Wetterextreme und die Lösung der Klimakrise
Der Juli dieses Jahres war der heißeste jemals auf der Erde gemessene Monat; auf allen Kontinenten beobachten wir verheerende Brände, Überflutungen und Dürren. Lässt sich die Klimakatastrophe noch verhindern? Hier gibt’s die wissenschaftliche Problemlage sowie einen Lösungsvorschlag.
Wetterextreme im Sommer 2023 und politische Beben
Wer nicht unmittelbar betroffen war, musste nur eine beliebige Nachrichtensendung, -seite oder Zeitung konsultieren – der Newsflash wirkte wie ein dramatischer Zusammenschnitt in einem Katastrophenfilm. Manch eine:r fühlt sich nicht grundlos an die biblischen Plagen erinnert, wenn in Süddeutschland Ochsenfrösche zum Abschuss freigegeben werden, die nächste (gefährliche) Covid-Mutation auftaucht, Tausende in die Flucht getrieben werden (sogar in Norwegen!) und Urlaub am Mittelmeer lebensbedrohlich wird. Inzwischen ist bei den Wetterextremen und auch der Verbreitung von Viren gut erforscht, wie eng der Zusammenhang mit dem anthropogenen Klimawandel ist. Wetter heißt nicht gleich Klima, doch das über einen längeren Zeitraum extremer werdende Wetter fällt per Definition ins den Klimabereich.
Außerdem: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wird nicht der einzige Klimakrieg dieses Jahrzehnts bleiben, das Säbelrasseln in Nordkorea, China und diversen sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländern im globalen Süden erreicht nicht nur rhetorisch im Wochentakt neue Eskalationsebenen (z. B. kürzlich im Niger und Ecuador). Zeitgleich sprießen weltweit auch in sogenannten Industrieländern des globalen Nordens populistische und faschistische Parteien aus dem Boden wie Atompilze nach einem Super-GAU: Sie verstrahlen die verunsicherten Menschen mit vorgeblich einfachen Lösungen für komplexe Herausforderungen und Probleme, deren Grundrezept aus Hass und Ignoranz besteht; sie kontaminieren die Anstrengungen diverser Parteien und Nichtregierungsorganisationen für eine freiheitlich demokratische und gleichberechtigte Welt. Immerhin scheint sich in den USA der Rechtsstaat endlich gegen den Ex-Präsidenten und dessen Gefolgschaft im Zusammenhang mit der Verschwörung zu wehren – hierzulande schreckt das Establishment noch vor einem Verbotsverfahren rechtsradikaler Parteien wie der AfD oder NPD zurück. Ich hoffe, nicht mehr lang.
Was sagt die Wissenschaft dazu?
Zur Beantwortung dieser Frage habe ich mir die drei Teile von „Die Grenzen des Wachstums“ von Dennis und Donella Meadows et al. zur Hand genommen. Die Reihe ist besser bekannt als die Berichte des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Ich nenne sie auch gern die erste gesellschaftlich wertvolle Zukunftsstudie aller Zeiten, die nicht nur Technologien prognostizierte, sondern eben komplexe Zusammenhänge untersuchte und modellierte – größtenteils erstaunlich akkurat.
Die enger werdenden Grenzen des Wachstums
Vor 51 Jahren erschien der erste Teil von „Die Grenzen des Wachstums“, 20 Jahre später dann die Neuauflage „Die neuen Grenzen des Wachstums“ und 2004 schließlich „Grenzen des Wachstums – das 30-Jahre-Update“. 2022 wiederum schrieb die Bundeszentrale für politische Bildung eine schöne Rückschau „50 Jahre Grenzen des Wachstums“. Darin wird vor allem die eklatante Wissenschaftsignoranz der Menschheit deutlich, denn spätestens seit der ersten Veröffentlichung wussten „wir“, dass Emissionen durch das Verbrennen von Öl, Gas oder Holz das Klima nachhaltig beeinträchtigt. Der Earth Overshoot Day, an dem die natürlichen Ressourcen des Planeten eigentlich aufgebraucht sind, war damals noch am 19. Dezember – in diesem Jahr fiel er bereits auf den 2. August. Würden alle Staaten so wie Deutschland leben, wäre er schon am 5. April.
Zwar entstanden infolge der Veröffentlichungen weltweit „grüne“ Parteien, die den Umweltschutz auf die politische Agenda brachten; zwar wurden weltweit Flurchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) verboten, woraufhin das Ozonloch endlich schrumpfe und man sich wieder sorgloser in die Sonne begeben konnte; zwar wurden In vielen anschließenden Klimakonferenzen unverbindliche Klimaziele vereinbart (Kyoto-Protokoll, Paris Agreement, etc.) – doch der globale Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan oder Lachgas geht fröhlich weiter.
Zu den häufiger werdenden Extremwetterereignissen gesellen sich fast nebenbei jährliche Temperaturrekorden, Negativrekorde in der Biodiversität, den Eisschilden in der Antarktis und Grönland, dem Regenwaldbestand im Amazonas und dem Kongo und der weltweit sinkende Grundwasserspiegel. Damit verbunden rücken einige Klima-Kipppunkte näher, die ökologische Dominoeffekte auslösen könnten – leider keine von der unterhaltsamen Sorte. Aktuell wird unter anderem wieder der Kollaps des Golfstroms diskutiert, welcher zu einem Temperaturabsturz in Europa führen könnte. Fast schon zynisch wirkt hingegen der übertrieben unsinnige und unmenschliche Prunkbau des saudi-arabischen Kronprinzen mit der Wüstenstadt Neom.
Der Konsens der weltweiten Klimaforschung
Aber es ist ja nicht so, als gäbe es keine Einigkeit in der Klimawissenschaft hinsichtlich der Ursachen sowie möglichen Lösungsansätzen. Das Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC, auch bekannt als Weltklimarat, veröffentlicht regelmäßig Sachstandsberichte (und häufiger Sonderberichte). Im 6. IPCC-Sachstandsbericht aus diesem Jahr wurden erneut die Kernaussagen tausender Klimawissenschaftler:innen weltweit versammelt rund um Ökosysteme, Geologie, etc. Und nein, hinter dem IPCC steckt kein großer Plan einer neuen Weltordnung oder anderer rechtsradikaler Unfug.
Die Kernaussagen umfassen folgende Rubriken:
A. Aktueller Stand und Trends
B. Künftiger Klimawandel, Risiken und langfristige Reaktionen
C. Kurzfristige Maßnahmen
Hier meine kompakte und übersetzte Zusammenfassung:
A. Aktueller Stand und Trends
„A. 1 Menschliche Aktivitäten, vor allem durch die Emission von Treibhausgasen, haben zweifellos die globale Erwärmung verursacht, wobei die globale Oberflächentemperatur im Zeitraum 2011-2020 um 1,1°C über dem Wert von 1850-1900 im Zeitraum 2011-2020 lag. Die globalen Treibhausgasemissionen haben weiter zugenommen, wobei ungleiche Beiträge […] in den verschiedenen Regionen, zwischen und innerhalb von Ländern und zwischen Einzelpersonen variieren.“
Falls also Populisten wie Aiwanger, Söder, AfD-Gläubiger und Co. etwas davon faseln, man sei sich nicht einig in der Wissenschaft hinsichtlich des menschlichen Einflusses auf den Klimawandel: DOCH, es herrscht beispiellose Einigkeit. Die Menschheit verändert das Klima. Keine Meinung, sondern wissenschaftliche Fakten. Keine Diskussion.
„A. 2 Weitreichende und rasche Veränderungen in der Atmosphäre, den Ozeanen, der Kryosphäre und der Biosphäre sind eingetreten. Der vom Menschen verursachte Klimawandel wirkt sich bereits auf viele Wetter- und Klimaextreme in allen Regionen der Welt aus (…). Anfällige Gemeinschaften, die in der Vergangenheit am wenigsten zum aktuellen Klimawandel beigetragen haben, sind unverhältnismäßig stark betroffen."
Unser angeblicher Humanismus ist nach wie vor auf bestimmte Bevölkerungsgruppen beschränkt. Die angeblich christliche Nächstenliebe hört immer noch an der Religionsgrenze auf. Wir haben in über 2000 Jahren „Zivilisation“ wirklich nicht viel gelernt – und jetzt, wo es auch in Europa langsam unbequem wird, kommen wir langsam ins Grübeln. Das hat mit Moral wenig zu tun, sondern ist wie immer nur mit einem: Egoismus.
„A. 3 Die Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen ist in allen Sektoren und Regionen fortgeschritten, mit dokumentiertem Nutzen und unterschiedlicher Wirksamkeit. (…) Die derzeitigen globalen Finanzströme für die Anpassung sind unzureichend und schränken die Umsetzung von Anpassungsoptionen ein, insbesondere in Entwicklungsländern.“
Anpassungen an ökologische Veränderungen sind nichts Neues. In kälteren Zeiten bauten die Menschen dickere Mauern und dichtere Dächer, als das Meer phasenweise die Kohlfelder überflutete, bauten sie höhere Deiche (und Kooge). Doch die Geschwindigkeit der Veränderungen hat zugenommen, weshalb besonders Menschen in ärmeren Regionen nicht schnell genug hinterherkommen. Und ja, auch hier müssen wir langfristig denken – anstatt über Wärmepumpen zu meckern, sollten wir uns freuen, dass das Thema nicht erst in zehn Jahren kommt, wenn es schon zu spät sein könnte. Dass es überhaupt öffentliche Förderungen und weltweite Darlehensprogramme gibt, ist doch fantastisch. Diese Programme müssen jedoch noch stärker als sonst im Sinne einer globalen Entwicklungshilfe zielgerichteter und mit geringeren Auflagen verteilt werden, um schnellen Wandel zu ermöglichen, auch im Sinne der immer noch ausstehenden Reparationen für koloniale Verbrechen.
„A. 4 Politische Maßnahmen und Gesetze, die sich mit der Abschwächung von Treibhausgasemissionen befassen, wurden seit dem 5. Sachstandsbericht ständig erweitert. Es ist wahrscheinlich, dass die Erwärmung im Laufe des 21. Jahrhunderts 1,5°C überschreitet und es schwieriger wird, die Erwärmung auf unter 2°C zu begrenzen.“
Konsens ist also auch, dass das 1,5°C-Ziel kaum noch erreicht werden kann, in Deutschland wurde es schon überschritten. Das heißt unter anderem, dass besonders Ältere und chronisch Kranke schon jetzt ein höheres klimawandelinduziertes Sterberisiko aufweisen. Immerhin eine wachsende, politisch hochgradig relevante Bevölkerungsgruppe.
B. Künftiger Klimawandel, Risiken und langfristige Reaktionen
„B. 1 Für jedes beliebige künftige Erwärmungsniveau sind viele klimabezogene Risiken höher als im 5. Sachstandsbericht bewertet worden, und die prognostizierten langfristigen Auswirkungen sind bis zu einem Vielfachen höher als die derzeit beobachteten. (…) Klimatische und nicht-klimatische Risiken werden zunehmend interagieren und zu kombinierten und kaskadierenden Risiken, die komplexer und schwieriger zu handhaben sind.“
Es wird ungemütlicher. Hier sollten besonders Versicherungsunternehmen die Details studieren. Kein mathematisches Underwriting-Modell der letzten Jahrzehnte ist jetzt noch aktuell – besonders nicht für Sachschäden. Zynisch gesprochen wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, um ein Ferienhaus in Skandinavien zu kaufen.
„B. 2 Einige künftige Veränderungen sind unvermeidbar und/oder unumkehrbar, können aber durch eine tiefgreifende, rasche und nachhaltige Reduzierung der globalen Treibhausgasemissionen begrenzt werden. Die Wahrscheinlichkeit von abrupten und/oder irreversiblen Veränderungen steigt mit einem höheren Niveau der globalen Erwärmung. Ähnlich ist die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen mit geringer Wahrscheinlichkeit, die mit potenziell sehr großen nachteiligen Auswirkungen verbunden sind.“
Anders ausgedrückt: Wildcards wie die Corona-Pandemie, die Ahrtal-Überflutung oder das Verbot zur Trinkwasserentnahme zur Bewässerung von Gärten rund um den Globus werden häufiger auftreten. Und: Wir müssen weniger fossile Ressourcen verbrennen, weniger Rinder und andere domestizierte Tiere halten. Vor ein paar Jahren spaltete ich einmal das Publikum eines Galadinners mit dem Hinweis, dass ein Rindersteak im Jahr 2030 wohl eher 100 Euro kosten wird, während das synthetische oder pflanzliche Pendant bei 5 Euro liegen dürfte. Besser für Klima und die Gesundheit wäre das allemal.
„B. 3 Anpassungsoptionen, die heute machbar und wirksam sind, werden mit zunehmender globaler Erwärmung weniger wirksam sein. (…) Fehlanpassungen können durch flexible, sektorübergreifende, integrative und langfristige Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen verhindert werden, die vielen Sektoren und Systemen zugutekommen.“
Das heißt nichts anderes, als dass wir schneller werden und mehr Verständnis für langfristige Politik säen müssen. Das ist wie mit dem Hebel-Effekt beim Spaten: Je weiter oben man ansetzt, umso einfacher gräbt sich das Loch. Zum Glück fängt die Bundesregierung auch allmählich an, eine Foresight-Strategie umzusetzen.
„B. 4 Die Begrenzung der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung erfordert Netto-Null-CO2-Emissionen. (…) Die prognostizierten CO2-Emissionen aus der bestehenden Infrastruktur für fossile Brennstoffe würden ohne zusätzliche Minderungsmaßnahmen das verbleibende Kohlenstoffbudget für 1,5°C (50 %) übersteigen.“
Nochmal: wir müssen schnell aus Kohle, Benzin und Diesel aussteigen und aufhören, alte Bäume abzuholzen. Es geht kein Weg vorbei an einem fundamentalen Umbau der Energie-Infrastruktur.
„B. 5 Alle globalen modellierten Pfade, die die Erwärmung auf 1,5°C (>50%) begrenzen, ohne oder mit begrenzter Überschreitung, und diejenigen, die die Erwärmung auf 2°C (>67%) begrenzen, erfordern rasche und tiefgreifende und in den meisten Fällen, sofortige Verringerung der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren in diesem Jahrzehnt. Globale Netto-Null-CO2 Emissionen werden für diese Pfadkategorien in den frühen 2050er Jahren bzw. in den frühen 2070er Jahren erreicht.“
Also: Bis 2050 wird es ohnehin erst einmal wärmer, sogar wenn wir den CO2-Ausstieg zeitnah schaffen. Klimaveränderungen sind immer langfristig, irgendwie logisch.
„B. 6 Übersteigt die Erwärmung ein bestimmtes Niveau, z. B. 1,5 °C, könnte sie schrittweise wieder reduziert werden durch das Erreichen und Aufrechterhalten negativer globaler Netto-CO2-Emissionen. Dies würde einen zusätzliche Kohlendioxid-Entfernung erfordern, verglichen mit Pfaden ohne Überschreitung, was zu größeren Bedenken hinsichtlich Machbarkeit und Nachhaltigkeit führt (…).“
Neben der einfachen Reduktion von Kohlendioxid muss es auch der Atmosphäre entnommen werden – im großen Stil. Dazu gehört vielleicht auch etwas Hightech, aber vor allem die Wiederaufforstung von Wäldern, Mooren, Mangroven etc.
C. Kurzfristige Maßnahmen
Neben der nun wirklich offensichtlichen Erkenntnis, dass Treibhausgase so schnell wie möglich reduziert werden müssen, schlägt das IPCC auch teils sehr konkrete Maßnahmen vor.
„C. 1 Verstärkte internationale Zusammenarbeit, einschließlich eines verbesserten Zugangs zu angemessenen finanziellen Ressourcen, insbesondere für anfällige Regionen, Sektoren und Gruppen, sowie eine integrative Regierungsführung und koordinierte Politik. Die in diesem Jahrzehnt getroffenen Entscheidungen und durchgeführten Maßnahmen werden Auswirkungen haben und für Tausende von Jahren.“
Wow. Klingt nach großer Verantwortung? Gut so. Es wird nicht übertrieben.
„C. 2 (…) Kurzfristige Maßnahmen beinhalten hohe Vorabinvestitionen und potenziell disruptive Veränderungen.“
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um private und unternehmerische Investments in nachhaltige Technologiebereiche zu tätigen. Der größte Finanzmarktumbruch aller Zeiten steht bevor – von fossilen in postfossile Anlagewerte. Wer noch klassische Investments hat, die nicht der EU-Taxonomie standhalten, sollte sich eher beeilen.
„C. 3 Die Priorisierung von Gerechtigkeit, Klimagerechtigkeit, sozialer Gerechtigkeit, Inklusion und gerechten Übergangsprozessen kann Anpassungs- und ehrgeizige Minderungsmaßnahmen sowie eine klimaresiliente Entwicklung ermöglichen.“
Da sind wir wieder beim Zusammenhang der drei Säulen der Nachhaltigkeit: der sozialen, ökologischen und ökonomischen Dimension. Ohne Gleichberechtigung, Integration und Inklusion wird das alles nix mit der friedlichen Zukunft.
„C. 4 Klare Ziele, Koordination über mehrere Politikbereiche hinweg und integrative Governance-Prozesse erleichtern wirksame Klimamaßnahmen. Regulierungs- und Wirtschaftsinstrumente können tiefgreifende Emissionssenkungen und Klimaresilienz unterstützen, wenn sie breite Anwendung finden.“
Der Pfad in die regenerative Zukunft ist interdisziplinär und angemessen staatlich getrieben. Das schmeckt natürlich der neoliberalen Bewegung nicht so sehr, weshalb die Transformation auch über Jahrzehnte ausgebremst wurde. Das dürfte jetzt zu Ende sein.
„C. 5 Finanzen, Technologie und internationale Zusammenarbeit sind entscheidende Voraussetzungen für einen beschleunigten Klimaschutz. Wenn die Klimaziele erreicht werden sollen, muss die Finanzierung von Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen um ein Vielfaches erhöht werden. Es gibt genügend globales Kapital, um die globalen Investitionslücken zu schließen, aber es gibt Hindernisse für die Umlenkung von Kapital in Klimaschutzmaßnahmen (…).“
Es existiert also genug Geld auf der Welt, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Freundlicher Hinweis: Auf einem Sparkonto oder in brachliegenden Immobilien stiftet Geld keinen Mehrwert. Investitionen in Klimaschutz und ernstgemeinte Entwicklungshilfe werden sich hingegen amortisieren und oft auch rentieren.
Die Lösung der Klimakrise
Ich bin kein Anhänger der technophilen Fraktion der Trend- oder Zukunftsforschung, die alle Probleme durch Technologie lösen möchte. Sicher müssen wir gesellschaftlich und politisch auch viel verändern, doch ohne Technologien bekommen wir den gordischen Klimaknoten nicht durchschlagen. Allerdings braucht’s dazu keine außerordentlich innovativen Entwicklungen, sondern eine sinnvolle Kombination der vorhandenen Mittel sowie politischen Gestaltungswillen, der sich möglicherweise nicht innerhalb einer Legislatur auszahlt.
Im Grunde benötigen wir für die Lösung der Klimakrise lediglich drei einfache Schritte und sehr viel Startkapital. Das Schöne daran: Alle Bereiche würden profitieren. Die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Umwelt. Wenn im Sinne der Moonshot-Technik ein reicher Milliardär sich mit dem UN-Generalsekretär oder noch besser, allen Teilnehmenden des nächsten World Economic Forum, zusammentun würde, wäre das Ganze in einem Jahrzehnt machbar. Ein echter Green New Deal, sozusagen.
- Energieerzeugung: Technologisch haben wir alles, was wir brauchen, um die Menschheit für immer mit Elektrizität für Strom, Wärme, Kälte und die industrielle Produktion zu versorgen. Täglich erreicht unseren Planeten so viel Sonnenenergie, wie wir in 10.000 Jahren verbrauchen würden. Daher ist für mich glasklar: Photovoltaik-Paneele müssen auf jedes größere Dach, über jede Autobahn, jeden Parkplatz und Bahnhof – die Großgrundbesitzer wie die Deutsche Bahn oder die katholische Kirche könnten hier Schlüsselpartner in der Umsetzung sein. Hinzu kommen gigantische Solarpaneele im Orbit, die Sonnenenergie schon vor der Atmosphäre ernten und kabellos zur Erde senden. Schließlich könnte die Kernfusion in rund 20 Jahren kommerziell nutzbar sein, was bis dahin aber vielleicht hinfällig ist, wenn wir endlich die natürliche Energiequelle im Himmel anzapfen würden. Logischerweise gibt es dann auch eine Energieflatrate für alle. Imagine the possibilities!
- Energienetz: Ein globales Energienetz (engl. global grid) muss her. Sicher sind dabei auch eher zentrale Knotenpunkte auf allen Kontinenten für die Verteilung zuständig, das muss aber aus Gründen der Sicherheit und Planbarkeit auch so sein. Denn: Strom muss immer fließen. Technisch machbar ist es, langfristig auch rentabel. Ein entsprechender wissenschaftlicher Beitrag dazu wird nächstes Jahr im Sammelband „Regenerative Zukünfte und künstliche Intelligenz“ erscheinen.
- Energiespeicher: Wenn Energie im Überfluss erzeugt wird, brauchen wir sehr viele Stromspeicher. Jede Kommune, jeder Bahnhof, jede Wohnung wird in einigen Jahrzehnten einen eigenen Stromspeicher haben, um die Niedriglastzeiten auszugleichen oder als flexible Kapazitätserweiterung des Netzes dienen zu können. Und ja, dazu gehören auch Elektrofahrzeuge. Eine Jobbeschreibung der Zukunft wird sein, Elektrofahrzeuge durch die Landschaft zu fahren, um Energie zu verbrauchen.
In der Folge hätten wir für mindestens ein Jahrzehnt keine Arbeitslosigkeit, einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung verbunden mit der Angleichung von Lebensstandards, eine endlos verfügbare Energieversorgung aus regenerativen Quellen und langfristig abgemilderte Klimawandeleffekte.
„Ja, aber…“ das klingt utopisch? Wenn wir aus der Gegenwart denken, ist das sicher so. Woher sollen die Ressourcen kommen? Wer soll das planen? Was ist mit Staaten, die nicht mitmachen? Jede gute Idee kann mit einem „ja, aber“ zunichte gemacht werden.
Wenn wir jedoch aus der Zukunft zurückdenken, von einer für alle Lebewesen lebenswerten Zukunft, erscheinen diese drei Schritte fast schon logisch. „Warum ist man darauf nicht früher gekommen?“, könnte mein Sohn mich im Jahr 2050 fragen. Er wird dann 27 Jahre alt sein und hoffentlich davon profitieren, was wir hier und heute aushecken. Ob er dann als Bauarbeiter, Ingenieur, Wartungstechniker oder Politiker das wohl größte Bauprojekt der Menschheit miterleben durfte, ist mir egal.
Fazit
Mein Sohn ist heute acht Wochen alt und ich wünsche mir, dass er im Jahr 2100 mit 77 Jahren glücklich und gesund dort lebt, wo er gern möchte, und nicht, wo er muss. Dasselbe wünsche ich mir für die anderen knapp neun Milliarden Menschen, die dann auf diesem Planeten leben. Es wäre traumhaft, wenn diese Menschen dankbar zurückblicken und anders als die heutige Generation sagt: Danke, dass ihr an uns gedacht habt.
02/2022: 2030: Welche Welt erwartet Jurist:innen in der Zukunft? (Justizministerium NRW)
Das Justizministerium Nordrhein-Westfalen lud mich im Februar 2022 zu ihrem "Fachkongress Digitalisierung (in) der Juristenausbildung" namens "JURTECH:JURSTUDY" ein. Ein wirklich gelungenes Format, wie ich finde, denn: Ich wurde nicht bloß gefragt, welche Trends heute und in naher Zukunft wichtig sind, sondern wie sich die Ausbildung und das Studium angehender Jurist:innen sich ändern muss, damit auch unvorhersehbare Veränderungen besser in der Justiz abgebildet werden können. Großartig!
In meiner Keynote gehe ich auf ein paar wenige, wichtige Themen ein und welche Auswirkungen sie haben könnten. Darunter das Metaversum als - zu dem Zeitpunkt - aufkommender Trend, Blockchain und natürlich künstliche Intelligenz. Schließlich ging es aber um den Punkt, wie Zukünftebildung in die juristische Ausbildung / Studium einfließen können. Im Anschluss unterhielt ich mich noch mit Justizminister Peter Biesenbach darüber, wie sein Ministerium das Zukünftedenken implementieren könnte... wir werden sehen, ob es bald das erste Landesministerium mit Zukünfte-Referat gibt ;-)
Urheberrechte liegen bei den in der Präsentation angegebenen Rechteinhabern.
Rück- und Ausblick 2021-2022 - von Corona bis Bitcoin Im Hier und Morgen #IHUM
Das Jahr 2021 ist (endlich!) zuende - und hier kommt mein persönlicher Rück- und Ausblick! Privater denn je, doch keine Angst, natürlich gibt es auch einen umfangreichen Ausblick auf die wichtigsten Themen in 2022. Dabei geht's unter anderem um Resilienz, Wahnsinn und Weltmachtpolitik; außerdem die Ampel-Koalition, Privatisierung des Weltalls und Klimakrise. Und noch vieles mehr.
Guten Rutsch (nachträglich)!
Neujahrsempfang 3. Januar 2022 (Wirtschaftsdienst Niedersachsen): https://www.wirtschaftsdienst-exklusiv.de/2022/01/03/wirtschaftsdienst-neujahrsempfang/
Der Band "Arbeitswelt und KI 2030" bei Springer: https://link.springer.com/book/9783658357788
Der Band bei Amazon: https://amzn.to/3BzhvNi
Der Band bei Buch7 (sozialer Buchhandel): https://www.buch7.de/produkt/arbeitswelt-und-ki-2030-inka-knappertsbusch/1042544070?ean=9783658357788&partner=kai-gondlach
Der Themenüberblick:
00:00:00 Intro: (persönlicher) Rückblick und Ausblick auf 2022
00:00:49 Persönlicher Rückblick
00:07:39 Schweigeminute
00:08:44 Rückblick 2021: Spaltung, aber auch Corona in einem positiven Licht
00:13:22 Lichtblicke: Neue Initiativen, Startups und tolle Menschen
00:19:55 Neuer Schwestern-Podcast: Kai for Future seit Juni on air & DANKE
00:21:02 Ausblick: von Resilienz, Wahnsinn und Weltmachtpolitik
00:24:29 Ampel-Koalition als Lichtblick? Und doch wieder Machtpolitik. Und irre Despoten. Und Polexit. Und Brexit. Und mehr.
00:28:01 Weltall: Privatisierung, Starlink, Uckermark, James Webb, All-Fabriken, Marswasser, Asteroiden-Mining
00:30:22 Klimawandel: Flutkatastrophe, langsame Behörden und mehr Klimaschutz und dessen Folgen
00:32:40 Künstliche Intelligenz und die Arbeitswelt: Massensterben der Unternehmen
00:33:56 Corona 2022
00:36:06 Technologie im Schnelldurchlauf: Bitcoin, Krypto, NFTs, Web 3.0, Metaversum, dezentrales Internet
00:37:17 Turbulenzen - doch die Chancen im Fokus
00:39:06 Abschluss, Reflexion und Dankbarkeit
Teaser
Abspann
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Diese Episode wird bei Spotify und Co. erstveröffentlicht am 30.12.2021. Hier im Zlog schon seit dem 29.12. um 09:38 Uhr.
Ausblick 2022: Corona, Ampel und High-Tech
2021 ist vorbei. Endlich, denken jetzt bestimmt viele. Was erwartet uns im neuen Jahr 2022? Eins ist sicher: Es wird nie wieder so wenige Veränderungen und Überraschungen geben wie im zurückliegenden Jahr. Mit diesem Beitrag möchte ich ein paar Rückblicke geben, vor allem soll es aber um den Ausblick auf 2022 gehen. Anschließend gibt's noch einen sehr persönlichen Rückblick auf ein außerordentlich turbulentes Jahr in meinem Leben.
Allgemeiner Rück- und Ausblick 2021/2022
Zu jedem Ausblick gehört auch ein kurzer Rückblick. Ich bemühe mich um Reduktion aufs Wesentliche, versprochen!
Die wichtigsten Themen im Schnelldurchlauf:
Pandemie: Wie geht's 2022 weiter?
Corona spaltet die Gesellschaft nicht, stattdessen sind die bestehenden Spaltungen offensichtlicher zutage getreten. Noch immer ziehen ungeimpfte Mobs teils mit Fackeln, teils mit Kindern als Schutzschilde [wie in Schweinfurt, siehe 1, 2, 3, 4, 5] durch die Dörfer und wollen gehört werden. Sie sind entweder esoterisch oder aus anderen Gründen kategorisch gegen Impfungen und glauben, ihr Immunsystem komme mit dem Virus klar; sie sind Neonazis oder andere politische Extreme bzw. Radikale und haben nur auf eine Gelegenheit gewartet, die Demokratie anzugreifen und Ungebildete hinter sich zu versammeln; sie sind Ungebildete und/oder digital Abgehängte, die nicht wissen, wie man eine wahre von einer gefälschten Information unterscheidet; schließlich die Ängstlichen, die entweder Angst vor Spritzen haben, Angst vor einem Genozid durch Bill Gates oder Angst vor einem Impfstoff, der schneller denn je entwickelt wurde.
Gegen die Spekulationen hilft Information. Das Paul-Ehrlich-Institut sammelt beispielsweise Nebenwirkungen und Impfschäden und "gibt die durchschnittliche Häufigkeit von anaphylaktischen Reaktionen nach der Verabreichung von derzeit in Deutschland zugelassenen Impfstoffen mit 0,4 bis 11,8 pro 1 Million Impfstoffdosen an" [RKI]. Natürlich gibt es auch noch die Schwerkranken, die sich nicht impfen lassen können, doch das sind verschwindend wenige - die meisten Bedenken hinsichtlich der eigenen Untauglichkeit für eine Impfung werden sehr transparent aufgeklärt und treffen nicht zu. Und selbst bei einer Allergie gegen einzelne Bestandteile eines Vakzins gibt es ja zum Glück inzwischen eine breite Auswahl, bald auch sogenannte Totimpfstoffe. Für eine Übersicht zur Impfung empfiehlt sich die Übersicht des RKI sowie das Impf-Dashboard der Bundesregierung.
Meine Beobachtung nach bald zwei Jahren Pandemie: Es wird noch immer zu viel auf eine laute Minderheit gehört, was eigentlich ein Anzeichen einer guten Demokratie in einer pluralistischen Gesellschaft ist, dennoch bleibt diese Minderheit bei Anklagen, wir lebten in einer Corona-Diktatur; es gibt übrigens eine gruselige Überschneidung in den Splittergruppen, die sich ebenso vor einer Öko-Diktatur fürchten oder seit Jahren eine linksgrünversiffte Verschwörung wittern. Oft werden die hinreichend begründeten Eingriffe ins öffentliche Leben durch die Pandemiemaßnahmen als unrechtmäßige Grundgesetzeinschränkungen überspitzt; dies wurde nun mehrfach von unterschiedlichen Gerichten widerlegt. Umgekehrt rechtfertigen viele Gegner:innen ihre "Meinungsfreiheit", wenn sie die Wirksamkeit der Impfungen, die Wahrhaftigkeit medialer Berichterstattung oder den Hergang der Pandemie anzweifeln; doch auch Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen. Um genau zu sein genau dort, wo sie bewusst Lügen oder Fake News verbreitet - in einem Artikel von Mitte 2020 sehr verständlich erläutert von der Bundeszentrale für politische Bildung. Die einzige Logik, die das Handeln und Kommunizieren in den Kommentarspalten in "Social Media" eint, ist die durch den kognitiven Bestätigungsfehler (confirmation bias) befeuerte rekursive Beweisführung - wer oder was anderer Meinung ist, ist offensichtlich ein:e Gegner:in. Das ist keine Polemik, sondern sorgsam beobachtete Alltagspraxis.
Wechseln wir mal die Perspektive.
Infolge der Shutdowns wurden einerseits viele Existenzen bedroht oder mussten aufgeben. Auf der anderen Seite hat die Bundesregierung 57 Milliarden Euro an Zuschüssen ausgezahlt, um genau dies zu verhindern, Kredite wurden in Höhe von 109 Milliarden Euro vergeben (Stand November 2021). Vor allem kleine und mittlere Unternehmen wurden in der "Überbrückungshilfe III" berücksichtigt und gerettet, wovon auch ich profitiert habe. Wer hier noch von einer Diktatur spricht, ist ein Fall für die geschlossene Abteilung oder sollte vielleicht mal ein längeres Praktikum in Belarus machen.
Wir leben im Schlaraffenland und keiner merkt's.
Doch Empörung über diejenigen, die leider durch das Raster fallen oder tragischerweise mit den Antragsformularen überfordert sind, verbreitet sich erheblich effizienter als Erfolgsmeldungen über gerettete Existenzen und Rekordkurzarbeitergeldsummen. Wenn ich mir die Diskussionen bei Facebook, Instagram, Tiktok und Linkedin ansehe, wird mir immer übler. Mein Ansatz ist es immer, die Beweggründe von Skeptiker:innen und Gegner:innen besser zu verstehen; manchmal muss ich mich sehr beherrschen, nicht zynisch zu werden. Oft klappt es aber ganz gut und auf respektvolles Zuhören folgen ehrliche Auseinandersetzungen. Es wäre ja auch zu einfach davon auszugehen, dass eine scheinbar einfache Lösung einfach so von 100% der Bevölkerung angenommen wird. Was oft fehlt, ist gewaltfreie, respektvolle und offene Kommunikation über die Bedürfnisse der Menschen. Vielleicht klappt's ja mit dem neuen Gesundheitsminister, der sich allerdings gerade bei skeptischen Menschen nicht gerade hoher Beliebtheit erfreut.
Wie geht's weiter?
Die Wahrscheinlichkeit für weitere Covid-Varianten ist relativ hoch. Auf Delta und Omikron werden global sicherlich noch einige weitere folgen, viele davon werden es nicht um die Welt schaffen und milder sein als die bisherigen. Im globalen Norden ist inzwischen ein großer Teil der Bevölkerung besser dagegen geschützt, vor allem dank der Impfungen inklusive Booster. Mein Mix besteht übrigens aus AstraZeneca, BionTech und Moderna, da ich von Beginn an auf Kreuzimpfungen gesetzt habe. Der globale Süden wiederum wartet noch auf Impfungen, wodurch das Virus weiter mutieren kann. Bedeutet: Die Fortschreibung des wirtschaftlichen Kolonialismus ist eine medizinische Notlage in zahlreichen Staaten in Afrika, Südamerika und Teilen Asiens. Während viele Menschen keinen Zugang zu vernünftiger Medizin haben, lehnen viele Deutsche die Impfung ab - diese Wohlstandsverwahrlosung widert mich an. Entsprechend unterstütze ich harte Maßnahmen gegen Menschen, die andere Menschen und damit die Gesellschaft auf egoistische Weise immer wieder bei Versammlungen in Gefahr bringen, die Falschmeldungen verbreiten und respektlos (besonders in "Social" Media) gegen alles hetzen, was nicht ihrer Meinung ist. Solidarität war nie wichtiger, doch die haben viele leider verlernt. Dank der Unentschlossenheit oder auch bewussten Opposition gegen Wissenschaft stecken wir noch viele Monate in der Pandemie, die auch im nächsten Winter Maßnahmen notwendig machen dürfte mit der Folge, dass die sich weiter radikalisierenden Covidioten auch mal zu schwererem Geschütz greifen werden. Der große Knall kommt noch und wie es sich für einen Rechtsstaat gehört, warten wir selbstverständlich ab, bis es eine Katastrophe gibt.
Das bringt mich zum nächsten Punkt.
Ampel-Regierung 2022
Die Deutschen haben gewählt und dabei kam erstmals eine Dreier-Koalition als Bundesregierung heraus (wenn man die CSU nicht als eigenständige Partei begreift, was sie ja auch nicht ist). Die sogenannte Ampel-Regierung aus Sozialdemokraten (SPD), Grünen und Freidemokraten (FDP) hat sich relativ schnell nach der Bundestagswahl gefunden und nach kurzen Sondierungsgesprächen und gar nicht mal übermäßig zähen Koalitionsverhandlungen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Anfang Dezember wurde Olaf Scholz als neuer Bundeskanzler gewählt und der Rest des Kabinetts kann anderswo besser nachgelesen werden. Natürlich habe ich darüber auch in meinem Podcast "Im Hier und Morgen" berichtet. Was wichtig ist: Nach 16 Jahren konservativ geführter Politik freue ich mich unabhängig von der politischen Färbung auf eine progressive Regierung - wir brauchen mehr Veränderung. Denn was die Merkel-Ära auszeichnet, ist einerseits eine herzlichere und gar nicht mal so CDU-typische Kanzlerschaft des "wir schaffen das". Andererseits hat die Politik der kleinen Schritte ehrlicherweise vor allem verwaltet, statt zu gestalten; am Vergangenen festgehalten, statt sich Neuem zu öffnen; die Wogen im Äußeren geglättet, statt eigene Werte zu vertreten. Besonders in der Energie-, Sozial- und Wirtschaftspolitik hat sie bestehende Ungerechtigkeiten und Anachronismen verhärtet, statt sie aufzulösen.
Die Ampel-Regierung versteht sich im Kontrast zur CDU-Ära als Koalition des Aufbruchs. Viele auch strittige Punkte zwischen den einzelnen Parteien wurden erstaunlich schnell und konstruktiv gelöst; das könnte daran liegen, dass die FDP einfach mal wieder mitregieren wollte und somit viele Aspekte abgenickt hat. Was viele erstaunt hat, ist der scheinbare Triumpf der Freidemokraten, die Leitung des Verkehrsministeriums erlangt zu haben; für mich ein kluger Schachzug der Grünen, die ja wissen, dass Verkehr zwar in der Außenwahrnehmung ein wichtiges Ökothema ist, in Wirklichkeit aber Industrie und Ernährung die Hauptemissionsursachen sind. Meine Highlights sind der deutliche Anstieg des Mindestlohns, Bürokratieabbau in der Verwaltung, Neuordnung der Subventionspolitik insbesondere im Landwirtschaftssektor, Kohleausstieg bis 2030 und verpflichtende energetische Gebäudesanierung zum selben Datum. Selbstständigkeit soll stärker gefördert werden, Bildung stärker unabhängig vom sozialen Hintergrund und vor allem digitaler, Renten steigen und vieles mehr. Wenn die kommenden vier Jahre vernünftig genutzt werden sollen, dürfte schon in 2022 vieles auf den Weg gebracht werden. Ich bin gespannt, wie sich die Union positionieren wird, wie häufig Abstimmungen gemeinsam mit der AfD oder der Linken geschehen müssen!
Die politische Landschaft muss sich auf neue Gegebenheiten einstellen. Manche erwarten sogar das Aufbrechen der klassischen links-rechts-grün-Dimension, zumal über 40 zugelassene Parteien andere und teils nur partikulare Interessen vertreten - aber nicht im Parlament vertreten sind. Das Wahlrecht könnte eine Reform vertragen. Vielleicht schiebt die Ampel ja auch ein solches Vorhaben an? Wir werden sehen. Klar ist, dass die Welt komplexer und schneller geworden ist, seit die Bundesrepublik gegründet wurde. Das ist erstmal weder gut noch schlecht, jedoch muss man darauf reagieren, wahre Resilienz üben, Zukünftebildung (Futures Literacy) vorantreiben und Reibungen aushalten.
High-Tech-Trends in 2022
Kryptowährungen wie der Bitcoin , Ethereum und andere "Altcoins" werden weiter im Wert zunehmen. Das war seit deren Erfindung Ende der 2000er Jahre bislang konstant so und doch beäugen viele diese Entwicklung eher skeptisch. Gegen Ende des Jahres 2022 werden sich dann wieder alle, die immer noch keine haben, ärgern. Aber dann ist ja wieder ein Jahr rum und man weiß ja nicht, ob es sich jetzt denn nun noch lohnt. Ich wäre da skeptisch, die größten Kursgewinne dürften im Laufe des Jahres 2022 zu verbuchen sein, doch wenn eine kritische Masse "in krypto macht", ist es vorbei und langweilig. Alle Jahre wieder halt. Ein benachbartes Thema sind die Non-Fungible Tokens (NFT), die weiterhin die Digitalwelt erobern. Wer mit dem Begriff NFTs noch nichts anfangen kann und trotzdem etwas digital unterwegs ist, sollte sich damit mal beschäftigen. Bei Medium gibt’s einen netten Artikel, wie NFTs Netflix und Amazon Prime angreifen könnten.
Das Web 3.0 und das Metaversum sind im Anmarsch, werden aber zurecht von einigen Tech-Pionieren als vollkommen überschätzt dargestellt. Ich denke aber schon, dass in den nächsten Monaten und Jahren immer mehr Menschen immer mehr Zeit in der virtuellen Zweitwelt verbringen könnten, dort Geschäfte treiben, Geld verdienen und ausgeben. Einige werden vielleicht ihre Wohnung überhaupt nicht mehr verlassen, soblad die VR-Headsets und Matrixsuits ihnen eine virtuelle Welt so gut vorkaugeln, dass sich das Aufstehen nicht mehr lohnt. Sie ernähren sich von Pulver oder direkt intravenös, sind im Prinzip wie Palliativpatienten gut umsorgt und doch abwesend. Auf der anderen Seite der Skala dezentralisiert sich die Plattformökonomie der letzten Jahre zunehmend. Direkterer Tauschhandel, freiere Informationsströme, demokratischere Strukturen schaffen so den Sprung aus der Schmuddelecke im Deep und Dark Web. Wäre es nicht schön, wenn die Strafverfolgungsbehörden auch den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen und Cyber-Kriminalität endlich wirksam bekämpfen würden? Aber das bleibt 2022 unter Garantie noch ein Wunschtraum. Allerdings wäre es eine relevante Erwartung eines FDP-geführten Justizministeriums, die sich ja so digital und modern gibt?
Klar, künstliche Intelligenz ist weiter auf dem Vormarsch. Das ist nichts Neues, durchdringt aber endlich stärker auch die deutschsprachige Wirtschaft und Gesellschaft. Öffentliche Verwaltung natürlich noch nicht so sehr. Der oben erwähnte Band "Arbeitswelt und KI 2030" möchte genau das ändern und es gibt zahlreiche andere Aktivitäten (ja, auch staatliche), die den zögernden Organisationen helfen möchten. Dass man vor der Technologie, die ihren Namen völlig zu Unrecht trägt, keine Angst haben braucht, beschreibe ich zum Beispiel in dem Beitrag über "German Angst" gemeinsam mit Dr. Michaela Regneri, den wir auch in einer Podcast-Episode kommentiert haben. Die Transformation geschieht aus Vogelperspektive natürlich auch von selbst, doch ohne Starthilfe wird es zum größten Massensterben von Unternehmen führen. Es scheint unausweichlich, dass aufgrund fehlender Digitalisierung, antiquierter Unternehmensorganisation und schlechter Vorbereitung auf Demografie und Klimawandel ein nennenswerter Teil der Unternehmen die 2020er Jahre nicht überleben wird.
Da haben wir noch nicht von Quantencomputern und deren Anwendungen gesprochen, immerhin hat die Fraunhofer-Gesellschaft ja nun Zugriff auf einen IBM-QC und die Bundesregierung fördert den Aufbau eines eigenen Geräts. Davon hat der Mittelstand in diesem Jahrzehnt zwar nichts mehr, doch einige Produkte und Lösungen werden zeitnah, vielleicht schon 2022, auf den Markt kommen, die nur noch auf Basis eines Quantencomputers errechnet, ver- oder entschlüsselt werden können. Noch weniger anwendungsnah klingt die Entwicklung der Xenobots, also Roboter mit lebendigen Zellen, die beispielsweise auf die Reinigung der Ozeane oder Entschlackung der menschlichen Blutbahnen programmiert werden können und dann "sterben".
Die aktuelle medizinische Revolution ist im Labor weitgehend abgeschlossen und wir profitieren ja schon in hohem Maße von den Vorzügen künstlicher Intelligenz und neuartiger Gentechnologie. So schnell hat es eine Innovation noch nie von der Forschung in die Praxis geschafft, aber irgendetwas Gutes muss Covid19 ja auch haben. Nächstes Jahr werden wir immer mehr Anwendungen auch in der Breite sehen, darunter vielleicht neue Individualtherapien für schwere Krebsfälle oder Diabetes; bessere Früherkennung von schweren Krankheiten in besonderen Arztpraxen und Kliniken; personalisierte Arzneimittel aus neuen Apotheken. Das muss natürlich auch erlaubt sein, ich frage meine Krankenkassen ja regelmäßig, wann sie mir auf Grundlage meiner Genomsequenzierungen individuelle Angebote macht - dauert nocht...
Im Energiesektor bahnt sich seit Längerem eine Renaissance der Kernkraft an. Einerseits sollen die Kraftwerde sehr viel kleiner sein, andererseits nicht nur auf Kernspaltung, sondern Kernfusion basieren. Als ich in der siebten Klasse einen Vortrag darüber hielt, tadelte mich mein Physiklehrer Herr Kruse, dass die Idee zwar nett klinge, aber für immer eine Vision bleibe. Hoffentlich kann ich mich nächstes Jahr bei ihm melden und widerlegen, denn vieles deutet darauf hin, dass 2021 die wichtigsten Durchbrüche erzielt wurden, um ein Plasma zu stabilisieren und in wenigen Jahren tatsächlich ähnlich wie in der Sonne nahezu endlos viel Energie zu erzeugen. Seit Google sich mit Bill Gates zusammengetan hat und viele Milliarden US-Dollar in die Technologie investiert, sehe ich alle Anzeichen auf eine Revolution der Energiebranche. Politisch heikel, technologisch aber vielleicht derdie letzte Bedingung für eine neue Stufe der Zivilisation.
Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Unter High-Tech oder Bleeding-Edge-Tech versteht jede:r etwas anderes. Vielleicht kommen hier fehlende Themen ja auch mal in meinem Podcast oder Newsletter; ich bin ja auch immer offen für Anfragen und Diskussionen.
Mein privater Rückblick auf 2021: Auf und Ab!
Für viele war 2021 ein Jahr der Turbulenzen, so auch für mich. Es begann mit einigen guten Vorsätzen, unter anderem wollte ich mich ernsthaft auf den großen Hamburg Triathlon - immerhin der größte seiner Art weltweit - vorbereiten. Also ging ich Anfang Januar noch häufiger als sonst joggen, was in einer recht winterlich-vermatschten Umgebung natürlich riskant ist. Und so dauerte es nicht lang, bis ich mir beim Training im Park beide Knie verletzte. Genauer gesagt, waren beide Menisken angerissen. Aua. Da aber zu der Zeit dank der Corona-Shutdowns ohnehin nicht viele Reisen angesetzt waren, konnte ich mich ganz gut zuhause kurieren.
Im Frühjahr entspannten sich die Covid-Inzidenzen wieder, was mir auch wieder mehr Reisetätigkeit bescherte. So war ich bei tollen Kunden unterwegs, sprach öfter als sonst über Resilienz und habe unter anderem der Filmindustrie vorgerechnet, wann schauspielerfreie Filmproduktionen machbar sein werden. Dabei kam mir auch eine eigene Idee für eine Science-Fiction-Produktion, welche seitdem verfolgt wird - ist aber noch nicht spruchreif.
Nach ein paar Wochen Schonung und neuen Einlagen in den Schuhen habe ich mich dann auf das Fahrrad- und bald auch Schwimmtraining konzentriert. Schwimmen lief in der Leipziger Seenlandschaft problemlos, doch der nächste große Rückschlag geschah im Juli beim Radeln. Ich war gerade im meinem RedBull-Rennrad (R.I.P.) rund um Leipzig unterwegs und fuhr wieder von Westen über Plagwitz in die Stadt, eine vertraute Strecke. Das dachte sich wohl auch eine Autofahrerin, die beim Abbiegen nicht so genau hinsah und mich beim Anfahren vom Sattel riss. Ich war einige Minuten bewusstlos und als ich wieder zu mir kam, war mein erster Reflex, meine Hände und Füße zu bewegen - erfolgreich! Erleichterung! Alles andere war erstmal sekundär. Alles andere war: Schlüsselbeinbruch, mehrere Rippenprellungen, Hämatome und Platzwunden, ein abgebrochener Zahn, ein eingerissenes Ohr und natürlich ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma. Und natürlich die Tatsache, dass der Traum vom Triathlon aus war. Zwei Wochen später wurde ich dann entgegen einer Ersteinschätzung doch operiert und bekam eine Titanplatte in die Schulter implantiert, die dort nun für zwei Jahre wohnen wird. Ziemlich unangenehm alles, aber hey: es hätte schlimmer kommen können.
Am 31. Juli war dann noch eine ganz besondere Frist: Die Abgabe des Manuskripts für den Band "Arbeitswelt und KI 2030", den ich gemeinsam mit Inka Knappertsbusch bei Springer herausgebe. Inzwischen ist das Buch, das 41 Beiträge von 78 renommierten Expert:innen aus Forschung und Wirtschaft enthält, auch verfügbar und kann beispielsweise bei Amazon oder Buch7 oder Springer direkt bestellt werden. Aber zurück zum Thema: meinen eigenen Beitrag für den Band sowie die letzten Korrekturen habe ich in einem Krankenhausbett im Leipziger Uniklinikum unter recht starken Schmerzen finalisiert - wenn das mal kein Einsatz mit Herzblut ist! Aber so ist das Leben der Selbstständigen eben. Wenn es eine Frist gibt, wird die auch ernst genommen!
Zwei Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus stand dann wiederum ein lebensveränderndes Ereignis an: Am 13. August habe ich die Liebe meines Lebens geheiratet! Unser Standesamt kennen einige vielleicht aus dem Fernsehen, da dort die meisten Episoden von "Hochzeit auf den ersten Blick" ihr Finale erlebten. Wir kannten uns aber schon ein bisschen länger... Einen Tag danach konnten wir dann sogar mit all unseren Freunden und Verwandten in tollen Leipziger Locations feiern (>90% geimpft, alle getestet). Zwei Tage pure Glücksgefühle, auch wenn der Hochzeitstanz und die vielen Umarmungen der Wundheilung meiner Schulter nicht unbedingt zuträglich waren.
Schließlich endete das Jahr mit einer traurigen Wendung. Mein Vater ist Anfang September im Alter von 87 Jahren zum letzten Mal eingeschlafen. Wer mir schon länger folgt, weiß, dass ich ihn immer genannt habe, wenn es um die Frage ging, wie ich zur Zukunftsforschung gekommen bin. Wir hatten ein sehr gutes Vater-Sohn-Verhältnis und er hat mich auch in den letzten Jahren immer noch geprägt. In einem Buch namens "Papa, erzähl mal", das ich ihm zum 80. Geburtstag geschenkt und mir ausgefüllt zurückgewünscht hatte, schrieb er:
Sein Leben war für einen Jahrgang 1934 äußerst abwechslungsreich und in der ersten Hälfte auch reiseintensiv. In der zweiten kamen dann Selbstständigkeit und mein Bruder und ich dazu sowie schließlich eine ruhige Rentenzeit. Sein Abschied kam nicht vollkommen unerwartet, ging jedoch insgesamt relativ schnell; besonders dankbar bin ich dafür, dass er sich noch von seinem engsten Kreis verabschieden konnte, bevor wir seine Asche in einem Friedwald in der Nähe meiner Geburtsstadt Itzehoe beisetzen konnten.
Fazit: Alles anders, alles gleich
Auch das neue Jahr 2022 wird sich vor allem dadurch auszeichnen, dass vieles anders wird als erwartet. Als Zukunftsforscher kenne ich natürlich viele Entwicklungspfade, sonst bräuchte es ja keine Zukunftsforschung und Foresight. Als ursprünglicher Soziologe und Politik-/Verwaltungswissenschafler habe ich jedoch auch immer die Gesellschaft im Ganzen im Blick und stelle immer wieder fest, wie groß die Entfernung der Pioniere zu der stillen Masse ist. Es sollte nicht jede:r potenziell Raketenwissenschaftler:in werden können, doch ein Verständnis der wesentlichen Grundlagen der moderenen Gesellschaft wäre wichtig. Nur so begreifen Menschen Komplexität und Unplanbarkeit, nur so können sie echte von falschen Informationen unterscheiden, nur so ein zufriedenes und mündiges Leben führen. I have a dream...
Was sich ändert: Es stehen einige technologische Durchbrüche vor dem Beginn ihrer Kommerzialisierung; einige habe ich oben genannt. Worauf ich besonders gespannt bin, ist die Regionalisierung von Wertschöpfungsketten insbesondere in der Energiespeicher-/Batterieindustrie. Möglicherweise gelingt es Neuralink erstmals, Hirnimplantate für Menschen zum Einsatz zu bringen und einfache Gedanken an eine Maschine zu übertragen - der Startschuss für eine Wikipedia auf Gedankenabruf und damit die nächste Stufe des Transhumanismus. Es stehen fünf Landtagswahlen an: im (noch) Groko-Saarland, in (noch) Jamaika-Schleswig-Holstein, in (noch) schwarz-gelb-NRW und (noch) Groko-Niedersachsen. Wenn der Green New Deal ernsthaft umgesetzt wird, werden das Verbraucher:innen und Unternehmen deutlich zu spüren bekommen, nicht zuletzt durch die bereits begonnenen Umwälzungen an den internationalen Finanzmärkten in Richtung post-fossil. Dieser Drahtseilakt wird freilich nicht ohne Turbulenzen ablaufen, stellen Sie sich schon mal auf einen bunten Blumenstrauß von Wild Cards ein.
Was gleich bleibt: Wir leben in einer stabilen Demokratie, können uns auf die wesentlichen Pfeiler der Gesellschaft verlassen. Es droht weder der Zusammenbruch des Parlaments nach Weimarer Vorbild noch eine furchtbare Revolution der Querdenker. Die Preise steigen in fast allen Konsumbereichen und auf dem Weltmarkt, möglicherweise platzt die Immobilienblase nächstes Jahr, und klar, die Weltmächte sortieren sich gerade neu. Der Digitalisierungsschub durch die Pandemie wird anhalten und Automatisierung auch in akademische Berufe vordringen; es bleibt uns auch nichts anders übrig, da wir zu wenig Fachkräfte haben. Die Schwerkraft bleibt uns erhalten, die Klimakrise spitzt sich weiter zu und wir werden nicht müde, auf Risiken und Chancen hinzuweisen.
Doch was auf jeden Fall bleibt: Ich werde berichten, kommentieren und optimistisch nach vorn schauen. Irgendwer muss den Job ja erledigen.
Disclaimer
Dieser Beitrag ist eine gekürzte und alternative, aber verwandte Fassung des Linkedin-Artikels "2021/2022: Rück- und Ausblick vom Zukunftsforscher" und erscheint in ähnlicher Form als Episode am 30. Dezember 2021 in meinem Podcast "Im Hier und Morgen".
10/2021: 2050: Eine Reise in die Zukunft - Keynote von Kai Gondlach (KGSt®-FORUM)
Anfang Oktober war ich für eine Keynote in Bonn - eingeladen hat mich die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) zum beim KGSt®-FORUM 2021 mit Rekordbeteiligung von 3700 Teilnehmenden!
Die beim KGSt®ist ein von Städten, Gemeinden und Landkreisen gemeinsam getragener Fachverband für kommunales Management, bezeichnet sich selbst als kommunalen Fachverband für Managementthemen. Die Themen der Keynote orientieren sich entsprechend an den Bedarfen des Kommunalmanagements, also von Städten und Gemeinden. Ich hatte großen Spaß, nicht zuletzt mal wieder vor einer solchen Menge von Menschen sprechen zu dürfen! Aber auch im Vorgespräch mit den Veranstalter:innen, Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner, Verwaltungsratsvorsitzendem Prof. Dr. Hans-Günter Henneke und dem Moderator Bill Mockridge.
Urheberrechte liegen bei den in der Präsentation angegebenen Rechteinhabern. Die Musik im Intro und Outro ist lizensiert via https://www.fesliyanstudios.com/license/?id=36a846a2-bd94-41f9-a067-ec043d94ed93
BONUS Xerxes Voshmgir & Im Hier und Morgen (englisch!)
Kurz nach meinem Fahrradunfall hatte ich andere Dinge im Kopf, als neue Episoden für den Podcast zu produzieren. Zum Beispiel Schmerzmittel. Da aber fast zeitgleich ein Gespräch zwischen mit und Xerxes Voshmgir in seinem Podcast "Challenging #ParadigmX" veröffentlicht wurde, habe ich Xerxes gefragt, ob wir die Folge auch in meinem Podcast veröffentlichen können. Und er willigte ein!
Wir unterhielten uns über einige grundlegende Fragen des Lebens, was mich antreibt, was Zukunftsforschung für mich bedeutet und vieles mehr. Das Ganze auf Englisch.
Hier geht's zum Xerxes' Seite: https://xerxes.re/kai-gondlach/
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#02.12 Gigatrends: Die Mutter der Megatrends Im Hier und Morgen
Ich schreibe derzeit an einem Buch mit dem Arbeitstitel "Gigatrends". Dazu habe ich schon einen Zlog-Beitrag geschrieben, in dieser Podcast-Episode gehe ich etwas tiefer ins Detail. Was steckt dahinter, warum sind sie mindestens genauso wichtig wie Megatrends? Wieso arbeiten Wissenschaftler:innen nicht so gern mit Megatrends?
Seit Jahren ist mir aufgefallen, dass das Konzept der Megatrends Schwächen hat. Außerdem hat sich die ernsthafte Zukunftsforschung nur wenig damit auseinandergesetzt; das meiste stammt aus der eher populärwissenschaftlichen Trendforschung. Bunte Bildchen, die dabei helfen sollen, ein Unternehmen auf Kurs zu bringen - weil man nun weiß, dass es Digitalisierung gibt. Aha. Mit meinem Gigatrend-Ansatz möchte ich neuen Wind in die Debatte bringen, vor allem im Buch aber erstmal konkrete Trends der Zukunft beschreiben. Gigatrends helfen nämlich dabei, die jahrhunderte- oder gar jahrtausendelange Genese heutiger Entwicklungen besser zu verstehen ... und dann in die Zukunft zu projizieren.
Hier eine Übersicht der Themen:
00:00:00 Intro: Worum geht's in dieser Episode? Wo könnte das Thema schon mal erwähnt worden sein? #podcast #arbeitsphilosophen
00:00:32 Was sind Megatrends? #digitalisierung #urbanisierung #femaleshift #klimawandel #globalisierung
00:03:46 Was sind Gigatrends - und warum ist das wichtig?
00:11:31 Überblick: 5 Gigatrends, die unsere Zukunft prägen werden - und unsere Gegenwart hervorgebracht haben #gigatrend
00:13:37 Gigatrend 1: Leviathanozän. Warum einige Menschen die Erde zerstören #klimakrise #planetaryrights
00:17:26 Gigatrend 2: Postkapitalismus. (Wie) Arbeiten wir in einer Welt der (Voll-)Automatisierung? #newwork #doughnut #kreislaufwirtschaft #transmodernliberty
00:20:17 Gigatrend 3: Große Beschleunigung. Wohin führt die exponenzielle Beschleunigung der Technologie? #mooreslaw #singularität
00:22:35 Gigatrend 4: Vereinte Weltgemeinschaft. Welcher geopolitische Rahmen folgt auf die Vereinten Nationen, um Frieden für alle zu garantieren?
00:25:57 Gigatrend 5: Teilhabe. Wie kann größtmögliche Gleichberechtigung und Toleranz erreicht werden? #unlearningtimes
00:28:18 Fazit und Ausblick
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Gigatrend: Die Mutter der Megatrends
Was ist ein Gigatrend? Wer sich mit Zukunft beschäftigt, kennt das Konzept der Megatrends: Globalisierung, Female Shift, Konnektivität, Urbanisierung, Individualisierung, New Work und einige mehr. John Naisbitt hat das Konzept vor gut 40 Jahren entwickelt und damit der Zukunfts- und Trendforschung in weiten Teilen der westlichen Welt zu großem Ansehen verholfen. Megatrends sind Entwicklungen, die sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken und mehrere Gesellschaftsbereiche (Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt etc.) über einen längeren Zeitraum beeinflussen. Wobei: beeinflussen? Das ist sprachlich nicht ganz korrekt, natürlich sind es einzelne Treiber wie Unternehmen, (politische) Entscheidungsträger oder zivilgesellschaftliche Gruppen, die den Unterschied machen.
Megatrends gehören zu diesen Konstrukten, die sich wahnsinnig gut dazu eignen, Wandel sichtbar und vor allem kommunizierbar zu machen. Und doch greifen sie meiner Beobachtung nach zu kurz, wenn wir den Blick etwas weiten wollen. Sie wissen schon, Zukunft ist eine Frage der Perspektive - und ich möchte Sie hiermit einmal mehr einladen, Ihre Perspektive zu weiten. Denn in meinen Studien der letzten Jahre ist mir immer mehr aufgefallen, dass es noch größere Muster gibt, die sich über mehrere Jahrhunderte erstrecken.
Megatrends wirken jahrzehnte-, Gigatrends jahrhundertelang
Während sich die junge Disziplin der Zukunftsforschung schwer tut, Trends und Megatrends zu operationalisieren, habe ich nach größeren Mustern gesucht. Wozu? Die Antwort liegt im Zeitgeist. Das aktuelle Jahrzehnt ist schon jetzt ein Jahrzehnt der Superlative. Ein paar Beispiele:
- Die Klimakrise ist die größte Herausforderung der Menschheitsgeschichte.
- Künstliche Intelligenz könnte in diesem Jahrzehnt die Singularität erreichen - Millionen Arbeitsplätze sind von der "Automatisierung" bedroht.
- Quantencomputer stehen kurz vor dem Durchbruch zur kommerziellen Nutzung.
- Genmanipulation ermöglicht erstmals die Veränderung von Lebewesen oder Stammzellen.
- Die hegemoniale, geopolitische Weltordnung wird neu geschrieben (Aufstieg der BRICS-Staaten, Bedeutungsverlust der alten Mächte).
- Die Menschheit wird zur interplanetaren Spezies und plant erste Siedlungen auf Mond und Mars.
- Gesellschaftliche Spannungen eskalieren immer häufiger zwischen alten und neuen Konfliktlinien.
Um Veränderungen besser einordnen und Strategien längerfristig planen zu können, greifen die bekannten Megatrends zu kurz. Gigatrends hingegen beziehen deutlich mehr Signale und Trends in ihre Beschreibung ein und stehen somit auf einem breiteren, wissenschaftlichen Fundament. Und bevor ich Sie zu lange auf die Folter spanne, möchte ich hier einen kurzen Überblick in die (noch unveröffentlichten) Gigatrends gewähren. Sie haben sich seit mehreren Jahrhunderten angebahnt und wirken auch noch weit in die Zukunft - und zwar global und in allen Bereichen der Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt.
Gigatrend 1: Leviathanozän
Leviathanozän bezeichnet das Meta-Muster, welches zur Klimakrise geführt hat. Einige Hintergründe sind menschliche Eingriffe in die Ökosphäre sowie der verantwortungslose Umgang mit natürlichen Ressourcen, welcher maßgeblich von blinder Gier und einem Fehlverhältnis zu kapitalistischen Mechanismen herbeigeführt wurde. Die Geowissenschaften sprechen seit einigen Jahren vom Anthropozän, da sich die Folgen menschlichen Handelns längst in den Gesteinsschichten zeigen; andere schlagen bspw. den Begriff (engl.) "Chthulucene" vor. Mein Vorschlag geht weiter und verbindet die Elemente Erdzeitalter (-zän) mit dem Leviathan nach Thomas Hobbes Abhandlung über Politik und Macht (1651). Damit wird direkt begrifflich angedeutet, dass es sich um eine mehrere Jahrhunderte alte Entwicklung handelt.
Es ist schon faszinierend zu sehen, dass es gut 4,6 Milliarden Jahre gedauert hat, bis die Evolution des Planeten Erde eine mutmaßlich intelligente Spezies (homo sapiens) hervorbrachte - und der es innerhalb von knapp 300.000 Jahren schafft, seine eigene Lebensgrundlage zu zerstören. Noch ist es nicht so weit, doch die Zeit wird knapp. Dieser Gigatrend beschreibt damit die wichtigsten Ursachen und Auswirkungen des Leviathanozän - und vermittelt auch ein Gefühl dafür, wie es weitergeht.
Gigatrend 2: Postkapitalismus
In Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung ist inzwischen vielen klar geworden, dass das Wirtschaftssystem, das unsere Vorfahren durch die ersten Wellen der Industrialisierung getragen hat, einer Neuausrichtung bedarf. Die ursprüngliche "New Work"-Idee nach F. Bergmann, Konzepte der "Doughnut-Economy" oder Kreislaufwirtschaft behandeln bereits die Fragen, wie eine sozial inklusive und ökologisch verträgliche Wirtschaft funktionieren kann. Leider haben es diese Ideen sehr schwer, zur etablierten, tendenziell konservativen Entscheidungsriege vorzudringen. Agilität, Kollaboration und Exnovation bieten Lösungsansätze, wie sowohl Unternehmen als auch Volkswirtschaften die Transformation schaffen können; doch alles beginnt bei einem neuen Menschenbild, das wenig mit dem anachronistischen Humankapital- und Controlling-Ansatz zu tun hat. Oft wird der Begriff Postkapitalismus reflexartig mit einer Abneigung gegen Kommunismus quittiert, doch darum geht es hier nicht; eher um eine Integration unterschiedlicher Systeme. Welche Elemente kennzeichnen die Ökonomie der Zukunft?
Gigatrend 3: Große Beschleunigung
Wir sprechen von Digitalisierung, Konnektivität, Vernetzung und Internet - doch wenige erkennen das große Muster dahinter. Die Bevölkerungsentwicklung seit der Zeitenwende, Ausbreitung der Menschheit über dem Globus, Konfrontation mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen und folglich "Innovation" bahnbrechender Entwicklungen haben sich schon früh angedeutet. Vielleicht ergeben sie auch erst in der Retrospektive eine logische Verknüpfung, doch genau darum geht es ja. Fragt sich: Wohin geht die Entwicklung? Bleibt die exponenzielle Kurve der technologischen Entwicklung erhalten? Wie verhält sich die technologische Geschwindigkeit im Verhältnis zur gesellschaftlichen und biologischen Komplexität?
Gigatrend 4: Vereinte Weltgemeinschaft
Kaum wurden die Menschen sesshaft und entwickelten komplexe Sprache (vor etwa 100.000 Jahren), begannen die Konflikte. Eine Prise Religion, dann der Maschendrahtzaun und schon hatten wir jahrzehntelange Kriege, Weltkriege, Kalte Kriege - Sie wissen schon. Wenn man die geopolitischen Konfliktlinien und -herde der letzten Jahre und sich andeutende Krisen analysiert, könnte man annehmen, dass es auch genauso weitergehen wird. Doch seit der Gründung der Vereinten Nationen, etwas später regionalen, transnationalen Verbünden wie der Europäischen Gemeinschaft, später Union, oder der Nato sollten größere Kriege der Vergangenheit angehören (was nicht immer gut funktioniert, wie wir aus den Kriegen im Irak, Afghanistan, der Krim, Bergkarabach, dem Nahost-Konflikt etc. wissen).
Doch seit Entwicklung von Atombomben stehen Mittel zur Verfügung, um in einer unkontrollierten Auseinandersetzung das Leben in weiten Teilen der Erde auszulöschen. Erzwungene Kooperation, wenn man so will. Fragt sich, wie es weitergeht, wenn die BRICS-Staaten, allen voran China und Indien, weiterhin ihr wirtschaftliches Wachstum aufrechterhalten können. Ein Ansatz zur friedlichen Integration und Inklusion findet sich in der uralten Idee der Tianxia. Im Gigatrend endet die Beschreibung der globalen Politik nicht heute, sondern einige Jahrzehnte oder Jahrhunderte in der Zukunft - wie kann es die Menschheit schaffen, sich nicht gegenseitig auszulöschen?
Gigatrend 5: Teilhabe
Der Zugang zu Nahrung, Sicherheit, Gesundheit, Einkommen, Bildung, Demokratie und anderen essenziellen Bestandteilen eines nach UN-Definition lebenswerten Lebens sowie gesetzlich verankerte Garantien für Minderheiten haben in den letzten 80 Jahren stetig zugenommen - wenn man von einigen Rückschlägen absieht. Immer mehr Staaten basieren auf rechtsstaatlichen Prinzipien, organisieren freie Wahlen für Parlamente oder Präsidentinnen, Minderheiten werden mindestens durch die Justiz geschützt. Auch die Gleichberechtigung von Frauen und nicht-binären Menschen (LGBTIQ*) hat sich drastisch verbessert. Es liegt noch ein weiter Weg vor uns bis zur wahren Gleichberechtigung, doch wir sind bereits ein gutes Stück vorangekommen. Angefangen hat diese Entwicklung nicht etwa nach dem Zweiten Weltkrieg oder in der Zeit der Aufklärung, sondern einige Jahrhunderte früher. Wohin führt uns der Weg der gleichberechtigten Teilhabe in Zukunft - dürfen dann auch Künstliche Intelligenzen an Wahlen teilnehmen?
Gigatrends: Kein Superlativ, sondern eine erweiterte Perspektive
An dieser Stelle endet meine kleine Einführung und, wenn Sie so wollen, die Vorschau auf mein Buch "Gigatrends". Es befindet sich noch in Entstehung, doch der Rahmen steht. Wenn Sie über die Veröffentlichung informiert werden wollen, tragen Sie sich am besten jetzt für meinen Newsletter ein; dieser erscheint maximal einmal im Monat, Sie brauchen also keine Angst vor einer E-Mail-Flut haben. Und wer weiß, vielleicht sehen Sie das Buch nächstes Jahr auch in Ihrem Buchladen - ich freue mich auf Ihr Feedback!
#02.02: Sozialunternehmerin Sina Trinkwalder Im Hier und Morgen
In dieser Sonderepisode spreche ich mit Sina Trinkwalder, einer der bekanntesten Unternehmerinnen des Landes. Sie hat diverse Unternehmen gegründet und legt dabei seit 2010 den Fokus auf sozial und ökologisch nachhaltige und wertvolle Projekte. Dafür wurde sie mit diversen Preisen ausgezeichnet, darunter auch mit dem Bundesverdienstkreuz.
Wir hatten viel Spaß und haben viel geflucht, denn unsere Themen reichten von ihrer Firma Manomama und deren Entstehungsgeschichte über gesellschaftliche Themen mit Sprengkraft (wen können wir überhaupt noch wählen und warum gibt es im Internet so viele Idioten?) bis zur Frage, wie man besser lebt. Hören Sie direkt rein:
Teaser gefällig? Dann gern erstmal in die 15-sekündige Vorschau reinhören:
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#02.01 Klima-News in die Primetime mit Norman Im Hier und Morgen
In dieser Episode geht es wieder um den Klimawandel, genauer: um die Berichterstattung in den Medien. Verglichen mit anderen wichtigen Themen kommt die Klimakrise nämlich kaum vor, nur in speziellen Formaten - außerhalb der besten Sendezeiten.
Die Initiative KLIMA° vor acht ist angetreten, das zu ändern. Sie möchte bewirken, dass auch die breite Bevölkerung stärker über die Zusammenhänge des Klimawandels informiert werden. Um mehr zu erfahren, habe ich einen der Gründer und Pressesprecher Dr. Norman Schumann eingeladen und ihn ausgequetscht.
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Mit dieser Episode hat sich auch der gesamte Podcast gewandelt; Intro und Outro sind neu, professionell produziert und nun auch auf noch mehr Plattformen verfügbar.