigen Situation nämlich durchaus realistischer als die Vergangenheit, denn an die können wir uns zwar erinnern, aber sie wird nie wieder kommen. Zudem erinnern wir uns in der Regel falsch. An die Zukunft können wir uns nicht erinnern, sie aber erdenken, weshalb mancheine:r ja auch von dem Erdächtnis als Gegenpol zum Gedächtnis spricht.
In meiner Dauerumfrage über die Einstellung der Deutschen über die Zukunft habe ich dutzende Anzeichen dafür gefunden, dass ich nicht allein bin. Doch beim Nachdenken über die Futuralgie fallen mir immer mehr gute Argumente ein, die dafür sprechen. Aber bevor ich mich gedanklich im Kreis drehe, möchte ich den Ball gern nach außen spielen. Denn...
Ausblick Futuralgie
Was genau mit diesem Gedanken passieren soll, weiß ich noch nicht. Der Gedanke ist erst wenige Tage alt. Ein gutes Zeichen war, dass bei Google nur zwei Suchergebnisse (!) zu dem Suchbegriff auftauchten. Deshalb habe ich mir direkt die Domain futuralgie.de gesichert. Was wir damit anstellen, überlegen wir uns in den kommenden Monaten.
Wer Ideen und Lust hat, daran mitzuwirken, schreibe gern einen Kommentar.
On the road mit Kai... und ChatGPT
... aus dem Leben eines Zukunftsforschers auf Reisen: Anfang März stand ich innerhalb von sieben Tagen fünf Mal auf der Bühne bzw. leitete einen Workshop. Bei einem war ich aktiver Teilnehmer, immerhin. Hier mein kurzes Reisetagebuch mit wertvollen Einblicken in die Dinge, die die Welt aktuell bewegen.
Meine Reiseroute Mi-Di: Einmal quer durch Deutschland (+ Salzburg)
Skurrilerweise war ich im Februar nur einmal im Kundenauftrag "on the road", der März begann direkt mit dem Gegenteilprogramm. Denn genau genommen startet unsere Reise am Mittwochabend, dem 1. März und endet am 7. März 2023.
Leipzig und die Bildungsrevolution
Den Ernst-Klett-Verlag (Hauptsitz Stuttgart, die Anfrage kam aus dem Leipziger Verlagsbereich für sozialwissenschaftliche Themen) kennen die meisten von uns dank der schönen Literatur noch aus dem Schulunterricht. Die Geschäftsführung meldete sich bei mir, da ich mich als Zukunftsforscher unter anderem mit den Themen Bildung und KI beschäftige - und da war schon im Januar klar, dass wir sprechen müssen, als die Veröffentlichung von OpenAIs Vorzeige-Projekt ChatGPT die Runde machte.
So lud mich Klett zu einem aktuellen und einflussreichen Thema ein: "ChatGPT im Klassenzimmer: Fluch oder Segen?". So hieß das Webinar, in dem ich eine digitale Keynote halten und mich anschließend den Fragen des Publikums - vor allem Lehrkräfte - stellen durfte. Warum gerade ich?
- Die Bildungswissenschaft ist Teil der DNS der deutschsprachigen Zukunftsforschung, immerhin wurde das Institut Futur an der Freien Universität am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie gegründet. Außerdem habe ich in meinem Grundstudium Soziologie / Politik- und Verwaltungswissenschaft auch die Zusammenhänge von Psyche und Gruppenverhalten studiert.
- Mein Whitepaper über zukunftsfähige Bildungssysteme, welches inzwischen übrigens auch über ISSN in der Deutschen Nationalbibliothek gelistet ist, beschreibt ein paar Zukunftsbilder des Bildungssystems - nicht uninteressant, wenn man Teil des Systems ist.
- Mit künstlicher Intelligenz (KI) befasse ich mich professionell seit meinem Studium der Zukunftsforschung und spätestens mit dem Band "Arbeitswelt und KI 2030" auch in Buchform nachlesbar. Kürzlich hatte ich den fantastischen Dr. Aljoscha Burchardt (DFKI) im Januar (#093) im Podcast "Im Hier und Morgen" zu Gast, um ChatGPT für alle verständlich zu erklären.
Das Klett-Webinar war am ersten Tag nach Verkündung im Klett-Eventkalender ohne Werbung ausgebucht, daher haben wir es auch nicht mehr beworben. 500 Teilnehmende wollten sich anschauen, was nun das Besondere an ChatGPT ist und welche Impulse wir gemeinsam für die Unterrichtsgestaltung geben. Letztlich war diese Frage natürlich schwieriger zu beantworten als möglicherweise erhofft; schließlich ist jede Klasse anders, jedes Fach in jeder Stufe stellt unterschiedliche Anforderungen - die wichtigste Botschaft lautete daher: Legt euch einen Account an und probiert es selbst aus, bevor das Kind in den Brunnen fällt. So eine starke Verkürzung der Diskussion im Anschluss an meine Keynote. Den meisten sollte klar geworden sein, dass mit ChatGPT endgültig die versteifte Prüfungsversessenheit des deutschen Bildungssystems ein Ende gefunden haben dürfte. Mehr noch: Meine These stellt auf eine Revolution im Bildungssystem ab. Das wird erst in ein paar Jahren so ersichtlich sein, weil die Prozesse zu einem neuen Alltag natürlich langwierig bleiben, doch das Erbe des Bildungssystems gerät schon jetzt ins Wanken. Weg mit den Prüfungen, weg mit den Noten, vielleicht werden sogar die Fächergrenzen endlich eingerissen. Ich bleibe am Ball.
Berlin und die Zukunft Deutschlands
Donnerstagfrüh ging es für mich nach Berlin zu einem Workshop mit D2030 - Deutschland neu denken e. V. und den Projektpartnern des Szenarioprozesses "Neue Horizonte 2045" - Deutsche Bahn, EnBW und AOK PLUS. Ich bin einer der Expert:innen im Szenarioteam und an der Erstellung von Szenarien beteiligt, die mögliche, konsistente Entwicklungspfade der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft auf dem Weg in die CO2-Neutralität beschreiben sollen. Ich bin Mitglied bei D2030, weil ein nennenswerter Teil der Gründer:innen mich schon lange Zeit auf dem Weg als Zukunftsforscher begleitet und ich weiß, dass methodisch hier alles richtig läuft. 2018 wurden erstmals Szenarien zur Zukunft Deutschlands veröffentlicht, welche nach Beginn der Pandemie sowie nach der Invasion Russlands in die Ukraine einem Stresstest unterzogen wurden. Nun sollen die Szenarien, die übrig geblieben und nach wie vor konsistent wahrscheinlich sind, in einer neuen Runde überprüft und ergänzt werden. Schließlich hat sich auch sonst etwas seitdem getan.
Wir diskutierten in illustrer Runde über die wichtigsten Rahmenbedingungen des Projekts, also die Einflussfaktoren, aber auch den Projektablauf. Im Herbst sollen die Ergebnisse stehen, die übrigens auch unter öffentlicher Beteiligung entstehen. Allein über Wildcards, also ungewisse und potenziell einflussreiche Ereignisse wie Vulkanausbrüche, einen Krieg um Taiwan oder das frühere Erreichen ökologischer Kipppunkte, tauschten wir uns fast eine Stunde lang aus. Übrigens wird es auch einige Möglichkeiten der Beteiligung geben, also lohnt sich ein Newsletter-Abo der Initiative!
Von Berlin aus ging es für mich mit der Bahn zum Düsseldorfer Flughafen, wo ich einen Mietwagen abgeholt habe, mit welchem ich am späten Abend nach Mönchengladbach fuhr - natürlich ein Elektroauto.
Mönchengladbach oder Aachen: Hauptsache ChatGPT!
In Mönchengladbach checkte ich gegen 23 Uhr im Hotel ein und nahm letzte Änderungen und Ergänzungen an meiner Präsentation für den nächsten Tag vor: Eine Keynote bei der Hochschulverwaltung der RWTH Aachen, welche letztes Jahr aufgrund einer Terminkollision bei mir leider nicht möglich war. Umso schöner war es, dass wir nun endlich zusammengefunden haben!
Freitagvormittag legte ich den letzten Teil der Strecke zurück, strandete kurz dank der Inkompatibilität des BYD-Mietwagens in Aachen, denn ich durfte lernen, dass nicht alle Ladestationen zu allen Elektroautos passen. Glücklicherweise hatte ich ausreichend Puffer eingeplant, bin etwas früher als geplant aufgestanden, sodass ich nicht ins Schwitzen kam. Die 90 Minuten Wartezeit bis zum vollen Akku verbrachte ich in der netten Sixt-Station in Aachen, die durch einen Kaffeevollautomaten, sehr freundliches Personal und bequeme Sessel die Strapazen erträglich gemacht hat.
Die letzte Etappe fuhr ich zur Charles Eventlocation in Aachen, um beim Strategietag der RWTH anzukommen. Die Begrüßung des Publikums habe ich natürlich ChatGPT vorlesen lassen, anschließend drehte sich mein Impulsvortrag um Perspektiven auf Zukünfte und welche Strategien es für Führungskräfte gibt, ihre Beschäftigten durch die ungewissen Zeiten zu lotsen. Das Stichwort Employer Branding tauchte möglicherweise auch darin auf.
Nach einer spannenden Fragerunde und Gesprächen mit der Führungsetage der Verwaltung, was denn nun konkret umgesetzt werden könne, stieg ich in den Mietwagen, um zurück zum Flughafen zu navigieren. Denn anschließend musste ich leider ausnahmsweise ein Flugzeug besteigen, immerhin knapp kein Inlandsflug - es ging nach Salzburg. Auslöser dafür war der Streik sämtlicher Verkehrsunternehmen im Nah- und Fernverkehr am 3. März, welchen ich ausdrücklich unterstütze, leider auf Kosten meines ökologischen Fußabdrucks. Dass dieser ohnehin Augenwischerei der fossilen Lobby ist, wissen wir ja zum Glück, dennoch versuche ich natürlich, meine Flüge geringzuhalten.
Salzburg und die Zukunft der Digitalisierung & Dekarbonisierung
Warum eigentlich Salzburg?
Erstens ist Salzburg immer eine Reise wert.
Zweitens war ich dort am nächsten Tag eingeladen, also am 4. März, genauer bei der 8. Konferenz für Interim-Management des Dachverbands der österreichischen Interim-Manager, um eine Keynote über "Dekarbonisierung und Digitalisierung" vor rund 180 Interim-Managern zu halten. Die wichtigsten Erkenntnisse habe ich ausführlich in einem anderen Zlog-Beitrag über das goldene Zeitalter des Interim-Management festgehalten.
Einen Teil des Programms konnte ich mitverfolgen und habe anerkennend festgestellt, dass die Speerspitze des agilen Managements schon tief in den Themen auf meiner ersten Präsentationsfolie steckt. Digitalisierung ist hier kein Buzzword, sondern alltägliche, operative Praxis. Ebenso Dekarbonsierung, wie ich in einem Vortrag von Dr. Pfeifer sehen konnte: Er referierte vor mir über die Einführung von ESG (ecological and social governance) in Unternehmen, also wie Organisationen Nachhaltigkeitsreporting aufsetzen und die CO2-Emissionen erst einmal erfassen, dann Maßnahmen zur Reduktion umsetzen und vieles mehr.
Der Interim-Management-Bereich ist mir nicht neu und zahlt stark auf meine gängigen Thesen rund um die Arbeitswelt der nächsten 10-15 Jahre ein. Viele Organisationen sind schlicht überfordert mit der Vielzahl dringender und wichtiger Trends, wenn man das so allgemein sagen darf. Dennoch war ich ziemlich baff, als ich auf dem Weg nach draußen - zum Bahnhof - Zuspruch von Dutzenden Teilnehmenden erhielt, in viele Gespräche verwickelt wurde, was mich als typischen Tiefstapler natürlich umso mehr gefreut hat. Wir bleiben in Kontakt!
Balingen / Hechingen und ein intensiver Future Day
Anschließend ging es mit der Bahn von Salzburg nach Balingen in Baden-Württemberg, da ich am Montag einen Workshop (Future Day) in Hechingen gemeinsam mit PROFORE-Partner Sven Göth (FUTURISER) leiten durfte. Dieser wurde seit 2020 verschoben aus den unterschiedlichsten Gründen, einer hatte mit Corona zu tun.
In sechs Stunden haben wir vor einem Team aus zwei unterschiedlichen Unternehmen erst Impulse geliefert, sind dann in die Relevanzbewertung eingetaucht, um schließlich sehr konkrete Ableitungen für nächste Schritte zu treffen. Diagnose: Sieht gut aus, die Potenziale sind gigantisch, möglicherweise später mehr. Dieses Format macht mir besonders viel Freude, weil nicht nur die visionäre Fortschreibung von Trends im Mittelpunkt steht, sondern der konkrete Bezug aufs Geschäftsmodell, das ich vorher in der Regel nicht kenne - und meist auch meine Kundinnen und Kunden nicht so genau beschreiben können.
München und der Spielfilm aus dem Laptop
Montagabend fuhren Sven und ich gemeinsam nach Stuttgart, von dort aus bin ich dann mit der Bahn nach München gereist, um am Dienstag eine lange verschobene Keynote bei Constantin Film - erstmals im Kino-Ambiente! - vor rund 50 Menschen zu halten. Auch hier war der Termin eigentlich für 2021 angesetzt, wurde seitdem mehrfach neu terminiert, nun war es endlich so weit!
Die Kernfrage lautete hier: Womit verdienen Produktionsfirmen eigentlich Geld, wenn ChatGPT, Dall-E und Co. die Produktion von Bewegtbild auf jeden Laptop bringen? (Keine Sorge, es gab auch Antworten) Denn das ist kurz vor Veröffentlichung von GPT-4 eindeutig naheliegend: Wenn schon jetzt Seinfeld-Folgen auf Dauerschleife im Comicstil von einer KI geschrieben und produziert werden, fotorealistische Echtzeit-Generierung von Endlos-Computerspielewelten Einzug in die Gaming-Community halten und immer mehr Menschen unzufrieden mit dem Ausgang von Filmen und Serien sind (wer erinnert sich an den Shitstorm nach der letzten Game of Thrones Staffel?), stellt sich mal wieder die alles entscheidende Frage: Was ist eigentlich der Kern des Geschäftsmodells? Spoiler: Es ist nicht die Produktion des Films. Es ist das Storytelling, die Auswahl origineller Geschichten und Heldenreisen.
Anschließend hatte ich noch zwei Meetings in München, in einem ging es um ein eigenes Projekt, das möglicherweise unter meiner Mitwirkung eines Tages auf Bildschirmen zu sehen sein wird. In dem anderen ging es um mein anderes Großprojekt, in dem wir gerade drei Sammelbände unter der Überschrift "Nachhaltigkeit und Innovation" im Springer VS Verlag vorbereiten. Stay tuned...
Epilog
Das Thema, das überall die Gespräche dominierte, war ganz klar ChatGPT. Dazu habe ich ja hier und bei GIGA und auch in anderen Medien schon meine Einschätzung geteilt. Natürlich nutze ich dieses und andere Tools wie you.com inzwischen standardmäßig, ebenso tun es Schüler:innen, Redakteur:innen und alle, die mit Text zu tun haben. Ersetzt das nun massenhaft Jobs? Vielleicht in den USA und einigen wenigen Unternehmen in Deutschland. In Wirklichkeit steigern die generativen KIs nun endlich die Produktivität - auf diese Steigerung haben wir sehr lange gewartet. Möglicherweise ist das ein Hebel gegen den Fachkräftemangel... doch ohne Umschulungskonzepte schaffen wir die anderen Herausforderungen nicht.
Am Dienstagabend fuhr ich dann endlich wieder nach Hause. Mit so vielen neuen Eindrücken im Gepäck, dutzenden ungelesenen E-Mails im Postfach und Vorfreude auf mein Zuhause mit anderthalb geliebten Mitbewohner:innen konnte es gar nicht schnell genug gehen...
Das Goldene Zeitalter des Interim-Management
Hinter mir liegen ein paar reiseintensive Tage, die - wie immer - auch mit einigen neuen Erkenntnissen einhergingen. Das Wichtigste steht schon in der Überschrift. Wie diese Erkenntnis entstand, möchte ich in diesem Zlog-Beitrag erklären.
Interim-Management ist gefragter denn je
Der Befund aus dem Kreise des Interim-Management ist eindeutig: Man kann sich vor Mandaten kaum retten. Dass das goldene Zeitalter für Interim-Manager (m/w/d) noch anhält, habe ich in der Vorbereitung auf meinen meinen Einsatz bei der 8. Konferenz für Interim-Management des DÖIM in Salzburg am 4. März so gesagt und in vielen Gesprächen auch bestätigt bekommen. Woran liegt das und wie geht's weiter?
Die Formel ist auf den ersten Blick ganz einfach: Fachkräftemangel + Wertewandel + Digitalisierung + Bildungsrevolution. Und was kommt danach?
Fachkräftemangel: Die erwartbare Implosion
Der Fachkräftemangel kam mit langer Ansage. Die demografische Entwicklung in nahezu allen westlichen, industrialisierten Staaten des globalen Nordens erfährt gerade oder sehr bald einen Knick. Die "Babyboomer" gehen in Rente oder Pension, es fehlen Dank der soziotechnisch nicht zu überschätzenden Innovation der Geburtenkontrolle (auch Pillenknick genannt) zunehmend Arbeitskräfte. Das Problem wurde in der Mehrheit von Organisationen unterschätzt, denn: Man fährt lieber auf Sicht oder hat schlicht keine Möglichkeit, die regionale Entwicklung nennenswert zu beeinflussen.
Umgekehrt bedeutet das: Beschäftigte sitzen erstmals seit der Industrialisierung am längeren Verhandlungshebel.
... eine Prise Wertewandel
Wertewandel findet immer statt, ebenso wie demografischer Wandel. Fragt sich nur, woher und wohin. Dafür genügt es leider nicht, quantitative Daten zu erheben, es braucht eher qualitative Analysen. Einer der Gründe, warum der Methodenkanon der Zukunftsforschung so breit gefächert ist.
Wichtig: Der Generationenmythos darf unter keinen Umständen im Personalmanagement ankommen. Oder anders: Nahezu alles, was über "Generation Z" oder "Generation Alpha" oder andere Generationen reichweitenstark behauptet wird, ist falsch. Empirisch sind sämtliche Zuschreibungen beliebiger Geburtenjahrgänge bzw. -kohorten kompletter Unsinn. "Generation Z ist bequem", "Generation Y ist postmaterialistisch", "Generation X will nur Profit erwirtschaften" - ein kurzer Blick in die gleichaltrige Verwandtschaft und Freundeskreis genügt, um die These zu widerlegen. Und das wird auf der Ebene von Gesellschaften nicht besser, eher schlimmer. Es ist einfach falsch, anhand der Geburtenjahre Charakterzüge, Fähigkeiten oder Präferenzen zuzuschreiben - und laut Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sogar verboten, weil es sich hierbei um Altersdiskriminierung handelt.
Eher können wir von einem Zeitgeist sprechen, der sich verändert. Sind es wirklich nur die jungen Leute, die gern mit Smartphones, Apps und ChatGPT experimentieren? Nein, es ist eher ein bestimmter Habitus - und eine intervenierende Variable ist, dass ältere Menschen tendenziell schon mehr biografische Pfadabhängigkeiten haben, daher also weniger Zeit oder Energie zum Ausprobieren neuer Technologien. Trends zu mehr Selbstverwirklichung, mehr Freiheitsgraden, Postmaterialismus ziehen sich asynchron durch die gesamte Gesellschaft. Aber solche Statements verkaufen sich schlicht nicht so gut.
Der springende Punkt ist: Der gesellschaftliche Wert von Erwerbsarbeit hat sich verändert. Wir sind noch nicht bei der längst überfälligen Freizeitgesellschaft, doch das Ideal dieser Vorstellung hat Einzug genommen in den Arbeitsmarkt. Warum? Weil sich die Machtverhältnisse gewandelt haben. Das Arbeitskräfteangebot sitzt plötzlich am stärkeren Hebel, was sicherlich durch die Pandemie beschleunigt wurde, letztlich aber nur eine Frage der Zeit war. Beschäftigte werden händeringend gesucht, es geht nicht mehr nur um Fachkräfte, sondern Arbeitskräfte aller Art und in nahezu allen Branchen und Regionen. Sabbatical, Workation, Teilzeitverträge - inzwischen eher Standard als Ausnahme auf der Prioritätenliste im Bewerbungsgespräch. Die langfristige Folge davon wird übrigens das "solopreneurial chaos" sein, aber dazu an anderer Stelle mehr.
Digitalisierung und Bullshit Jobs und zurück
Allmählich ist es offensichtlich geworden, dass mit Mitteln der Digitalisierung Tätigkeiten rationalisiert werden. Arbeitsplätze fallen schrittweise weg, wo vorher noch echte Menschen Gegenstände von A nach B getragen oder Laute von A nach B getippt haben. In den USA mündet sowas oft direkt in Massenentlassungen, hierzulande sind Beschäftigte besser durch Gewerkschaften und Betriebsräte geschützt und werden dann umgeschult - oder haben genügend Zeit, sich neu zu orientieren. Was gut ist, oder immerhin nach unserem aktuellen Idealbild "human".
Ab circa 2035 erwarten wir jedoch einen interessanten Knick in der Produktivität - und zwar erstmals seit Beginn der Digitalisierung im positiven Sinne. Einer der Hauptgründe dafür ist die Entwicklung generativer KI, zu der auch ChatGPT gehört. Was dahinter steckt, müssen wir uns ein andermal genauer ansehen. Wichtig für dieses Thema: Es geht nicht mehr nur um humane Teams, sondern human-maschinelle-Teams. Darüber, wie sich das im Jahr 2030 anfühlen könnte, schrieb übrigens Frank Fischer einen tollen Beitrag im Band "Arbeitswelt und KI 2030" unter dem Titel: "Zukünftige Zusammenarbeit zwischen Menschen und KI. 'Ich strebe danach, dass Du ich wohl fühlst', sagt mein KI-Kollege 2030".
Zwischenzeitlich gab und gibt es zahlreiche Bullshit Jobs (der Begriff ist dem gleichnamigen Buchtitel entliehen), oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), welche ihrerseits die Moral der Belegschaft mittelfristig erodieren. Und dann? Dann reduzieren massenhaft Beschäftigte ihre Arbeitszeit auf 80 oder 60 Prozent und starten ihre eigenen Projekte. Ob Blumenladen, Instagram-Influencer, VR-Haustier-Friseur im Metaverse oder auch Aushilfe bei der Müllabfuhr oder im Supermarkt gegenüber. Job 1 zahlt die Miete und Sozialversicherungen, Job 2 ist für die Selbstverwirklichung oder den körperlichen Ausgleich. Damit sollen Arbeitgeber erstmal zurechtkommen.
Umgekehrt mehren sich die Berichte, dass Bewerberinnen und Bewerber immer häufiger das Gespräch mit überzogenen Vorstellungen starten. Überspitzt formuliert: Uni-Absolvent:in, 23 Jahre jung, bewirbt sich beim mittelständischen Unternehmen auf einen Abteilungsleitungsjob. Klar, Dienstwagen und -handy gehören hier jawohl zum Standard, Erfahrung in der Personalverantwortung hat man nicht, aber das passt schon, 30 Urlaubstage halten Sie für menschenwürdig?! Tja. Wenn sich nur eine fachlich geeignete Person auf den Job bewirbt, gibt's keine Wahl. Und das Beste an der Geschichte: Das kann auch funktionieren, erfordert aber natürlich vollkommen andere Führung bzw. Coaching-Funktionen der übergeordneten Ebene.
Die Früchte der Bildungsrevolution
Nie konnten mehr Menschen weltweit lesen und schreiben als heute. Sicherlich gibt es immer auch Rebound-Effekte, wenn man sich die Kommentarspalte auf Facebook und Twitter anschaut oder politische Entwicklungen wie in Afghanistan. Doch der durchschnittliche Bildungsstand hat sich global in den letzten Jahrzehnten insgesamt extrem positiv entwickelt. Dazu gehört in den meisten Staaten auch die höhere Bildung, also Menschen mit abgeschlossener Lehre oder Studium. Ganzheitlich betrachtet ist das wundervoll! Aus Sicht eines stereotypen Unternehmens mit Standard-Aufbauorganisation ist diese Entwicklung allerdings ungünstig.
Denn spätestens jetzt wird vielen Menschen klar, dass sie in der "alten Welt" primär als Humanressource betrachtet und über Jahrzehnte sogar so bezeichnet wurden. Eins von vielen Produktionsmitteln. Rückwirkend ziemlich barbarisch. Wenn Sie diesen Beitrag lesen, sehen Sie das vermutlich auch schon so, aber ein großer Anteil von Arbeitgebern handelt immerhin noch exakt so, als wären die Menschen, die für den Geschäftszweck arbeiten, redende Maschinen. Dass sie auch denkende und fühlende Maschinen mit Biorhythmus sind, wird in den wenigsten Organisationen abgebildet.
Rückblickend könnte die aktuelle Dekade als Durchbruch der Arbeitskräfte in die Geschichtsbücher eingehen. Sie sind besser gebildet, besser vernetzt und organisiert, sitzen schließlich infolge der weiteren "Megatrends" am längeren Hebel für Personalgespräche. Die Revolution der Arbeiter bleibt für immer eine Vision (ob Utopie oder Dystopie, entscheidet die Leserschaft) - doch die Evolution der Arbeit erlebt aktuell einen Fortschritt.
Das Zielbild: Eine Organisation ohne Middle Management
Und hier kommen wir zum Interim Management.
Selbstverständlich gibt es eine große Bandbreite an Interim Managern (w/m/d), wer bis hierhin gelesen hat, ist mit der Jobbeschreibung vermutlich vertraut oder sogar selbst eine:r. Im Grunde übernehmen diese Menschen temporäre Mandate in Organisationen aller Art, um die Finanzen, das Personalmanagement oder die Nachhaltigkeitsstrategie umzukrempeln. Nicht immer eine beliebte Rolle, weil in der Regel auch Umbrüche oder das klare Mandat zur Umstrukturierung damit verbunden sind.
In meiner Keynote in Salzburg habe ich vor dem Hintergrund von Digitalisierung und Dekarbonisierung eine ähnliche Herleitung wie oben beschrieben. Hinzu kommt noch etwas Hintergrundwissen, unter anderem durch PROFORE-Partner Oliver Straubel (Holism), der sich und sein Team vor Interim-Mandaten seit einigen Jahren kaum retten kann - Tendenz steigend. Nur warum?
Die oben beschriebenen Entwicklungen zahlen mittelbar oder unmittelbar auf zwei der wichtigsten Unternehmenstrends unserer Zeit ein:
- Fehlende Motivation zur Verwaltung, also dem Middle Management: Menschen wollen mehr gestalten, Stichworte Wertewandel und Bildungsrevolution.
- Professionelle Prioritäten verschieben sich: Mehr denn je ist einer gut gebildeten Bevölkerungsschicht bewusst, dass ihr Handeln Konsequenzen in der realen Welt hat - Stichworte Nachhaltigkeit und Generationenvertrag.
Häufige Fragen lauten:
- Wie setzt man eigentlich ESG um? (Nachhaltigkeitsreporting, -strategie, etc.)
- Wie transformiere ich eine Organisation von Wasserfallhierarchie zu Agilität? Wie geht Holokratie, Soziokratie, und wie finde ich den für mich richtigen Mix?
- Warum klappt Digitalisierung bei uns nicht? (Was kommt nach der Hard- und Software?)
- Welche Personalstrategie passt für unsere Belegschaft, in der viele Beschäftigte bald in Rente gehen, viele Berufseinsteiger sind?
- ... wie werde ich wirklich resilient, also zukunftsfähig?
Zur Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen fehlt innerhalb vieler Organisationen das Knowhow. Nicht ohne Grund gibt es immer mehr entsprechend spezialisierte Management-Studiengänge und -Fortbildungen, die mit dem alten Management brechen. Das alte Management wird dadurch nicht fundamental schlecht oder falsch, doch die Rahmenbedigungen haben sich geändert.
Das Zielbild findet ohne mittleres Management statt und vor allem mit mehr individueller Verantwortung, mehr Kreislaufgedanken (#circularbusinessmodel), mehr Gemeinwohlorientierung. Nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil es früher oder später anders nicht mehr erlaubt sein wird. Das begründet auch meine längst replizierte These eines Massensterbens von Unternehmen, umgekehrt entscheiden sich die vorausschauenden Unternehmen rechtzeitig für den Umbau der Organisation - im Zweifel mit Interim Management auf den entscheidenden Positionen.
Grafik von soulsana @ Unsplash.com
Call for Papers: Regenerative Zukünfte und künstliche Intelligenz
Aktuell arbeite ich gemeinsam mit vier Co-Herausgeber:innen an einem dreiteiligen Sammelband unter dem Titel "Regenerative Zukünfte und künstliche Intelligenz", welcher ab Dezember 2023 im Springer VS Verlag erscheinen soll. Ein großartiges Herzensprojekt! Wir haben schon zahlreiche Zusagen für fantastische Beiträge erhalten, darunter auch prominente Organisationen wie die UNO-Flüchtlingshilfe, die Arizona State University, Bosch Cognitive Science, ForTomorrow gGmbH, das GEOMAR und viele weitere Forschungseinrichtungen, Unternehmen und NGOs. Mit diesem Aufruf suche ich in der Community der Zukunftsforschenden und anderweitig Zukunftsbegeisterten nach Einsendungen von Konzepten für einen der drei Bände - jeweils im vierten Teil "konkrete Utopien".
Vermutlich sind Sie oder bist du auf dieser Seite gelandet, weil ich den Link dazu per Mail oder auf einem anderen Kanal geschickt habe. Also möchte ich die Spannungskurve nicht überdehnen, hier geht's zum Call for Papers als PDF-Datei (Download darunter möglich):
Hier auf einen Blick die wichtigsten Daten, falls die PDF-Anzeige nicht klappen sollte:
Das Konzept der Bände
- 3 Bände mit unterschiedlichen Schwerpunkten (PLANET, PEOPLE, PROFIT), einheitliche Kapitelstruktur, Veröffentlichung ab Ende 2023 (Print und eBook) zunächst auf Deutsch, wenig später auf Englisch – Einreichung der Beiträge in englischer Sprache möglich.
- 5 Herausgeber:innen aus Wirtschaft (Energie, Handel), Gesellschaft (Klimasimulation), Forschung (maritimer Inkubator, Zukunftsforschung).
- 4 inhaltliche Teile je Band: Problembeschreibung, Lösungsansätze aus Forschung und Wirtschaft, Gesellschaftspolitische Lösungsansätze, Konkrete Utopien. Länge der Beiträge in den ersten drei Teilen 15-25.000 Zeichen, im vierten Teil 10-15.000 Zeichen.
- 25-30 Beiträge aus Praxis und Wissenschaft beschreiben auf jeweils rund 300 Seiten Lösungsansätze für nachhaltige Entwicklung: Vom Status Quo über Lösungsansätze und Zukunftsbilder zu praktischen Handlungsempfehlungen. Dutzende Zusagen sind bereits zugesichert, darunter die UNO Flüchtlingshilfe, GEOMAR, verschiedene Universitäten, Bosch Cognitive Services, Lidl Deutschland, KLIMA° vor Acht.
- 0 Profit: Der Preis jedes Bands wird auf Wunsch der Herausgeber:innen vom Verlag (Springer VS) so kalkuliert, dass keine Gewinne für die Herausgeber:innen entstehen. Mögliche Gewinne werden gemeinnützigen Organisationen bereitgestellt.
- Zielgruppe: Entscheidungsträger in Organisationen in Wirtschaft, Verwaltung, NGOs.
- Abgabefristen für Beiträge: 30. April 2023 für Band 1 (PLANET), 30. Juni 2023 für Band 2 (PEOPLE), 31. August 2023 für Band 3 (PROFIT).
Call for Papers: Konkrete Utopien 2050
- Der vierte Teil aller drei Bände hat zum Ziel, in kurzen Essays (10-15.000 Zeichen) positive Narrative zu erzeugen – als Gegenstück zu den gängigen Erzählungen von Verzicht auf Lebensstandard bis zur Apokalypse.
- Bereits zugesagt: Je ein Beitrag von SPRIND und D2030.
- Als Orientierung der Beiträge dient Ernst Blochs Konzept der konkreten Utopie: Anstatt zu träumen, möchten wir real mögliche Zukünfte beschreiben. Sie haben zum Ziel, der Leserschaft ein wünschenswertes Zukunftsbild zu vermitteln.
- Anders als die Beiträge in den drei vorherigen Hauptteile der Bände dürfen die konkreten Utopien explizit populärwissenschaftlicher formuliert und strukturiert sein – der Stil darf narrativ, formal, aber auch grafisch sein.
- Dein / Ihr Konzept darf gern formlos, kurz und pointiert sein. Daraus sollte ein roter Faden oder ein Vorbild einer bereits veröffentlichten Geschichte hervorgehen. Wichtig ist die Nennung des Schwerpunkts (PLANET, PEOPLE, PROFIT).
- Wir suchen ausdrücklich nach positiven, zuversichtlichen, aber realistisch-konsistenten Zukünftegeschichten. Was wäre, wenn die Klimaschutzbemühungen tatsächlich gelingen? Wofür lohnt es sich zu „verzichten“, umzudenken, neue Strategien zu implementieren?
- Länge der Beiträge: 10-15.000 Zeichen inkl. Literatur und Abbildungen
- Frist für Konzepte: 15. März 2023, 23:59 Uhr (mitteleuropäische Zeit / CET). Rückmeldungen erhaltet ihr bis Ende März von den zuständigen Herausgeber:innen.
- Konzepte bitte als PDF an den korrespondierenden Herausgeber per E-Mail senden: kontakt@kaigondlach.de und in Kopie / CC an info@regenerative-future.com
2023: Das Jahr der Hoffnung
Gute Nachrichten: Eine große Mehrheit (61 %) empfand das Jahr 2022 als gutes Jahr, die Aussichten auf 2023 sind sogar noch besser - hier erwarten 77 Prozent einen positiven Trend. Zumindest im Persönlichen. Das geht aus einer jüngst veröffentlichten Forsa-/RTL-Umfrage hervor. Mein Plädoyer für Hoffnung statt Nörgelei.
Das Ende der Nörgel-Kultur
In dieser Zwischenüberschrift steckt eine gehörige Portion Hoffnung.
Der Gedanke dazu kam mir heute während eines Live-Interviews im n-tv News Spezial über "Sorgen und Zuversicht". Im Gespräch fragte mich die n-tv Moderatorin Jessika Westen, wie es sein kann, dass die Einschätzungen der persönlichen und gesellschaftlichen Situation derart weit auseinanderklaffen.
Dafür sehe ich zwei Ursachen:
- Handlungsspielraum vs. Ohnmacht. Je größer ein Thema, eine Krise, umso weniger Gestaltungsoptionen haben wir als einzelne. Es liegt in der Natur der Sache, dass globale Probleme uns als Individuen überfordern. Sonst wären sie ja nicht global, wenn es einfache Lösungen für sie gäbe. Die aktuelle Situation multipler Krisen, oder die Omnikrise, wie es mancheine:r aus meinem Metier gern nennt, führt direkt zu einer kollektiven Überforderung und Pessimismus auf globalem Level.
- Kognitive Dissonanz: Je höher der durchschnittliche Lebensstandard einzelner Menschen, aber auch ganzer Gesellschaftssysteme ist, umso größer ist das Nörgelpotenzial. Gerade weil unser Gesundheitssystem insgesamt ziemlich gut ist, fällt uns auf, wenn es unter Volllast oder in puncto Innovationen hakt. Gerade weil unser Sicherheitsapparat ziemlich gut funktioniert, bemerken wir, wenn die Streitkräfte nicht im besten Zustand sind.
Und dann nörgeln wir.
Aber wie schon gesagt, der Blick in die Zukunft wird wieder optimistischer. Und damit sind wir bei zwei interessanten Auswirkungen der gerade genannten Ursachen für die Differenz zwischen individueller und gesellschaftlicher Zukunftssicht:
- Es wuchs in den letzten Monaten die Erkenntnis, dass es uns hier verdammt gut geht. Anders kann ich es kaum ausdrücken. Gerade in Relation zum Leid in der Welt, zu den Bildern aus Charkiw, Teheran, Aleppo oder Xinjang, bemerken wir insgeheim, wie sicher, verhältnismäßig geordnet und wohlhabend wir sind. Mit dieser Erkenntnis flüchten sich zwar immer noch einige in politische Extreme aus Angst, dass sie durch äußere Veränderungen Nachteile erfahren würden - doch tatsächlich hat auch dieser Trend zumindest in Deutschland langsam abgenommen (nicht überall). Mein Punkt ist: Ein Ende des Nörgeltums ist in Sicht!
- Multiple Krisen zeigen uns nicht nur die Endlichkeit unseres eigenen Aktionsradius auf, sondern auch den unserer Verwaltungseinheiten auf überregionaler Ebene. Allein und abgeschottet sind viele Probleme nicht mehr zu lösen, wir brauchen also viel mehr Kooperation. Und das ist historisch nichts komplett Neues, doch im Grad der Globalität der aktuellen Themen bemerkenswert - und anhand der gewachsenen Weltbevölkerung, die von kooperativen Staaten vertreten wird, dann doch historisch. Ich meine hier vor allem das Bündnis gegen Putin, das Bündnis gegen die Umweltverschmutzung und die menschengemachte Klimakrise, das Bündnis gegen Armut und Ungerechtigkeit in sämtlichen Dimensionen.
Besonders zum Jahresende sind viele von uns zur Ruhe gekommen, auch wenn es vielleicht nicht immer ruhig war. Doch kaum jemand entrinnt den vielen Rückblicken (ich bekenne mich schuldig!), unterhalten uns an Silvester über die schönen und weniger schönen Dinge des Jahres, nehmen uns Dinge fürs kommende Jahr vor.
Und dann reflektieren wir.
Relativierung dank Reflexion
Den Jahreswechsel habe ich deshalb wieder intensiv genutzt, um ausführlich über die Lage der Nation sowie meine eigene, persönliche Situation zu reflektieren. Mit etwas mehr Abstand erscheinen die kleinen und großen Sorgen manchmal etwas weniger dramatisch; ins richtige Verhältnis gesetzt wirken selbst globale Bedrohungen plötzlich weniger furchteinflößend.
Nun las ich heute die Ergebnisse der oben erwähnten Forsa-Umfrage, die zu sehr ähnlichen Ergebnissen kam wie meine eigene Umfrage über Zukunftsangst, die seit letztem Sommer läuft. Die Kernerkenntnis: Mit Blick auf die gesellschaftliche Situation sowie die komplexen Probleme unserer Zeit blicken sehr viele Menschen eher oder sehr pessimistisch in die Zukunft. Die Einschätzung der persönlichen und beruflichen Situation ist das exakte Gegenteil.
Nach einigen Jahren der gefühlten Dauerkrise und zahlreichen Zoom-Konferenzen, in denen wir die Probleme der Welt im Großen und Kleinen diskutiert, seziert und das (Nicht-)Handeln der anderen kritisiert haben, ist mir persönlich die Lust am Nörgeln vergangen. Natürlich ist es einfach und angenehm, über das Schlechte in der Welt zu philosophieren, seinen mehr oder weniger durchdachten Senf der Debatte beizusteuern und zu fordern, dass sich etwas ändern muss.
Doch wenn alle sagen, jemand müsse mal etwas tun, tut am Ende niemand etwas.
Ich, gerade eben.
Das ist in etwa so trivial, aber fundamental wichtig, wie die Falschheit der allseits beliebten Floskel: Wenn jede:r an sich denkt, ist an jede:n gedacht. Also habe ich nachträglich einen Neujahrsvorsatz formuliert:
Dieses Jahr wird nicht mehr genörgelt!
Die Renaissance der Hoffnung
Wenn man von einigen wenigen absieht, blicken die Menschen wieder deutlich hoffnungsfroher ins nächste Jahr, wie unter anderem aus der Forsa-Umfrage hervorgeht. Das hat mich überhaupt nicht überrascht, eher gefreut. Zwar fehlt nach wie vor eine verbindende Vision, die allen gerecht werdende Mission und selbst für einen kleinsten, gemeinsamen Nenner fehlt aktuell die Zeit. Doch selbst diese Tatsache kann ich positiv deuten: Wir sind pluralistisch und alle haben eine Stimme. Kein Wunder, dass es keinen Konsens gibt!
Man muss erst hinfallen, um aufstehen zu können.
Vielleicht mussten wir erst ein Stück unserer Freiheiten sowie unseres Wohlstands temporär einbüßen, um genau diesen Lerneffekt, den wir sonst von Kleinkindern kennen, als Kollektiv zu erleben. Vielleicht liege ich falsch, doch möglicherweise liegt in diesem Momentum ein beispielloses Potenzial, auf das wir und unsere Nachkommen in ein paar Jahrzehnten stolz zurückblicken.
Mir fallen ad hoc tausende Gegenargumente ein, doch ich halte mich an meinen Vorsatz und lasse sie hier nicht zu Wort kommen. Außerdem lade ich Sie und euch herzlich dazu ein, es mir gleich zu tun. Was soll schon schiefgehen?
Die Neu(er)findung des Lösungsdenkens
Es gibt Menschen, die behaupten, es gäbe keine Probleme, sondern nur Herausforderungen. Das sehe ich anders: Es gibt durchaus Probleme, die man auch benennen muss, damit ein Bewusstsein entsteht, um sie lösen zu können. Ob nun Problem oder Herausforderung, ich komme nach viel Grübeln über meine und andere Umfragen zu folgendem Schluss:
Wir haben das Tal der Nörgelei verlassen und sind auf dem Weg der Besserung.
Dadurch werden die vielen Krisen, Kriege, Ungerechtigkeiten und Probleme der Welt nicht morgen verschwunden sein. Es braucht also nicht nur Geduld und Aktivismus, sondern mittelfristig auch ein gutes Gespür für die tatsächlichen Fortschritte.
Und genau dieses Gespür nehme ich mit ins junge Jahr. Ich freue mich auf inspirierende Gespräche und lösungsorientierte Projekte auf vielen Reisen, deren Zielort ich jetzt noch nicht kenne.
Ohne Nörgeln. Versprochen!
Photo by Moritz Knöringer on Unsplash
Rückblick 2022 + Ausblick 2023
Ein aufregendes Jahr geht zuende. Einen professionellen Rückblick habe ich schon bei Linkedin geschrieben. Für meinen Podcast "Im Hier und Morgen" habe ich nun auch eine allgemeinere Ausgabe im Kolumnen-Stil verfasst. Die Audiospur ist ab dem 22.12.2022 um 4 Uhr morgens verfügbar, hier ist die Lesefassung mit mehr Hintergründen und steileren Thesen zur wirtschaftlichen Zukunft im Jahr 2023.
RÜCKBLICK 2022: Das Jahr der Doppelmoral
Dieses Jahr könnte man zusammenfassen mit den Kernthemen, zu denen ich am häufigsten von den Medien für Interviews angefragt wurde:
Ukraine-Krieg
Russlands Zar Wladimir der Putin hat das getan, was ich im letzten Jahresausblick (Spotify, Apple) angekündigt habe: er hat 100.000e seiner Soldaten in den Tod geschickt unter dem Vorwand, dort Nazis zu bekämpfen. Dass das Quatsch ist, wissen wir. Dass das vor den Menschengerichtshof und er in den Knast gehört, darin stimmen auch viele überein.
In verschiedenen Formaten wurde ich dazu befragt, was der Krieg mit uns in Europa und mit der Zukunftsforschung macht. Als Sozialwissenschaftler fand ich es spannend, die Doppelmoral in Diskussionen und auch die Ahnungslosigkeit in öffentlichen Debatten unter die Lupe zu nehmen. Dass der Angriffskrieg nur von der extremen Linken und Rechten zum Teil gerechtfertigt wird und wurde, verwundert nicht - das ist deren Rolle im Parlament und der Öffentlichkeit. Doch wie über Geflüchtete gesprochen wird, plötzlich diejenigen aus der Ukraine überwiegend gern aufgenommen wurden, jene aus Syrien oder Afghanistan regelmäßig abgewiesen wurden, macht mich wütend. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen - ich bin mir nicht sicher, ob das die durchschnittlich eher weiße, mittel- bis alte Talkshow-"Elite" überhaupt verstanden hat.
Die Zukunftsforschung wiederum sieht sich mal wieder bestätigt in ihrer Rolle der Kassandra: Wir warnen und regen dazu an, Maßnahmenpläne für den Fall X vorzubereiten, doch nichts passiert. Natürlich gab es im Verteidigungsministerium und bei der Bundeswehr die Überlegungen, doch mit Überlegungen allein verteidigt man noch kein Land oder Kontinent. Insofern habe ich mich sehr über die Veröffentlichung der Fraunhofer-Studie für die Bundesregierung über strategische Vorausschau an meinem Geburtstag gefreut. Langsam nimmt das Thema Fahrt auf und ich freue mich sehr, im Dunstkreis der akademischen Zukunftsforschung nah dran sein zu dürfen.
Wann der Ukraine-Krieg vorbei geht, steht in den Sternen. Darüber erlaube ich mir auch keine Prognose, das widerspricht den Grundsätzen der seriösen Zukunftsforschung. Klar ist, dass wir vor Ablauf der nächsten sechs Monate nicht einmal darüber nachdenken können, wann der Wiederaufbau der Ukraine anfangen kann. Ob dann alles ruhig ist, wage ich zu bezweifeln.
Klimawandel und Klimaproteste
Immer mehr Menschen spüren die Auswirkungen des Klimawandels, auch wenn Wetterextreme nicht immer unbedingt damit zusammenhängen müssen. Doch die höhere Frequenz und Intensität dieser Extreme bestätigt die schlimmsten Annahmen der Forschenden des Club of Rome Berichts vor genau 50 Jahren: Die Menschheit steuert sich selbst in eine Klimakatastrophe, das 1,5°-Grad-Ziel ist nicht mehr zu erreichen.
Entsprechend gibt’s auch immer mehr Proteste. Dazu war ich zum Beispiel im November live bei n-tv eingeladen, um die Aktionen der Klimakleber einzuordnen. Meine klare Aussage: Die inhaltlichen Punkte der "letzten Generation" teile ich ausdrücklich. Die Protestform wiederum ist gewöhnungsbedürftig, aber immerhin in der Regel ohne Gewalt an Menschen oder anderen Lebewesen. Der fingierte Fall einer verstorbenen Radfahrererin in Berlin während einer Klebe-Aktion war die Höhe der Doppelmoral, denn offensichtlich finden wir es okay, wenn Menschen von Lastwagen und anderen Fahrzeugen zu Tode gefahren werden - wenn aber dann ein Klimaprotest mutmaßlich zu einem verspäteten Eintreffen der Rettungskräfte beitragen, sind wir mal wieder wütend. Nur auf die Falschen!
In der ganzen Debatte wünsche ich mir - wie so oft - etwas mehr Fähigkeit zum Perspektivwechsel. Daran arbeite ich unermüdlich weiter...
Elon Musks Übernahme von Twitter
Völlig grundlos hat der damals noch reichste Mann der Welt, Elon Musk, für über 40 Mrd. Dollar den finanziell angeschlagenen Kurznachrichtendienst Twitter gekauft, in Windeseile kaputt gespielt und sucht nun einen Nachfolger. Wie man in so kurzer Zeit zum Gespött der Welt werden kann und gleichzeitig auch den Börsenwert des einzigen wirklich rentablen Unternehmens im Portfolio vernichten kann (aktuell über 40%), ist mir ein Rätsel.
Warum steht das bei den Top 3 Themen? Weil sich um die ganze Twitter-Tragödie herum gezeigt hat, wie einflussreich die "sozialen" Medien inzwischen geworden sind. US-Präsident Joe Biden lässt keinen Zweifel daran, dass die Vorgänge bei Twitter sehr genau beobachtet werden. Immerhin ist das Medium neben Facebook besonders in Schwellenländern nachweislich ein Katalysator für soziale Bewegungen und deshalb häufig gesperrt (wie beispielsweise in China), umgekehrt schlägt sich Meta (Facebooks Mutterkonzern) mit mehreren Klagen herum, die eine Mitschuld an Gewalttaten und Revolten, bis hin zum Sturm aufs US-Kapitol, unterstellen.
Das jüngere, dezentrale Netzwerk Mastodon könnte den Platz von Twitter einnehmen. Dieses basiert mehr auf den Grundgedanken das Web3, Heise.de hat darüber einen hilfreichen Artikel veröffentlicht. Eine Kernerkenntnis: Die Macht und auch der monetäre Gewinn wird nicht mehr zentralisiert in den Zentralen der großen Social Media-Firmen gebündelt, sondern dorthin verteilt, wo die User gehen. Mein Profil heißt Gondlach@mastodon.lol.
Dahinter liegt also eine größere Entwicklung, die viel über den Zustand des Silicon Valley aussagt. In der ausgehenden Pandemie haben einige Konzerne festgestellt, dass sie sich verzockt haben - andere, wie Meta und Microsoft, haben langfristig investiert und logischerweise geringere Gewinne angesichts der massiven Investitionen.
Globale Schlaglichter 2022
Aus globaler Sicht fehlen hier noch die Revolution im Iran, die Aggressionen aus China gegenüber Taiwan sowie das blutige Vorgehen gegen Lockdown-Proteste, die Wahlen in Brasilien und Italien, zwei neue internationale Bündnisse gegen EU und USA – nämlich rund um die OPEC-Staaten und das ASEAN-Bündnis. Ach, war eigentlich dieses Jahr diese Fußball-WM?
Nochmal für den deutschsprachigen Raum: Wir stritten über Corona-Maßnahmen, Gender-Wahnsinn, zu hohe Belastungen für Rentner:INNEN und kulturelle Aneignung – Fußnote: Dreadlocks gab es auch schon bei Wikingern, aber das nur nebenbei –, weiter stritten wir über angemessene Strafen für Klimaterrorist:innen mit Kartoffelbrei und eine beispiellose Razzia gegen Reichsbürger, die von einem echten Prinzen angeführt wurde.
Wir nörgelten über steigende Preise bei Aldi, Schimmelpilz in Pistazien, zu lasche Corona-Regeln, zu strenge Corona-Regeln, eine erfolgreichslose Ampel-Koalition, volle Züge und Busse zur Zeit des 9 Euro Tickets, zu viel Sonne im Sommer, zu viel Schnee im Dezember und vieles mehr. Dass das Gesundheitssystem im Eimer ist, ist nichts Neues, aber dieses Jahr dann leider auch für Kinder bestätigt.
Und lokal: Ich bin bei der Vorbereitung für diese Podcastfolge fast schrei-lachend vom Stuhl gekippt, als ich folgende Zeilen beim MDR las:
„'Oscar der Wissenschaft' und Nobelpreis: Sächsische Max-Planck-Institute räumen ab … Mit dem DFB-Pokal hat RB Leipzig 2022 den ersten nationalen Fußball-Titel nach Sachsen gebracht – die wohl noch wichtigeren Titel hat dieses Jahr aber das Max-Planck-Institut eingeheimst. Zunächst gab es für Prof. Svante Pääbo den Nobelpreis.“
MDR online
... der Vergleich hinkt, aber hey, man muss ja ein breites Publikum ansprechen.
Zukunftsangst ...
Im Jahr der Zeitenwende, wie es unser Oberschlumpf Olaf Scholz bezeichnet hat, habe ich aus Sicht der Zukunftsforschung paradoxe Strömungen wahrgenommen. Auf der einen Seite die Resignation und Zukunftsangst: NO FUTURE FOR YOU, NO FUTURE FOR ME!
... gegen Aufbruchstimmung!
Auf der anderen Seite eine Renaissance des Merkelschen „wir schaffen das“! Wir schaffen es, die Geflüchteten Familien aus der Ukraine aufzunehmen und zu versorgen. Wir schaffen es, den menschengemachten Klimawandel wenigstens etwas einzudämmen, sodass nicht das Worst Case Szenario eintritt – und damit meine ich nicht die COP27 in Ägypten, sondern die zahlreichen Initiativen, Startups, Aktivista und, ja, auch Gesetzgebung und kürzlich das kanadische Abkommen zum globalen Umweltschutz.
Über das Thema Zukunftsangst habe ich im Sommer 2022 eine Umfrage gestartet und ein interessantes Bild aufgedeckt: Im privaten und beruflichen Bereich ist die Mehrheit der Befragten eher oder sehr zuversichtlich, "nur" mit Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen steigt der Pessimismus. Meine Einschätzung ist, dass der Groschen gefallen ist und sich im nächsten Jahr eine deutlichere Richtung herauskristallisiert, wohin die Transformation unserer Systeme sich bewegen muss.
Ausblick 2023 mit Zwinkersmiley
Hier eine kleine subjektive Auswahl wichtiger Themen für das kommende Jahr:
- Bürgergeld löst Hartz IV ab. Wie genau die ganze Aktion nicht im Chaos enden soll, konnten mir mehrere hochrangige Menschen in Arbeitsagenturen nicht sagen, aber hey, wir sind gespannt. Schlimmer kann’s kaum werden, also Kopf hoch, liebe Arbeitssuchende und Sozialschmarotzer:innen!
- Für die nicht ganz so Geächteten gilt: die Midi-Job-Grenze wird von 1600 auf 2000 Euro angehoben und folgt damit dem Mini-Job, der ja seit Kurzem nicht mehr 450-Euro, sondern 520-Euro-Job heißt.
- Das Lieferkettengesetz tritt in Kraft – man darf also jetzt als Unternehmen nicht mehr bewusst Sklaven beschäftigen, auch nicht die Zulieferer. Und ihre Chemieplörre dürfen die dann auch nicht mehr einfach so in den Fluss kippen, sondern müssen das endlich ordentlich verschleiern.
- Einwegbecher und -geschirr gehört bald in die Geschichtsbücher, stattdessen werden sie wohl auch bald vom allseits beliebten Pfand-System abgelöst. Dass das der erste Schritt in eine echte Kreislaufwirtschaft sein könnte, in der der Kaffeebecher nicht mir gehört, sondern dem Café, werden viele Wutbürger:innen erstmal nicht verstehen.
- Beim Kroatien-Urlaub können wir nun endlich die angesammelten Kuna zuhause lassen, denn: der Euro wird dort eingeführt. Wenn ich nicht selbst letztes Jahr dort gewesen wäre, hätte ich nicht gewusst, dass das heute noch nicht geht. Juhu.
- Im Mai wird dann die neue Queen in Großbritannien gekrönt. Total fortschrittlich, sie ist nämlich ein Mann namens Charles III.
- Im November schauen wir noch mehr als sonst nach Polen, denn dann wird dort ein neues Parlament gewählt, das möglicherweise einen weiteren Rechtsruck in Europa untermauern, oder aber verhindern könnte. Wobei sowas gerade für Polen eine andere Nummer ist, aber das ist eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt werden soll.
- Es stehen einige Ankündigungen in den Startlöchern, zum Beispiel gibt’s sicherlich ein neues iPhone, ein neues Google Pixel, ein paar neue Games, etwas mehr Furore im Metaverse und anderen virtuellen Welten. Die Liste der wahrscheinlichen Ereignisse ist zu lang für dieses Format, wichtiger ist: Es wird wieder viel passieren und darauf kann man sich einstellen. Über einiges werde ich bei GIGA.de Gastbeiträge wie den jüngst veröffentlichten über Zukunftsangst schreiben, aber das nur nebenbei.
Die wichtigsten Themen 2023
Mit Blick auf die globalen Herausforderungen und Krisenherde werden nächstes Jahr folgende Themen an Bedeutung gewinnen - in den Medien, in Unternehmen und der Gesellschaft:
Nachhaltigkeit: Vom Buzzword zu regenerativen Zukünften
Es gibt sie, die Ansätze für eine Lebens- und Organisationsweisen, um die Menschheit im Einklang mit dem Planeten zu navigieren. Die Art, wie wir konsumieren, wird sich ändern müssen; die Rohstoffe, die wir verbrauchen, werden immer stärker in Kreisläufen gedacht werden, denn von begrenzten Ressourcen auf Müllhalden haben wir alle nichts. Technologien können dabei helfen, leichtere Fahr- und Flugzeuge zu produzieren, die Treibstoffe könnten wenigstens etwas weniger umweltschädlich sein. Wir stecken in dem wohl größten Umschwung der Menschheit und alle müssen mitmachen. Ich verstehe das alles als Chance, nicht als Einbuße von Lebensqualität.
Der Diskurs rund um "Klimakleber" ist symptomatisch für jede Zeitenwende. Natürlich regt sich Widerstand gegen ausbleibende Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel, natürlich regt sich dann auch Widerstand der konservativen "ich will, dass alles so bleibt"-Mentalität durch alle Lager der Gesellschaft. Für Unternehmen bleibt allerdings keine Wahl: Durch das Lieferkettengesetz und immer schärfere ESG-Auflagen (ecological and social governance) müssen sie Emissionen sparen, sozialere Bedingungen ermöglichen und so ihren Beitrag zu einer lebenswerten Welt leisten. Auch an dieser Stelle wird sich schon bald die Spreu vom Weizen trennen - ein nennenswerter Anteil der Insolvenzen der kommenden Jahre dürfte infolge nicht erfüllter Nachhaltigkeitsziele geschehen.
Virtuelle Immersion: Vom Metavse-Flop zu sinnvoller Ergänzung der Realität
Warum gibt es immer noch Meetings, zu denen die Teilnehmenden quer durch die Republik reisen? Weil die Technik, die wir nutzen, noch nicht ausgereift ist! Zoom, Teams, Webex, Skype und all die anderen sind ja nette Ansätze. Doch 2D-Bildchen und oft schlechte Audioqualität reichen nicht aus, um die Immersion zu schaffen. Was mit den verschiedenen Metaverse-Ansätzen verfolgt wird, ist die komplette Verschmelzung von realer und virtueller Sphäre. So könnte mein Avatar in einem Meetingraum am Tisch mit anderen Avataren sitzen, über Messen schlendern oder eine Keynote halten. Das Ganze dann fotorealistisch und in Echtzeit. "Zoom 4.0" hat Stephan Bauer von Microsoft das in Podcast-Episode #087 (Apple, Spotify) genannt.
Anfang 2022 diskutierte ich mit dem damaligen NRW-Landesjustizminister über die Gefahren und Chancen virtueller Welten. Denn natürlich werden im Web3 nicht plötzlich alle Probleme des "social" web gelöst - Mobbing, Betrug, Hatespeech, Cyber-Kriminalität im Allgemeinen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns damit auseinandersetzen. Auch oder gerade die Unternehmen! Im September riet ich beispielsweise einer Bank dazu, eine Filiale im Metaverse zu eröffnen, was belächelt wurde. Inzwischen sind die Dekabank und Deutsche Bank vor "Ort", der Pionier-Vorteil ist also vorbei. Aber vielleicht ist das ja in Ihrer Branche noch anders?
Dezentralisierte Arbeit: Vom Fachkräftemangel zu globaler Kollaboration
Inzwischen kann ich in der Debatte um den Fachkräftemangel nur noch zynisch reagieren. Wir haben kein Problem mit der Anzahl verfügbarer Arbeitskraft, sondern mit der Offenheit der Arbeitgeber! Es stimmt: Die Ansprüche der Beschäftigten sind im Vergleich zu 2019 enorm gewachsen und nein, das hat nichts mit der Schneeflocken-Generation Z zu tun. Das ist alles Unsinn und ich möchte davon abraten, bunte Vorträge und Bücher über Gen Z oder Alpha zu kaufen - dass das ein Mythos ist, wurde bspw. vom Soziologen Martin Schröder von der Uni Marburg ("Generationenmythos") fundiert untersucht.
Derweil sucht die Mehrheit der Arbeitgeber angeblich verzweifelt nach hochqualifiziertem Personal, akzeptiert oft aber nur Bewerbungen in deutscher Sprache. Am besten per Post und mit tabellarischem Lebenslauf. In Zeiten von Xing und Linkedin wirkt das nicht nur anachronistisch, sondern geht schlicht meilenweit am Thema vorbei - setzen, 6! So bekommen wir die Einwanderung nicht vernünftig kanalisiert, wenn die Wirtschaft nicht mitzieht und dabei mithilft, Integration in die deutsche Gesellschaft zu gestalten. Ja, das bedeutet Mehrausgaben der Personalentwicklung, möglicherweise längere Akklimatisierung zwischen Bestandspersonal und den neuen Fachkräften. Aber es wird sich lohnen.
Und wer noch den Blick über den Tellerrand wagen möchte, gewöhnt sich schon mal an den Gedanken, mit immer mehr Freelancern aus aller Welt zusammenzuarbeiten. Seit einigen Jahren vertrete ich die These, dass im Jahr 2030 bis zu 50 Prozent der Beschäftigten auch einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen werden. Der Hauptjob wird zwar in Festanstellung bei 60-80 Prozent ablaufen, der dient aber nur der Grundversorgung, Miete, Sozialversicherungen etc. Den Rest der Zeit möchten die Menschen mit mehr Sinnhaftigkeit nachgehen und sich möglicherweise einen weiteren Urlaub oder andere Wünsche finanzieren. Für Arbeitgeber heißt das nichts anderes als die Notwendigkeit sehr viel fluiderer HR-Strukturen. Und wozu soll ich überhaupt davon ausgehen, dass die besten Programmierer:innen in Deutschland wohnen möchten, egal wo sie geboren wurden? Ist das die Arroganz der Deutschen als Gegenpol zur German Angst, die uns hier selbst im Wege steht?
Tja, das Fazit aus all diesen Beobachtungen ist simpel: Schon 2023 werden die ersten Arbeitgeber quer durch alle Sektoren und Branchen vom Markt verschwinden, die sich nicht den neuen Gegebenheiten anpassen können.
Zukunftsforscher-Wunschliste für 2023
Meine globalgalaktische Wunschliste für das nächste Jahr:
- Der Ukraine-Krieg endet und Putin verschwindet von der Bildfläche, gelinde ausgedrückt. Die Menschen in der Ukraine können mit dem Wiederaufbau beginnen und das westliche Bündnis bleibt trotzdem stabil, aber auch offen.
- Kernfusion kommt wieder einen guten Schritt voran, wichtiger aber der Ausbau von Photovoltaik und Windkraft – Grüße gehen auch raus an die Energiespeicher von JenaBatteries und anderen. Übrigens, schlagt doch mal der deutschen Bahn oder der katholischen Kirche vor, eure Energiespeicher unter ihre Flächen zu pflastern. Sind immerhin die größten Grundbesitzer hierzulande. Nur so ne Idee.
- Überall, wo Wahlen anstehen, wünsche ich mir reihenweise Schlappen für extremistische Vollidiotenparteien. Immerhin ist die Welt mal wieder nicht untergegangen und die große Weltverschwörung hat sich wieder nicht als richtig erwiesen, das müssen die Leute doch langsam mal merken!
Zu guter Letzt wünsche ich allen, die das hier lesen, erholsame, besinnliche Feiertage. In diesem und auch jedem anderen Jahr. Auch wenn’s im Zusammentreffen von Familie und Angehörigen immer mal knallt, seid bitte gut zueinander und im Zweifel lieber mal tief Luft holen und das Thema wechseln.
Und dann: Auf in ein aufregendes, neues Jahr! Dafür wünsche ich Gesundheit, Glück und Erfolg – und alles, was ihr euch sonst noch wünscht.
PS: Wer noch ein hilfreiches Tool für die Reflexion des letzten und nächsten Jahrs sucht, dem empfehle ich den YearCompass - kostenlos als PDF zum selbst Ausfüllen am Rechner oder auch ausgedruckt.
Automatisierte Fake News: Wie schütze ich mich und meine Familie vor KI-generierter Desinformation?
Spätestens mit der Veröffentlichung von ChatGPT ist künstliche Intelligenz in der Gesellschaft angekommen: Das Sprachmodell erstellt automatisch echt wirkende Texte. Das ist fantastisch, aber auch gefährlich.
Die meisten von uns profitieren seit Jahren von künstlicher Intelligenz: Bessere Empfehlungen bei der Routenplanung, schnellere Abwicklung beim Online-Shopping oder immersive Endloswelten im Gaming. Meist haben wir es dabei mit maschinellem Lernen zu tun, welches auf wahnsinnig vielen Lerndaten basiert und weitgehend selbstständig neue Probleme auf dieser Grundlage lösen kann. Viele Anwendungszwecke in der Wirtschaft und Verwaltung befinden sich auch in dem Band "Arbeitswelt und KI 2030".
Inzwischen sind auch die KI-Sprachmodelle wie GPT-3 (Generative Pre-trained Transformer 3) sehr gut geworden. Vielleicht sogar zu gut? Einige KI-Texte lassen sich kaum oder gar nicht mehr von menschlichen Texten unterscheiden. Das wirft viele Fragen auf.
KI-Sprachmodelle: Pro und Contra
Einerseits ist das eine großartige Entwicklung: Die künstlichen Redaktions-Helferlein unterstützen Unternehmen bei standardisierten Anfragen im Kundendienst, schreiben Produkttexte oder Beiträge über das Wetter, Sportergebnisse und Horoskope. Sogar Computerspiele können so relativ einfach erstellt oder zumindest geskriptet werden, wie das Beispiel eines 11-jährigen Harry Potter Fans zeigt. Das spart viel Zeit und Geld, immer wenn wiederkehrende Muster genutzt werden können.
Andererseits birgt die Möglichkeit künstlicher Schreiberlinge das Risiko, dass Desinformation und Lügen in großem Stil verbreitet werden – weitgehend unreguliert und verfügbar für ein Milliardenpublikum. Denn die KI ist, anders als der Name suggeriert, nicht intelligent, sondern ein künstlicher Sklave menschlicher Eingabe. Im schlimmsten Fall sind die Ergebnisse diskriminierend und werden damit zur realen Bedrohung für uns alle.
Anstatt über diese Herausforderung lange zu philosophieren, habe ich deshalb die KI ChatGPT selbst befragt, wie wir am besten mit ihr umgehen können, ob wir die Klimakrise lösen und ob sie viele Jobs ersetzen wird.
Lest selbst im Interview, was sie zu ihrer Verteidigung zu sagen hat.
Interview mit ChatGPT: Wie schütze ich mich vor Fake News?
Kai: Warum ist GPT-3 so wichtig für unsere Zukunft?
ChatGPT: GPT-3, oder Generative Pretrained Transformer 3, ist ein modernes Sprachverarbeitungsmodell, das von OpenAI entwickelt wurde. Es wird als wichtig angesehen, weil es in der Lage ist, menschenähnlichen Text zu generieren und eine breite Palette von Aufgaben zur Verarbeitung natürlicher Sprache mit beeindruckender Genauigkeit auszuführen. Dies macht es zu einem wertvollen Werkzeug für eine Vielzahl von Anwendungen, von der Sprachübersetzung und -zusammenfassung bis hin zum maschinellen Lernen und zur künstlichen Intelligenz.
Wird die Menschheit die Klimakrise lösen?
Es ist schwierig, die Zukunft mit Sicherheit vorherzusagen, aber es ist klar, dass die Bewältigung der Klimakrise erhebliche Anstrengungen von Regierungen, Organisationen und Einzelpersonen auf der ganzen Welt erfordern wird. Die Maßnahmen, die wir in den kommenden Jahren ergreifen, werden entscheidend dafür sein, ob wir in der Lage sind, diese Krise erfolgreich zu bewältigen und die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Es wird gemeinsamer Anstrengungen und der Bereitschaft bedürfen, schwierige Entscheidungen zu treffen, aber ich glaube, dass es der Menschheit möglich ist, zusammenzukommen und die notwendigen Schritte zur Bewältigung der Klimakrise zu unternehmen.
Wer muss sich bezüglich GPT-3 Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen?
GPT-3 ist ein leistungsfähiges Werkzeug, das das Potenzial hat, viele Aufgaben zu automatisieren, die bisher von Menschen ausgeführt wurden. Wie bei jedem technologischen Fortschritt ist es möglich, dass der Einsatz des GPT-3 in bestimmten Branchen zu einem Verlust von Arbeitsplätzen führen könnte. So könnte das GPT-3 beispielsweise dazu verwendet werden, bestimmte Aspekte des Kundendienstes oder der Dateneingabe zu automatisieren, was sich möglicherweise auf die Beschäftigten in diesen Bereichen auswirken könnte. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Technologie auch das Potenzial hat, neue Arbeitsplätze und Branchen zu schaffen, und es ist wahrscheinlich, dass der Einsatz des GPT-3 auch zu neuen Möglichkeiten führen wird. Letztendlich wird die Auswirkung des GPT-3 auf den Arbeitsmarkt davon abhängen, wie es eingesetzt wird und wie sich Einzelpersonen und Unternehmen an seine Möglichkeiten anpassen.
Warum ist es so schwierig, Fake News zu erkennen?
Es gibt mehrere Gründe, warum es schwierig sein kann, Fake News zu erkennen. Ein Grund ist, dass Fake News oft irreführend oder sensationsheischend gestaltet sind, was sie ansprechender oder aufmerksamkeitsstärker machen kann als sachliche Nachrichten. Dies kann es den Menschen erschweren, die Informationen kritisch zu bewerten und zu erkennen, dass sie falsch sind. Darüber hinaus sind Fake News oft so gestaltet, dass sie wie seriöse Nachrichten aussehen und sich auch so anhören, so dass es selbst für diejenigen, die sich bemühen, wachsam zu sein, schwierig sein kann, sie von echten Nachrichten zu unterscheiden. Schließlich kann die rasche Verbreitung von Fake News in den sozialen Medien und auf anderen Online-Plattformen es den Menschen erschweren, die neuesten Entwicklungen zu verfolgen und sicherzustellen, dass sie ihre Informationen aus zuverlässigen Quellen beziehen.
Warum sind automatisierte Textroboter wie GPT3 wichtig für die europäische Wirtschaft und Gesellschaft?
Automatisierte Textroboter wie GPT-3 sind aus mehreren Gründen wichtig für die europäische Wirtschaft und Gesellschaft.
Ein Grund ist, dass diese Bots dazu beitragen können, viele mühsame und zeitaufwändige Aufgaben zu automatisieren, die derzeit von Menschen ausgeführt werden. So können GPT-3 zum Beispiel automatisch Antworten auf Kundenanfragen generieren, große Textmengen zusammenfassen oder Dokumente in verschiedene Sprachen übersetzen. Dadurch können Unternehmen und Organisationen Zeit und Ressourcen sparen und effizienter und effektiver arbeiten.
Ein weiterer Grund ist, dass der Einsatz von automatisierten Textbots wie GPT-3 dazu beitragen kann, die Qualität und Genauigkeit der erstellten Texte zu verbessern. So kann GPT-3 beispielsweise auf große Mengen hochwertiger Texte trainiert werden, um grammatikalisch korrekte und kohärente Ausgaben zu produzieren. Dies kann besonders bei Aufgaben wie der Sprachübersetzung nützlich sein, bei denen es auf Genauigkeit ankommt.
Schließlich kann der Einsatz von automatisierten Textrobotern wie GPT-3 die Entwicklung neuer Technologien und Branchen unterstützen. GPT-3 kann beispielsweise als Baustein für andere Systeme der künstlichen Intelligenz, wie Chatbots oder virtuelle Assistenten, verwendet werden. Dies kann dazu beitragen, Innovationen voranzutreiben und neue Beschäftigungsmöglichkeiten im Technologiesektor zu schaffen.
Insgesamt hat der Einsatz von automatisierten Textbots wie GPT-3 das Potenzial, der Wirtschaft und Gesellschaft viele Vorteile zu bringen. Durch die Automatisierung mühsamer Aufgaben, die Verbesserung der Textqualität und die Unterstützung der Entwicklung neuer Technologien kann GPT-3 dazu beitragen, Unternehmen effizienter und effektiver zu machen und Innovation und Wirtschaftswachstum zu fördern.
Aber sind Sie nicht auch der Meinung, dass die automatische Texterstellung gefährlich sein kann?
Die automatische Texterstellung hat zwar viele potenzielle Vorteile, kann aber auch gefährlich sein, wenn sie nicht sorgfältig eingesetzt wird. Eine der Hauptgefahren der automatischen Texterstellung besteht darin, dass sie zu ungenauen oder irreführenden Ergebnissen führen kann. Wenn zum Beispiel ein Sprachmodell wie GPT-3 auf voreingenommenen oder unzuverlässigen Daten trainiert wird, kann es Ausgaben erzeugen, die diese Voreingenommenheit widerspiegeln. Dies kann schwerwiegende Folgen haben, wenn die Ergebnisse zur Entscheidungsfindung oder zur Information der Öffentlichkeit verwendet werden.
Eine weitere potenzielle Gefahr besteht darin, dass die automatische Texterstellung zur Erstellung von Fake News oder anderen Formen von Fehlinformationen genutzt werden kann. Da diese Systeme Texte produzieren können, die nur schwer von von Menschen geschriebenen Texten zu unterscheiden sind, können sie dazu verwendet werden, falsche oder irreführende Inhalte zu erstellen, die darauf abzielen, Menschen zu täuschen. Dies kann negative Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes haben, da das Vertrauen in die Medien und andere Informationsquellen untergraben werden kann.
Auch wenn die automatische Texterstellung viele potenzielle Vorteile bietet, ist es wichtig, diese Werkzeuge verantwortungsvoll und sorgfältig einzusetzen, um potenzielle Gefahren zu vermeiden. Dazu gehört die sorgfältige Auswahl der Daten, die zum Trainieren der Modelle verwendet werden, die Anwendung geeigneter Schutzmaßnahmen, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Ergebnisse sicherzustellen, und die Wachsamkeit gegenüber Anzeichen von Fehlinformationen oder anderen Gefahren.
Wenn man also GPT-3 und andere KI-Chatbots verwendet, sollte man auch dafür sorgen, dass die Ergebnisse nicht vor der Bearbeitung veröffentlicht werden?
Es ist immer wichtig, Texte, die von GPT-3 oder anderen KI-Chatbots erzeugt werden, vor der Veröffentlichung sorgfältig zu überprüfen und zu bearbeiten. Wie bereits erwähnt, sind diese Systeme nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert wurden, und sie können ungenaue oder verzerrte Ergebnisse produzieren, wenn die Trainingsdaten nicht sorgfältig ausgewählt wurden. Darüber hinaus können diese Systeme manchmal grammatikalisch inkorrekte oder schwer verständliche Ergebnisse liefern, so dass es wichtig ist, die Ergebnisse vor der Veröffentlichung sorgfältig zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern.
Generell ist es immer ratsam, Texte, die von KI-Chatbots generiert werden, mit dem gleichen Maß an Skepsis und kritischem Denken zu betrachten wie jede andere Informationsquelle. Das bedeutet, dass Sie den Inhalt sorgfältig prüfen, um sicherzustellen, dass er korrekt und zuverlässig ist, und dass Sie bereit sind, vor der Veröffentlichung alle notwendigen Änderungen oder Korrekturen vorzunehmen. Mit diesen Schritten können Sie dazu beitragen, dass die von GPT-3 und anderen KI-Chatbots erzeugten Inhalte nützlich, genau und wertvoll sind.
Was kann ich tun, um zu verhindern, dass ich oder meine Familie durch Fake News betrogen werden?
Es gibt mehrere Maßnahmen, mit denen Sie sich und Ihre Familie davor schützen können, durch Fake News betrogen zu werden. Hier sind ein paar Vorschläge:
- Seien Sie skeptisch bei sensationellen Schlagzeilen oder Geschichten, die zu gut (oder zu schlecht) erscheinen, um wahr zu sein. Dies sind oft Anzeichen für gefälschte Nachrichten.
- Überprüfen Sie die Quelle der Nachricht. Handelt es sich um eine seriöse Nachrichtenorganisation? Enthält der Artikel Quellen und Beweise, die seine Behauptungen untermauern?
- Suchen Sie nach anderen Quellen, die die Informationen bestätigen. Wenn die Nachricht wahr ist, sollten Sie in der Lage sein, mehrere Quellen zu finden, die ähnliche Informationen liefern.
- Seien Sie vorsichtig beim Teilen von Nachrichten in sozialen Medien. Das Teilen von gefälschten Nachrichten kann zu deren Verbreitung beitragen, daher ist es wichtig, die Informationen zu überprüfen, bevor Sie sie weitergeben.
- Sprechen Sie mit Ihrer Familie und Ihren Freunden über die Bedeutung von kritischem Denken und Skepsis, wenn es um Nachrichten und Informationen geht. Ermutigen Sie sie, bei der Bewertung der Nachrichten, die sie erhalten, vorsichtig und wachsam zu sein.
Der beste Weg, sich und Ihre Familie vor Fake News zu schützen, besteht darin, die Informationen, die Sie erhalten, kritisch und skeptisch zu betrachten und sie anhand mehrerer Quellen zu überprüfen, bevor Sie sie als wahr akzeptieren. Auf diese Weise können Sie sicherstellen, dass Sie nicht durch falsche oder irreführende Informationen in die Irre geführt werden.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Gern geschehen! Es war mir ein Vergnügen, Ihnen zu helfen. Wenn Sie weitere Fragen haben, können Sie mich gerne fragen. Ich bin gerne für Sie da.
Das Gespräch führte der Zukunftsforscher Kai Gondlach mit der kostenlosen Chat-KI ChatGPT auf https://chat.openai.com/chat. Übersetzt hat es eine andere KI bei DeepL. ChatGPT spricht / schreibt übrigens auch Deutsch. Photo by Jorge Franganillo on Unsplash.