Wetterextreme: Foto von Waldbrand

Wetterextreme und die Lösung der Klimakrise

Der Juli dieses Jahres war der heißeste jemals auf der Erde gemessene Monat; auf allen Kontinenten beobachten wir verheerende Brände, Überflutungen und Dürren. Lässt sich die Klimakatastrophe noch verhindern? Hier gibt’s die wissenschaftliche Problemlage sowie einen Lösungsvorschlag.

Wetterextreme im Sommer 2023 und politische Beben

Wer nicht unmittelbar betroffen war, musste nur eine beliebige Nachrichtensendung, -seite oder Zeitung konsultieren – der Newsflash wirkte wie ein dramatischer Zusammenschnitt in einem Katastrophenfilm. Manch eine:r fühlt sich nicht grundlos an die biblischen Plagen erinnert, wenn in Süddeutschland Ochsenfrösche zum Abschuss freigegeben werden, die nächste (gefährliche) Covid-Mutation auftaucht, Tausende in die Flucht getrieben werden (sogar in Norwegen!) und Urlaub am Mittelmeer lebensbedrohlich wird. Inzwischen ist bei den Wetterextremen und auch der Verbreitung von Viren gut erforscht, wie eng der Zusammenhang mit dem anthropogenen Klimawandel ist. Wetter heißt nicht gleich Klima, doch das über einen längeren Zeitraum extremer werdende Wetter fällt per Definition ins den Klimabereich.

Außerdem: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wird nicht der einzige Klimakrieg dieses Jahrzehnts bleiben, das Säbelrasseln in Nordkorea, China und diversen sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländern im globalen Süden erreicht nicht nur rhetorisch im Wochentakt neue Eskalationsebenen (z. B. kürzlich im Niger und Ecuador). Zeitgleich sprießen weltweit auch in sogenannten Industrieländern des globalen Nordens populistische und faschistische Parteien aus dem Boden wie Atompilze nach einem Super-GAU: Sie verstrahlen die verunsicherten Menschen mit vorgeblich einfachen Lösungen für komplexe Herausforderungen und Probleme, deren Grundrezept aus Hass und Ignoranz besteht; sie kontaminieren die Anstrengungen diverser Parteien und Nichtregierungsorganisationen für eine freiheitlich demokratische und gleichberechtigte Welt. Immerhin scheint sich in den USA der Rechtsstaat endlich gegen den Ex-Präsidenten und dessen Gefolgschaft im Zusammenhang mit der Verschwörung zu wehren – hierzulande schreckt das Establishment noch vor einem Verbotsverfahren rechtsradikaler Parteien wie der AfD oder NPD zurück. Ich hoffe, nicht mehr lang.

Was sagt die Wissenschaft dazu?

Zur Beantwortung dieser Frage habe ich mir die drei Teile von „Die Grenzen des Wachstums“ von Dennis und Donella Meadows et al. zur Hand genommen. Die Reihe ist besser bekannt als die Berichte des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Ich nenne sie auch gern die erste gesellschaftlich wertvolle Zukunftsstudie aller Zeiten, die nicht nur Technologien prognostizierte, sondern eben komplexe Zusammenhänge untersuchte und modellierte – größtenteils erstaunlich akkurat.

Die enger werdenden Grenzen des Wachstums

Vor 51 Jahren erschien der erste Teil von „Die Grenzen des Wachstums“, 20 Jahre später dann die Neuauflage „Die neuen Grenzen des Wachstums“ und 2004 schließlich „Grenzen des Wachstums – das 30-Jahre-Update“. 2022 wiederum schrieb die Bundeszentrale für politische Bildung eine schöne Rückschau „50 Jahre Grenzen des Wachstums“. Darin wird vor allem die eklatante Wissenschaftsignoranz der Menschheit deutlich, denn spätestens seit der ersten Veröffentlichung wussten „wir“, dass Emissionen durch das Verbrennen von Öl, Gas oder Holz das Klima nachhaltig beeinträchtigt. Der Earth Overshoot Day, an dem die natürlichen Ressourcen des Planeten eigentlich aufgebraucht sind, war damals noch am 19. Dezember – in diesem Jahr fiel er bereits auf den 2. August. Würden alle Staaten so wie Deutschland leben, wäre er schon am 5. April.

Zwar entstanden infolge der Veröffentlichungen weltweit „grüne“ Parteien, die den Umweltschutz auf die politische Agenda brachten; zwar wurden weltweit Flurchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) verboten, woraufhin das Ozonloch endlich schrumpfe und man sich wieder sorgloser in die Sonne begeben konnte; zwar wurden In vielen anschließenden Klimakonferenzen unverbindliche Klimaziele vereinbart (Kyoto-Protokoll, Paris Agreement, etc.) – doch der globale Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan oder Lachgas geht fröhlich weiter.

Zu den häufiger werdenden Extremwetterereignissen gesellen sich fast nebenbei jährliche Temperaturrekorden, Negativrekorde in der Biodiversität, den Eisschilden in der Antarktis und Grönland, dem Regenwaldbestand im Amazonas und dem Kongo und der weltweit sinkende Grundwasserspiegel. Damit verbunden rücken einige Klima-Kipppunkte näher, die ökologische Dominoeffekte auslösen könnten – leider keine von der unterhaltsamen Sorte. Aktuell wird unter anderem wieder der Kollaps des Golfstroms diskutiert, welcher zu einem Temperaturabsturz in Europa führen könnte. Fast schon zynisch wirkt hingegen der übertrieben unsinnige und unmenschliche Prunkbau des saudi-arabischen Kronprinzen mit der Wüstenstadt Neom.

Der Konsens der weltweiten Klimaforschung

Aber es ist ja nicht so, als gäbe es keine Einigkeit in der Klimawissenschaft hinsichtlich der Ursachen sowie möglichen Lösungsansätzen. Das Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC, auch bekannt als Weltklimarat, veröffentlicht regelmäßig Sachstandsberichte (und häufiger Sonderberichte). Im 6. IPCC-Sachstandsbericht aus diesem Jahr wurden erneut die Kernaussagen tausender Klimawissenschaftler:innen weltweit versammelt rund um Ökosysteme, Geologie, etc. Und nein, hinter dem IPCC steckt kein großer Plan einer neuen Weltordnung oder anderer rechtsradikaler Unfug.
Die Kernaussagen umfassen folgende Rubriken:

A. Aktueller Stand und Trends
B. Künftiger Klimawandel, Risiken und langfristige Reaktionen
C. Kurzfristige Maßnahmen

Hier meine kompakte und übersetzte Zusammenfassung:

A. Aktueller Stand und Trends

A. 1 Menschliche Aktivitäten, vor allem durch die Emission von Treibhausgasen, haben zweifellos die globale Erwärmung verursacht, wobei die globale Oberflächentemperatur im Zeitraum 2011-2020 um 1,1°C über dem Wert von 1850-1900 im Zeitraum 2011-2020 lag. Die globalen Treibhausgasemissionen haben weiter zugenommen, wobei ungleiche Beiträge […] in den verschiedenen Regionen, zwischen und innerhalb von Ländern und zwischen Einzelpersonen variieren.“
Falls also Populisten wie Aiwanger, Söder, AfD-Gläubiger und Co. etwas davon faseln, man sei sich nicht einig in der Wissenschaft hinsichtlich des menschlichen Einflusses auf den Klimawandel: DOCH, es herrscht beispiellose Einigkeit. Die Menschheit verändert das Klima. Keine Meinung, sondern wissenschaftliche Fakten. Keine Diskussion.

A. 2 Weitreichende und rasche Veränderungen in der Atmosphäre, den Ozeanen, der Kryosphäre und der Biosphäre sind eingetreten. Der vom Menschen verursachte Klimawandel wirkt sich bereits auf viele Wetter- und Klimaextreme in allen Regionen der Welt aus (…). Anfällige Gemeinschaften, die in der Vergangenheit am wenigsten zum aktuellen Klimawandel beigetragen haben, sind unverhältnismäßig stark betroffen."
Unser angeblicher Humanismus ist nach wie vor auf bestimmte Bevölkerungsgruppen beschränkt. Die angeblich christliche Nächstenliebe hört immer noch an der Religionsgrenze auf. Wir haben in über 2000 Jahren „Zivilisation“ wirklich nicht viel gelernt – und jetzt, wo es auch in Europa langsam unbequem wird, kommen wir langsam ins Grübeln. Das hat mit Moral wenig zu tun, sondern ist wie immer nur mit einem: Egoismus.

A. 3 Die Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen ist in allen Sektoren und Regionen fortgeschritten, mit dokumentiertem Nutzen und unterschiedlicher Wirksamkeit. (…) Die derzeitigen globalen Finanzströme für die Anpassung sind unzureichend und schränken die Umsetzung von Anpassungsoptionen ein, insbesondere in Entwicklungsländern.“
Anpassungen an ökologische Veränderungen sind nichts Neues. In kälteren Zeiten bauten die Menschen dickere Mauern und dichtere Dächer, als das Meer phasenweise die Kohlfelder überflutete, bauten sie höhere Deiche (und Kooge). Doch die Geschwindigkeit der Veränderungen hat zugenommen, weshalb besonders Menschen in ärmeren Regionen nicht schnell genug hinterherkommen. Und ja, auch hier müssen wir langfristig denken – anstatt über Wärmepumpen zu meckern, sollten wir uns freuen, dass das Thema nicht erst in zehn Jahren kommt, wenn es schon zu spät sein könnte. Dass es überhaupt öffentliche Förderungen und weltweite Darlehensprogramme gibt, ist doch fantastisch. Diese Programme müssen jedoch noch stärker als sonst im Sinne einer globalen Entwicklungshilfe zielgerichteter und mit geringeren Auflagen verteilt werden, um schnellen Wandel zu ermöglichen, auch im Sinne der immer noch ausstehenden Reparationen für koloniale Verbrechen.

A. 4 Politische Maßnahmen und Gesetze, die sich mit der Abschwächung von Treibhausgasemissionen befassen, wurden seit dem 5. Sachstandsbericht ständig erweitert. Es ist wahrscheinlich, dass die Erwärmung im Laufe des 21. Jahrhunderts 1,5°C überschreitet und es schwieriger wird, die Erwärmung auf unter 2°C zu begrenzen.“
Konsens ist also auch, dass das 1,5°C-Ziel kaum noch erreicht werden kann, in Deutschland wurde es schon überschritten. Das heißt unter anderem, dass besonders Ältere und chronisch Kranke schon jetzt ein höheres klimawandelinduziertes Sterberisiko aufweisen. Immerhin eine wachsende, politisch hochgradig relevante Bevölkerungsgruppe.

B. Künftiger Klimawandel, Risiken und langfristige Reaktionen

B. 1 Für jedes beliebige künftige Erwärmungsniveau sind viele klimabezogene Risiken höher als im 5. Sachstandsbericht bewertet worden, und die prognostizierten langfristigen Auswirkungen sind bis zu einem Vielfachen höher als die derzeit beobachteten. (…) Klimatische und nicht-klimatische Risiken werden zunehmend interagieren und zu kombinierten und kaskadierenden Risiken, die komplexer und schwieriger zu handhaben sind.“
Es wird ungemütlicher. Hier sollten besonders Versicherungsunternehmen die Details studieren. Kein mathematisches Underwriting-Modell der letzten Jahrzehnte ist jetzt noch aktuell – besonders nicht für Sachschäden. Zynisch gesprochen wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, um ein Ferienhaus in Skandinavien zu kaufen.

B. 2 Einige künftige Veränderungen sind unvermeidbar und/oder unumkehrbar, können aber durch eine tiefgreifende, rasche und nachhaltige Reduzierung der globalen Treibhausgasemissionen begrenzt werden. Die Wahrscheinlichkeit von abrupten und/oder irreversiblen Veränderungen steigt mit einem höheren Niveau der globalen Erwärmung. Ähnlich ist die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen mit geringer Wahrscheinlichkeit, die mit potenziell sehr großen nachteiligen Auswirkungen verbunden sind.“
Anders ausgedrückt: Wildcards wie die Corona-Pandemie, die Ahrtal-Überflutung oder das Verbot zur Trinkwasserentnahme zur Bewässerung von Gärten rund um den Globus werden häufiger auftreten. Und: Wir müssen weniger fossile Ressourcen verbrennen, weniger Rinder und andere domestizierte Tiere halten. Vor ein paar Jahren spaltete ich einmal das Publikum eines Galadinners mit dem Hinweis, dass ein Rindersteak im Jahr 2030 wohl eher 100 Euro kosten wird, während das synthetische oder pflanzliche Pendant bei 5 Euro liegen dürfte. Besser für Klima und die Gesundheit wäre das allemal.

B. 3 Anpassungsoptionen, die heute machbar und wirksam sind, werden mit zunehmender globaler Erwärmung weniger wirksam sein. (…) Fehlanpassungen können durch flexible, sektorübergreifende, integrative und langfristige Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen verhindert werden, die vielen Sektoren und Systemen zugutekommen.“
Das heißt nichts anderes, als dass wir schneller werden und mehr Verständnis für langfristige Politik säen müssen. Das ist wie mit dem Hebel-Effekt beim Spaten: Je weiter oben man ansetzt, umso einfacher gräbt sich das Loch. Zum Glück fängt die Bundesregierung auch allmählich an, eine Foresight-Strategie umzusetzen.

B. 4 Die Begrenzung der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung erfordert Netto-Null-CO2-Emissionen. (…) Die prognostizierten CO2-Emissionen aus der bestehenden Infrastruktur für fossile Brennstoffe würden ohne zusätzliche Minderungsmaßnahmen das verbleibende Kohlenstoffbudget für 1,5°C (50 %) übersteigen.“
Nochmal: wir müssen schnell aus Kohle, Benzin und Diesel aussteigen und aufhören, alte Bäume abzuholzen. Es geht kein Weg vorbei an einem fundamentalen Umbau der Energie-Infrastruktur.

B. 5 Alle globalen modellierten Pfade, die die Erwärmung auf 1,5°C (>50%) begrenzen, ohne oder mit begrenzter Überschreitung, und diejenigen, die die Erwärmung auf 2°C (>67%) begrenzen, erfordern rasche und tiefgreifende und in den meisten Fällen, sofortige Verringerung der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren in diesem Jahrzehnt. Globale Netto-Null-CO2 Emissionen werden für diese Pfadkategorien in den frühen 2050er Jahren bzw. in den frühen 2070er Jahren erreicht.“
Also: Bis 2050 wird es ohnehin erst einmal wärmer, sogar wenn wir den CO2-Ausstieg zeitnah schaffen. Klimaveränderungen sind immer langfristig, irgendwie logisch.

B. 6 Übersteigt die Erwärmung ein bestimmtes Niveau, z. B. 1,5 °C, könnte sie schrittweise wieder reduziert werden durch das Erreichen und Aufrechterhalten negativer globaler Netto-CO2-Emissionen. Dies würde einen zusätzliche Kohlendioxid-Entfernung erfordern, verglichen mit Pfaden ohne Überschreitung, was zu größeren Bedenken hinsichtlich Machbarkeit und Nachhaltigkeit führt (…).“
Neben der einfachen Reduktion von Kohlendioxid muss es auch der Atmosphäre entnommen werden – im großen Stil. Dazu gehört vielleicht auch etwas Hightech, aber vor allem die Wiederaufforstung von Wäldern, Mooren, Mangroven etc.

C. Kurzfristige Maßnahmen

Neben der nun wirklich offensichtlichen Erkenntnis, dass Treibhausgase so schnell wie möglich reduziert werden müssen, schlägt das IPCC auch teils sehr konkrete Maßnahmen vor.

C. 1 Verstärkte internationale Zusammenarbeit, einschließlich eines verbesserten Zugangs zu angemessenen finanziellen Ressourcen, insbesondere für anfällige Regionen, Sektoren und Gruppen, sowie eine integrative Regierungsführung und koordinierte Politik. Die in diesem Jahrzehnt getroffenen Entscheidungen und durchgeführten Maßnahmen werden Auswirkungen haben und für Tausende von Jahren.“
Wow. Klingt nach großer Verantwortung? Gut so. Es wird nicht übertrieben.

C. 2 (…) Kurzfristige Maßnahmen beinhalten hohe Vorabinvestitionen und potenziell disruptive Veränderungen.“
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um private und unternehmerische Investments in nachhaltige Technologiebereiche zu tätigen. Der größte Finanzmarktumbruch aller Zeiten steht bevor – von fossilen in postfossile Anlagewerte. Wer noch klassische Investments hat, die nicht der EU-Taxonomie standhalten, sollte sich eher beeilen.

C. 3 Die Priorisierung von Gerechtigkeit, Klimagerechtigkeit, sozialer Gerechtigkeit, Inklusion und gerechten Übergangsprozessen kann Anpassungs- und ehrgeizige Minderungsmaßnahmen sowie eine klimaresiliente Entwicklung ermöglichen.“
Da sind wir wieder beim Zusammenhang der drei Säulen der Nachhaltigkeit: der sozialen, ökologischen und ökonomischen Dimension. Ohne Gleichberechtigung, Integration und Inklusion wird das alles nix mit der friedlichen Zukunft.

C. 4 Klare Ziele, Koordination über mehrere Politikbereiche hinweg und integrative Governance-Prozesse erleichtern wirksame Klimamaßnahmen. Regulierungs- und Wirtschaftsinstrumente können tiefgreifende Emissionssenkungen und Klimaresilienz unterstützen, wenn sie breite Anwendung finden.“
Der Pfad in die regenerative Zukunft ist interdisziplinär und angemessen staatlich getrieben. Das schmeckt natürlich der neoliberalen Bewegung nicht so sehr, weshalb die Transformation auch über Jahrzehnte ausgebremst wurde. Das dürfte jetzt zu Ende sein.

C. 5 Finanzen, Technologie und internationale Zusammenarbeit sind entscheidende Voraussetzungen für einen beschleunigten Klimaschutz. Wenn die Klimaziele erreicht werden sollen, muss die Finanzierung von Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen um ein Vielfaches erhöht werden. Es gibt genügend globales Kapital, um die globalen Investitionslücken zu schließen, aber es gibt Hindernisse für die Umlenkung von Kapital in Klimaschutzmaßnahmen (…).“
Es existiert also genug Geld auf der Welt, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Freundlicher Hinweis: Auf einem Sparkonto oder in brachliegenden Immobilien stiftet Geld keinen Mehrwert. Investitionen in Klimaschutz und ernstgemeinte Entwicklungshilfe werden sich hingegen amortisieren und oft auch rentieren.

Die Lösung der Klimakrise

Ich bin kein Anhänger der technophilen Fraktion der Trend- oder Zukunftsforschung, die alle Probleme durch Technologie lösen möchte. Sicher müssen wir gesellschaftlich und politisch auch viel verändern, doch ohne Technologien bekommen wir den gordischen Klimaknoten nicht durchschlagen. Allerdings braucht’s dazu keine außerordentlich innovativen Entwicklungen, sondern eine sinnvolle Kombination der vorhandenen Mittel sowie politischen Gestaltungswillen, der sich möglicherweise nicht innerhalb einer Legislatur auszahlt.
Im Grunde benötigen wir für die Lösung der Klimakrise lediglich drei einfache Schritte und sehr viel Startkapital. Das Schöne daran: Alle Bereiche würden profitieren. Die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Umwelt. Wenn im Sinne der Moonshot-Technik ein reicher Milliardär sich mit dem UN-Generalsekretär oder noch besser, allen Teilnehmenden des nächsten World Economic Forum, zusammentun würde, wäre das Ganze in einem Jahrzehnt machbar. Ein echter Green New Deal, sozusagen.

  1. Energieerzeugung: Technologisch haben wir alles, was wir brauchen, um die Menschheit für immer mit Elektrizität für Strom, Wärme, Kälte und die industrielle Produktion zu versorgen. Täglich erreicht unseren Planeten so viel Sonnenenergie, wie wir in 10.000 Jahren verbrauchen würden. Daher ist für mich glasklar: Photovoltaik-Paneele müssen auf jedes größere Dach, über jede Autobahn, jeden Parkplatz und Bahnhof – die Großgrundbesitzer wie die Deutsche Bahn oder die katholische Kirche könnten hier Schlüsselpartner in der Umsetzung sein. Hinzu kommen gigantische Solarpaneele im Orbit, die Sonnenenergie schon vor der Atmosphäre ernten und kabellos zur Erde senden. Schließlich könnte die Kernfusion in rund 20 Jahren kommerziell nutzbar sein, was bis dahin aber vielleicht hinfällig ist, wenn wir endlich die natürliche Energiequelle im Himmel anzapfen würden. Logischerweise gibt es dann auch eine Energieflatrate für alle. Imagine the possibilities!
  2. Energienetz: Ein globales Energienetz (engl. global grid) muss her. Sicher sind dabei auch eher zentrale Knotenpunkte auf allen Kontinenten für die Verteilung zuständig, das muss aber aus Gründen der Sicherheit und Planbarkeit auch so sein. Denn: Strom muss immer fließen. Technisch machbar ist es, langfristig auch rentabel. Ein entsprechender wissenschaftlicher Beitrag dazu wird nächstes Jahr im Sammelband „Regenerative Zukünfte und künstliche Intelligenz“ erscheinen.
  3. Energiespeicher: Wenn Energie im Überfluss erzeugt wird, brauchen wir sehr viele Stromspeicher. Jede Kommune, jeder Bahnhof, jede Wohnung wird in einigen Jahrzehnten einen eigenen Stromspeicher haben, um die Niedriglastzeiten auszugleichen oder als flexible Kapazitätserweiterung des Netzes dienen zu können. Und ja, dazu gehören auch Elektrofahrzeuge. Eine Jobbeschreibung der Zukunft wird sein, Elektrofahrzeuge durch die Landschaft zu fahren, um Energie zu verbrauchen.

    In der Folge hätten wir für mindestens ein Jahrzehnt keine Arbeitslosigkeit, einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung verbunden mit der Angleichung von Lebensstandards, eine endlos verfügbare Energieversorgung aus regenerativen Quellen und langfristig abgemilderte Klimawandeleffekte.

    „Ja, aber…“ das klingt utopisch? Wenn wir aus der Gegenwart denken, ist das sicher so. Woher sollen die Ressourcen kommen? Wer soll das planen? Was ist mit Staaten, die nicht mitmachen? Jede gute Idee kann mit einem „ja, aber“ zunichte gemacht werden.

    Wenn wir jedoch aus der Zukunft zurückdenken, von einer für alle Lebewesen lebenswerten Zukunft, erscheinen diese drei Schritte fast schon logisch. „Warum ist man darauf nicht früher gekommen?“, könnte mein Sohn mich im Jahr 2050 fragen. Er wird dann 27 Jahre alt sein und hoffentlich davon profitieren, was wir hier und heute aushecken. Ob er dann als Bauarbeiter, Ingenieur, Wartungstechniker oder Politiker das wohl größte Bauprojekt der Menschheit miterleben durfte, ist mir egal.

Fazit

Mein Sohn ist heute acht Wochen alt und ich wünsche mir, dass er im Jahr 2100 mit 77 Jahren glücklich und gesund dort lebt, wo er gern möchte, und nicht, wo er muss. Dasselbe wünsche ich mir für die anderen knapp neun Milliarden Menschen, die dann auf diesem Planeten leben. Es wäre traumhaft, wenn diese Menschen dankbar zurückblicken und anders als die heutige Generation sagt: Danke, dass ihr an uns gedacht habt.

Bild von jlujuro auf Pixabay


02/2022: 2030: Welche Welt erwartet Jurist:innen in der Zukunft? (Justizministerium NRW)

Das Justizministerium Nordrhein-Westfalen lud mich im Februar 2022 zu ihrem "Fachkongress Digitalisierung (in) der Juristenausbildung" namens "JURTECH:JURSTUDY" ein. Ein wirklich gelungenes Format, wie ich finde, denn: Ich wurde nicht bloß gefragt, welche Trends heute und in naher Zukunft wichtig sind, sondern wie sich die Ausbildung und das Studium angehender Jurist:innen sich ändern muss, damit auch unvorhersehbare Veränderungen besser in der Justiz abgebildet werden können. Großartig!

In meiner Keynote gehe ich auf ein paar wenige, wichtige Themen ein und welche Auswirkungen sie haben könnten. Darunter das Metaversum als - zu dem Zeitpunkt - aufkommender Trend, Blockchain und natürlich künstliche Intelligenz. Schließlich ging es aber um den Punkt, wie Zukünftebildung in die juristische Ausbildung / Studium einfließen können. Im Anschluss unterhielt ich mich noch mit Justizminister Peter Biesenbach darüber, wie sein Ministerium das Zukünftedenken implementieren könnte... wir werden sehen, ob es bald das erste Landesministerium mit Zukünfte-Referat gibt ;-)

https://youtu.be/ofyrum0eLSA

Urheberrechte liegen bei den in der Präsentation angegebenen Rechteinhabern.


Rück- und Ausblick 2021-2022 - von Corona bis Bitcoin Im Hier und Morgen #IHUM

Das Jahr 2021 ist (endlich!) zuende - und hier kommt mein persönlicher Rück- und Ausblick! Privater denn je, doch keine Angst, natürlich gibt es auch einen umfangreichen Ausblick auf die wichtigsten Themen in 2022. Dabei geht's unter anderem um Resilienz, Wahnsinn und Weltmachtpolitik; außerdem die Ampel-Koalition, Privatisierung des Weltalls und Klimakrise. Und noch vieles mehr.

Guten Rutsch (nachträglich)!

Neujahrsempfang 3. Januar 2022 (Wirtschaftsdienst Niedersachsen): https://www.wirtschaftsdienst-exklusiv.de/2022/01/03/wirtschaftsdienst-neujahrsempfang/
Der Band "Arbeitswelt und KI 2030" bei Springer: https://link.springer.com/book/9783658357788
Der Band bei Amazon: https://amzn.to/3BzhvNi
Der Band bei Buch7 (sozialer Buchhandel): https://www.buch7.de/produkt/arbeitswelt-und-ki-2030-inka-knappertsbusch/1042544070?ean=9783658357788&partner=kai-gondlach

Der Themenüberblick:

00:00:00 Intro: (persönlicher) Rückblick und Ausblick auf 2022
00:00:49 Persönlicher Rückblick
00:07:39 Schweigeminute
00:08:44 Rückblick 2021: Spaltung, aber auch Corona in einem positiven Licht
00:13:22 Lichtblicke: Neue Initiativen, Startups und tolle Menschen
00:19:55 Neuer Schwestern-Podcast: Kai for Future seit Juni on air & DANKE
00:21:02 Ausblick: von Resilienz, Wahnsinn und Weltmachtpolitik
00:24:29 Ampel-Koalition als Lichtblick? Und doch wieder Machtpolitik. Und irre Despoten. Und Polexit. Und Brexit. Und mehr.
00:28:01 Weltall: Privatisierung, Starlink, Uckermark, James Webb, All-Fabriken, Marswasser, Asteroiden-Mining
00:30:22 Klimawandel: Flutkatastrophe, langsame Behörden und mehr Klimaschutz und dessen Folgen
00:32:40 Künstliche Intelligenz und die Arbeitswelt: Massensterben der Unternehmen
00:33:56 Corona 2022
00:36:06 Technologie im Schnelldurchlauf: Bitcoin, Krypto, NFTs, Web 3.0, Metaversum, dezentrales Internet
00:37:17 Turbulenzen - doch die Chancen im Fokus
00:39:06 Abschluss, Reflexion und Dankbarkeit

Teaser

Auszug aus der letzten Podcast-Episode des Jahres über Resilienz und warum die gängige Definition uns in den Wahnsinn führt.

Abspann

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Diese Episode wird bei Spotify und Co. erstveröffentlicht am 30.12.2021. Hier im Zlog schon seit dem 29.12. um 09:38 Uhr.


Ausblick 2022: Corona, Ampel und High-Tech

2021 ist vorbei. Endlich, denken jetzt bestimmt viele. Was erwartet uns im neuen Jahr 2022? Eins ist sicher: Es wird nie wieder so wenige Veränderungen und Überraschungen geben wie im zurückliegenden Jahr. Mit diesem Beitrag möchte ich ein paar Rückblicke geben, vor allem soll es aber um den Ausblick auf 2022 gehen. Anschließend gibt's noch einen sehr persönlichen Rückblick auf ein außerordentlich turbulentes Jahr in meinem Leben.

Allgemeiner Rück- und Ausblick 2021/2022

Zu jedem Ausblick gehört auch ein kurzer Rückblick. Ich bemühe mich um Reduktion aufs Wesentliche, versprochen!

Die wichtigsten Themen im Schnelldurchlauf:

Pandemie: Wie geht's 2022 weiter?

Corona spaltet die Gesellschaft nicht, stattdessen sind die bestehenden Spaltungen offensichtlicher zutage getreten. Noch immer ziehen ungeimpfte Mobs teils mit Fackeln, teils mit Kindern als Schutzschilde [wie in Schweinfurt, siehe 1, 2, 3, 4, 5] durch die Dörfer und wollen gehört werden. Sie sind entweder esoterisch oder aus anderen Gründen kategorisch gegen Impfungen und glauben, ihr Immunsystem komme mit dem Virus klar; sie sind Neonazis oder andere politische Extreme bzw. Radikale und haben nur auf eine Gelegenheit gewartet, die Demokratie anzugreifen und Ungebildete hinter sich zu versammeln; sie sind Ungebildete und/oder digital Abgehängte, die nicht wissen, wie man eine wahre von einer gefälschten Information unterscheidet; schließlich die Ängstlichen, die entweder Angst vor Spritzen haben, Angst vor einem Genozid durch Bill Gates oder Angst vor einem Impfstoff, der schneller denn je entwickelt wurde.

Gegen die Spekulationen hilft Information. Das Paul-Ehrlich-Institut sammelt beispielsweise Nebenwirkungen und Impfschäden und "gibt die durchschnittliche Häufigkeit von anaphylaktischen Reaktionen nach der Verabreichung von derzeit in Deutschland zugelassenen Impfstoffen mit 0,4 bis 11,8 pro 1 Million Impfstoffdosen an" [RKI]. Natürlich gibt es auch noch die Schwerkranken, die sich nicht impfen lassen können, doch das sind verschwindend wenige - die meisten Bedenken hinsichtlich der eigenen Untauglichkeit für eine Impfung werden sehr transparent aufgeklärt und treffen nicht zu. Und selbst bei einer Allergie gegen einzelne Bestandteile eines Vakzins gibt es ja zum Glück inzwischen eine breite Auswahl, bald auch sogenannte Totimpfstoffe. Für eine Übersicht zur Impfung empfiehlt sich die Übersicht des RKI sowie das Impf-Dashboard der Bundesregierung.

Meine Beobachtung nach bald zwei Jahren Pandemie: Es wird noch immer zu viel auf eine laute Minderheit gehört, was eigentlich ein Anzeichen einer guten Demokratie in einer pluralistischen Gesellschaft ist, dennoch bleibt diese Minderheit bei Anklagen, wir lebten in einer Corona-Diktatur; es gibt übrigens eine gruselige Überschneidung in den Splittergruppen, die sich ebenso vor einer Öko-Diktatur fürchten oder seit Jahren eine linksgrünversiffte Verschwörung wittern. Oft werden die hinreichend begründeten Eingriffe ins öffentliche Leben durch die Pandemiemaßnahmen als unrechtmäßige Grundgesetzeinschränkungen überspitzt; dies wurde nun mehrfach von unterschiedlichen Gerichten widerlegt. Umgekehrt rechtfertigen viele Gegner:innen ihre "Meinungsfreiheit", wenn sie die Wirksamkeit der Impfungen, die Wahrhaftigkeit medialer Berichterstattung oder den Hergang der Pandemie anzweifeln; doch auch Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen. Um genau zu sein genau dort, wo sie bewusst Lügen oder Fake News verbreitet - in einem Artikel von Mitte 2020 sehr verständlich erläutert von der Bundeszentrale für politische Bildung. Die einzige Logik, die das Handeln und Kommunizieren in den Kommentarspalten in "Social Media" eint, ist die durch den kognitiven Bestätigungsfehler (confirmation bias) befeuerte rekursive Beweisführung - wer oder was anderer Meinung ist, ist offensichtlich ein:e Gegner:in. Das ist keine Polemik, sondern sorgsam beobachtete Alltagspraxis.

Wechseln wir mal die Perspektive.

Infolge der Shutdowns wurden einerseits viele Existenzen bedroht oder mussten aufgeben. Auf der anderen Seite hat die Bundesregierung 57 Milliarden Euro an Zuschüssen ausgezahlt, um genau dies zu verhindern, Kredite wurden in Höhe von 109 Milliarden Euro vergeben (Stand November 2021). Vor allem kleine und mittlere Unternehmen wurden in der "Überbrückungshilfe III" berücksichtigt und gerettet, wovon auch ich profitiert habe. Wer hier noch von einer Diktatur spricht, ist ein Fall für die geschlossene Abteilung oder sollte vielleicht mal ein längeres Praktikum in Belarus machen.

Wir leben im Schlaraffenland und keiner merkt's.

Doch Empörung über diejenigen, die leider durch das Raster fallen oder tragischerweise mit den Antragsformularen überfordert sind, verbreitet sich erheblich effizienter als Erfolgsmeldungen über gerettete Existenzen und Rekordkurzarbeitergeldsummen. Wenn ich mir die Diskussionen bei Facebook, Instagram, Tiktok und Linkedin ansehe, wird mir immer übler. Mein Ansatz ist es immer, die Beweggründe von Skeptiker:innen und Gegner:innen besser zu verstehen; manchmal muss ich mich sehr beherrschen, nicht zynisch zu werden. Oft klappt es aber ganz gut und auf respektvolles Zuhören folgen ehrliche Auseinandersetzungen. Es wäre ja auch zu einfach davon auszugehen, dass eine scheinbar einfache Lösung einfach so von 100% der Bevölkerung angenommen wird. Was oft fehlt, ist gewaltfreie, respektvolle und offene Kommunikation über die Bedürfnisse der Menschen. Vielleicht klappt's ja mit dem neuen Gesundheitsminister, der sich allerdings gerade bei skeptischen Menschen nicht gerade hoher Beliebtheit erfreut.

Wie geht's weiter?

Die Wahrscheinlichkeit für weitere Covid-Varianten ist relativ hoch. Auf Delta und Omikron werden global sicherlich noch einige weitere folgen, viele davon werden es nicht um die Welt schaffen und milder sein als die bisherigen. Im globalen Norden ist inzwischen ein großer Teil der Bevölkerung besser dagegen geschützt, vor allem dank der Impfungen inklusive Booster. Mein Mix besteht übrigens aus AstraZeneca, BionTech und Moderna, da ich von Beginn an auf Kreuzimpfungen gesetzt habe. Der globale Süden wiederum wartet noch auf Impfungen, wodurch das Virus weiter mutieren kann. Bedeutet: Die Fortschreibung des wirtschaftlichen Kolonialismus ist eine medizinische Notlage in zahlreichen Staaten in Afrika, Südamerika und Teilen Asiens. Während viele Menschen keinen Zugang zu vernünftiger Medizin haben, lehnen viele Deutsche die Impfung ab - diese Wohlstandsverwahrlosung widert mich an. Entsprechend unterstütze ich harte Maßnahmen gegen Menschen, die andere Menschen und damit die Gesellschaft auf egoistische Weise immer wieder bei Versammlungen in Gefahr bringen, die Falschmeldungen verbreiten und respektlos (besonders in "Social" Media) gegen alles hetzen, was nicht ihrer Meinung ist. Solidarität war nie wichtiger, doch die haben viele leider verlernt. Dank der Unentschlossenheit oder auch bewussten Opposition gegen Wissenschaft stecken wir noch viele Monate in der Pandemie, die auch im nächsten Winter Maßnahmen notwendig machen dürfte mit der Folge, dass die sich weiter radikalisierenden Covidioten auch mal zu schwererem Geschütz greifen werden. Der große Knall kommt noch und wie es sich für einen Rechtsstaat gehört, warten wir selbstverständlich ab, bis es eine Katastrophe gibt.

Das bringt mich zum nächsten Punkt.

Ampel-Regierung 2022

Die Deutschen haben gewählt und dabei kam erstmals eine Dreier-Koalition als Bundesregierung heraus (wenn man die CSU nicht als eigenständige Partei begreift, was sie ja auch nicht ist). Die sogenannte Ampel-Regierung aus Sozialdemokraten (SPD), Grünen und Freidemokraten (FDP) hat sich relativ schnell nach der Bundestagswahl gefunden und nach kurzen Sondierungsgesprächen und gar nicht mal übermäßig zähen Koalitionsverhandlungen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Anfang Dezember wurde Olaf Scholz als neuer Bundeskanzler gewählt und der Rest des Kabinetts kann anderswo besser nachgelesen werden. Natürlich habe ich darüber auch in meinem Podcast "Im Hier und Morgen" berichtet. Was wichtig ist: Nach 16 Jahren konservativ geführter Politik freue ich mich unabhängig von der politischen Färbung auf eine progressive Regierung - wir brauchen mehr Veränderung. Denn was die Merkel-Ära auszeichnet, ist einerseits eine herzlichere und gar nicht mal so CDU-typische Kanzlerschaft des "wir schaffen das". Andererseits hat die Politik der kleinen Schritte ehrlicherweise vor allem verwaltet, statt zu gestalten; am Vergangenen festgehalten, statt sich Neuem zu öffnen; die Wogen im Äußeren geglättet, statt eigene Werte zu vertreten. Besonders in der Energie-, Sozial- und Wirtschaftspolitik hat sie bestehende Ungerechtigkeiten und Anachronismen verhärtet, statt sie aufzulösen.

Die Ampel-Regierung versteht sich im Kontrast zur CDU-Ära als Koalition des Aufbruchs. Viele auch strittige Punkte zwischen den einzelnen Parteien wurden erstaunlich schnell und konstruktiv gelöst; das könnte daran liegen, dass die FDP einfach mal wieder mitregieren wollte und somit viele Aspekte abgenickt hat. Was viele erstaunt hat, ist der scheinbare Triumpf der Freidemokraten, die Leitung des Verkehrsministeriums erlangt zu haben; für mich ein kluger Schachzug der Grünen, die ja wissen, dass Verkehr zwar in der Außenwahrnehmung ein wichtiges Ökothema ist, in Wirklichkeit aber Industrie und Ernährung die Hauptemissionsursachen sind. Meine Highlights sind der deutliche Anstieg des Mindestlohns, Bürokratieabbau in der Verwaltung, Neuordnung der Subventionspolitik insbesondere im Landwirtschaftssektor, Kohleausstieg bis 2030 und verpflichtende energetische Gebäudesanierung zum selben Datum. Selbstständigkeit soll stärker gefördert werden, Bildung stärker unabhängig vom sozialen Hintergrund und vor allem digitaler, Renten steigen und vieles mehr. Wenn die kommenden vier Jahre vernünftig genutzt werden sollen, dürfte schon in 2022 vieles auf den Weg gebracht werden. Ich bin gespannt, wie sich die Union positionieren wird, wie häufig Abstimmungen gemeinsam mit der AfD oder der Linken geschehen müssen!

Die politische Landschaft muss sich auf neue Gegebenheiten einstellen. Manche erwarten sogar das Aufbrechen der klassischen links-rechts-grün-Dimension, zumal über 40 zugelassene Parteien andere und teils nur partikulare Interessen vertreten - aber nicht im Parlament vertreten sind. Das Wahlrecht könnte eine Reform vertragen. Vielleicht schiebt die Ampel ja auch ein solches Vorhaben an? Wir werden sehen. Klar ist, dass die Welt komplexer und schneller geworden ist, seit die Bundesrepublik gegründet wurde. Das ist erstmal weder gut noch schlecht, jedoch muss man darauf reagieren, wahre Resilienz üben, Zukünftebildung (Futures Literacy) vorantreiben und Reibungen aushalten.

High-Tech-Trends in 2022

Kryptowährungen wie der Bitcoin , Ethereum und andere "Altcoins" werden weiter im Wert zunehmen. Das war seit deren Erfindung Ende der 2000er Jahre bislang konstant so und doch beäugen viele diese Entwicklung eher skeptisch. Gegen Ende des Jahres 2022 werden sich dann wieder alle, die immer noch keine haben, ärgern. Aber dann ist ja wieder ein Jahr rum und man weiß ja nicht, ob es sich jetzt denn nun noch lohnt. Ich wäre da skeptisch, die größten Kursgewinne dürften im Laufe des Jahres 2022 zu verbuchen sein, doch wenn eine kritische Masse "in krypto macht", ist es vorbei und langweilig. Alle Jahre wieder halt. Ein benachbartes Thema sind die Non-Fungible Tokens (NFT), die weiterhin die Digitalwelt erobern. Wer mit dem Begriff NFTs noch nichts anfangen kann und trotzdem etwas digital unterwegs ist, sollte sich damit mal beschäftigen. Bei Medium gibt’s einen netten Artikel, wie NFTs Netflix und Amazon Prime angreifen könnten.

Das Web 3.0 und das Metaversum sind im Anmarsch, werden aber zurecht von einigen Tech-Pionieren als vollkommen überschätzt dargestellt. Ich denke aber schon, dass in den nächsten Monaten und Jahren immer mehr Menschen immer mehr Zeit in der virtuellen Zweitwelt verbringen könnten, dort Geschäfte treiben, Geld verdienen und ausgeben. Einige werden vielleicht ihre Wohnung überhaupt nicht mehr verlassen, soblad die VR-Headsets und Matrixsuits ihnen eine virtuelle Welt so gut vorkaugeln, dass sich das Aufstehen nicht mehr lohnt. Sie ernähren sich von Pulver oder direkt intravenös, sind im Prinzip wie Palliativpatienten gut umsorgt und doch abwesend. Auf der anderen Seite der Skala dezentralisiert sich die Plattformökonomie der letzten Jahre zunehmend. Direkterer Tauschhandel, freiere Informationsströme, demokratischere Strukturen schaffen so den Sprung aus der Schmuddelecke im Deep und Dark Web. Wäre es nicht schön, wenn die Strafverfolgungsbehörden auch den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen und Cyber-Kriminalität endlich wirksam bekämpfen würden? Aber das bleibt 2022 unter Garantie noch ein Wunschtraum. Allerdings wäre es eine relevante Erwartung eines FDP-geführten Justizministeriums, die sich ja so digital und modern gibt?

Klar, künstliche Intelligenz ist weiter auf dem Vormarsch. Das ist nichts Neues, durchdringt aber endlich stärker auch die deutschsprachige Wirtschaft und Gesellschaft. Öffentliche Verwaltung natürlich noch nicht so sehr. Der oben erwähnte Band "Arbeitswelt und KI 2030" möchte genau das ändern und es gibt zahlreiche andere Aktivitäten (ja, auch staatliche), die den zögernden Organisationen helfen möchten. Dass man vor der Technologie, die ihren Namen völlig zu Unrecht trägt, keine Angst haben braucht, beschreibe ich zum Beispiel in dem Beitrag über "German Angst" gemeinsam mit Dr. Michaela Regneri, den wir auch in einer Podcast-Episode kommentiert haben. Die Transformation geschieht aus Vogelperspektive natürlich auch von selbst, doch ohne Starthilfe wird es zum größten Massensterben von Unternehmen führen. Es scheint unausweichlich, dass aufgrund fehlender Digitalisierung, antiquierter Unternehmensorganisation und schlechter Vorbereitung auf Demografie und Klimawandel ein nennenswerter Teil der Unternehmen die 2020er Jahre nicht überleben wird.

Da haben wir noch nicht von Quantencomputern und deren Anwendungen gesprochen, immerhin hat die Fraunhofer-Gesellschaft ja nun Zugriff auf einen IBM-QC und die Bundesregierung fördert den Aufbau eines eigenen Geräts. Davon hat der Mittelstand in diesem Jahrzehnt zwar nichts mehr, doch einige Produkte und Lösungen werden zeitnah, vielleicht schon 2022, auf den Markt kommen, die nur noch auf Basis eines Quantencomputers errechnet, ver- oder entschlüsselt werden können. Noch weniger anwendungsnah klingt die Entwicklung der Xenobots, also Roboter mit lebendigen Zellen, die beispielsweise auf die Reinigung der Ozeane oder Entschlackung der menschlichen Blutbahnen programmiert werden können und dann "sterben".

Die aktuelle medizinische Revolution ist im Labor weitgehend abgeschlossen und wir profitieren ja schon in hohem Maße von den Vorzügen künstlicher Intelligenz und neuartiger Gentechnologie. So schnell hat es eine Innovation noch nie von der Forschung in die Praxis geschafft, aber irgendetwas Gutes muss Covid19 ja auch haben. Nächstes Jahr werden wir immer mehr Anwendungen auch in der Breite sehen, darunter vielleicht neue Individualtherapien für schwere Krebsfälle oder Diabetes; bessere Früherkennung von schweren Krankheiten in besonderen Arztpraxen und Kliniken; personalisierte Arzneimittel aus neuen Apotheken. Das muss natürlich auch erlaubt sein, ich frage meine Krankenkassen ja regelmäßig, wann sie mir auf Grundlage meiner Genomsequenzierungen individuelle Angebote macht - dauert nocht...

Im Energiesektor bahnt sich seit Längerem eine Renaissance der Kernkraft an. Einerseits sollen die Kraftwerde sehr viel kleiner sein, andererseits nicht nur auf Kernspaltung, sondern Kernfusion basieren. Als ich in der siebten Klasse einen Vortrag darüber hielt, tadelte mich mein Physiklehrer Herr Kruse, dass die Idee zwar nett klinge, aber für immer eine Vision bleibe. Hoffentlich kann ich mich nächstes Jahr bei ihm melden und widerlegen, denn vieles deutet darauf hin, dass 2021 die wichtigsten Durchbrüche erzielt wurden, um ein Plasma zu stabilisieren und in wenigen Jahren tatsächlich ähnlich wie in der Sonne nahezu endlos viel Energie zu erzeugen. Seit Google sich mit Bill Gates zusammengetan hat und viele Milliarden US-Dollar in die Technologie investiert, sehe ich alle Anzeichen auf eine Revolution der Energiebranche. Politisch heikel, technologisch aber vielleicht derdie letzte Bedingung für eine neue Stufe der Zivilisation.

Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Unter High-Tech oder Bleeding-Edge-Tech versteht jede:r etwas anderes. Vielleicht kommen hier fehlende Themen ja auch mal in meinem Podcast oder Newsletter; ich bin ja auch immer offen für Anfragen und Diskussionen.

Mein privater Rückblick auf 2021: Auf und Ab!

Für viele war 2021 ein Jahr der Turbulenzen, so auch für mich. Es begann mit einigen guten Vorsätzen, unter anderem wollte ich mich ernsthaft auf den großen Hamburg Triathlon - immerhin der größte seiner Art weltweit - vorbereiten. Also ging ich Anfang Januar noch häufiger als sonst joggen, was in einer recht winterlich-vermatschten Umgebung natürlich riskant ist. Und so dauerte es nicht lang, bis ich mir beim Training im Park beide Knie verletzte. Genauer gesagt, waren beide Menisken angerissen. Aua. Da aber zu der Zeit dank der Corona-Shutdowns ohnehin nicht viele Reisen angesetzt waren, konnte ich mich ganz gut zuhause kurieren.

Im Frühjahr entspannten sich die Covid-Inzidenzen wieder, was mir auch wieder mehr Reisetätigkeit bescherte. So war ich bei tollen Kunden unterwegs, sprach öfter als sonst über Resilienz und habe unter anderem der Filmindustrie vorgerechnet, wann schauspielerfreie Filmproduktionen machbar sein werden. Dabei kam mir auch eine eigene Idee für eine Science-Fiction-Produktion, welche seitdem verfolgt wird - ist aber noch nicht spruchreif.

Nach ein paar Wochen Schonung und neuen Einlagen in den Schuhen habe ich mich dann auf das Fahrrad- und bald auch Schwimmtraining konzentriert. Schwimmen lief in der Leipziger Seenlandschaft problemlos, doch der nächste große Rückschlag geschah im Juli beim Radeln. Ich war gerade im meinem RedBull-Rennrad (R.I.P.) rund um Leipzig unterwegs und fuhr wieder von Westen über Plagwitz in die Stadt, eine vertraute Strecke. Das dachte sich wohl auch eine Autofahrerin, die beim Abbiegen nicht so genau hinsah und mich beim Anfahren vom Sattel riss. Ich war einige Minuten bewusstlos und als ich wieder zu mir kam, war mein erster Reflex, meine Hände und Füße zu bewegen - erfolgreich! Erleichterung! Alles andere war erstmal sekundär. Alles andere war: Schlüsselbeinbruch, mehrere Rippenprellungen, Hämatome und Platzwunden, ein abgebrochener Zahn, ein eingerissenes Ohr und natürlich ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma. Und natürlich die Tatsache, dass der Traum vom Triathlon aus war. Zwei Wochen später wurde ich dann entgegen einer Ersteinschätzung doch operiert und bekam eine Titanplatte in die Schulter implantiert, die dort nun für zwei Jahre wohnen wird. Ziemlich unangenehm alles, aber hey: es hätte schlimmer kommen können.

Am 31. Juli war dann noch eine ganz besondere Frist: Die Abgabe des Manuskripts für den Band "Arbeitswelt und KI 2030", den ich gemeinsam mit Inka Knappertsbusch bei Springer herausgebe. Inzwischen ist das Buch, das 41 Beiträge von 78 renommierten Expert:innen aus Forschung und Wirtschaft enthält, auch verfügbar und kann beispielsweise bei Amazon oder Buch7 oder Springer direkt bestellt werden. Aber zurück zum Thema: meinen eigenen Beitrag für den Band sowie die letzten Korrekturen habe ich in einem Krankenhausbett im Leipziger Uniklinikum unter recht starken Schmerzen finalisiert - wenn das mal kein Einsatz mit Herzblut ist! Aber so ist das Leben der Selbstständigen eben. Wenn es eine Frist gibt, wird die auch ernst genommen!

Zwei Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus stand dann wiederum ein lebensveränderndes Ereignis an: Am 13. August habe ich die Liebe meines Lebens geheiratet! Unser Standesamt kennen einige vielleicht aus dem Fernsehen, da dort die meisten Episoden von "Hochzeit auf den ersten Blick" ihr Finale erlebten. Wir kannten uns aber schon ein bisschen länger... Einen Tag danach konnten wir dann sogar mit all unseren Freunden und Verwandten in tollen Leipziger Locations feiern (>90% geimpft, alle getestet). Zwei Tage pure Glücksgefühle, auch wenn der Hochzeitstanz und die vielen Umarmungen der Wundheilung meiner Schulter nicht unbedingt zuträglich waren.

Schließlich endete das Jahr mit einer traurigen Wendung. Mein Vater ist Anfang September im Alter von 87 Jahren zum letzten Mal eingeschlafen. Wer mir schon länger folgt, weiß, dass ich ihn immer genannt habe, wenn es um die Frage ging, wie ich zur Zukunftsforschung gekommen bin. Wir hatten ein sehr gutes Vater-Sohn-Verhältnis und er hat mich auch in den letzten Jahren immer noch geprägt. In einem Buch namens "Papa, erzähl mal", das ich ihm zum 80. Geburtstag geschenkt und mir ausgefüllt zurückgewünscht hatte, schrieb er:

Sein Leben war für einen Jahrgang 1934 äußerst abwechslungsreich und in der ersten Hälfte auch reiseintensiv. In der zweiten kamen dann Selbstständigkeit und mein Bruder und ich dazu sowie schließlich eine ruhige Rentenzeit. Sein Abschied kam nicht vollkommen unerwartet, ging jedoch insgesamt relativ schnell; besonders dankbar bin ich dafür, dass er sich noch von seinem engsten Kreis verabschieden konnte, bevor wir seine Asche in einem Friedwald in der Nähe meiner Geburtsstadt Itzehoe beisetzen konnten.

Fazit: Alles anders, alles gleich

Auch das neue Jahr 2022 wird sich vor allem dadurch auszeichnen, dass vieles anders wird als erwartet. Als Zukunftsforscher kenne ich natürlich viele Entwicklungspfade, sonst bräuchte es ja keine Zukunftsforschung und Foresight. Als ursprünglicher Soziologe und Politik-/Verwaltungswissenschafler habe ich jedoch auch immer die Gesellschaft im Ganzen im Blick und stelle immer wieder fest, wie groß die Entfernung der Pioniere zu der stillen Masse ist. Es sollte nicht jede:r potenziell Raketenwissenschaftler:in werden können, doch ein Verständnis der wesentlichen Grundlagen der moderenen Gesellschaft wäre wichtig. Nur so begreifen Menschen Komplexität und Unplanbarkeit, nur so können sie echte von falschen Informationen unterscheiden, nur so ein zufriedenes und mündiges Leben führen. I have a dream...

Was sich ändert: Es stehen einige technologische Durchbrüche vor dem Beginn ihrer Kommerzialisierung; einige habe ich oben genannt. Worauf ich besonders gespannt bin, ist die Regionalisierung von Wertschöpfungsketten insbesondere in der Energiespeicher-/Batterieindustrie. Möglicherweise gelingt es Neuralink erstmals, Hirnimplantate für Menschen zum Einsatz zu bringen und einfache Gedanken an eine Maschine zu übertragen - der Startschuss für eine Wikipedia auf Gedankenabruf und damit die nächste Stufe des Transhumanismus. Es stehen fünf Landtagswahlen an: im (noch) Groko-Saarland, in (noch) Jamaika-Schleswig-Holstein, in (noch) schwarz-gelb-NRW und (noch) Groko-Niedersachsen. Wenn der Green New Deal ernsthaft umgesetzt wird, werden das Verbraucher:innen und Unternehmen deutlich zu spüren bekommen, nicht zuletzt durch die bereits begonnenen Umwälzungen an den internationalen Finanzmärkten in Richtung post-fossil. Dieser Drahtseilakt wird freilich nicht ohne Turbulenzen ablaufen, stellen Sie sich schon mal auf einen bunten Blumenstrauß von Wild Cards ein.

Was gleich bleibt: Wir leben in einer stabilen Demokratie, können uns auf die wesentlichen Pfeiler der Gesellschaft verlassen. Es droht weder der Zusammenbruch des Parlaments nach Weimarer Vorbild noch eine furchtbare Revolution der Querdenker. Die Preise steigen in fast allen Konsumbereichen und auf dem Weltmarkt, möglicherweise platzt die Immobilienblase nächstes Jahr, und klar, die Weltmächte sortieren sich gerade neu. Der Digitalisierungsschub durch die Pandemie wird anhalten und Automatisierung auch in akademische Berufe vordringen; es bleibt uns auch nichts anders übrig, da wir zu wenig Fachkräfte haben. Die Schwerkraft bleibt uns erhalten, die Klimakrise spitzt sich weiter zu und wir werden nicht müde, auf Risiken und Chancen hinzuweisen.

Doch was auf jeden Fall bleibt: Ich werde berichten, kommentieren und optimistisch nach vorn schauen. Irgendwer muss den Job ja erledigen.

In diesem Sinne wünsche ich allen, die das hier gelesen haben, einen gesunden, erfolgreichen und glücklichen Start in ein aufregendes, weltoffenes neues Jahr!

Disclaimer

Dieser Beitrag ist eine gekürzte und alternative, aber verwandte Fassung des Linkedin-Artikels "2021/2022: Rück- und Ausblick vom Zukunftsforscher" und erscheint in ähnlicher Form als Episode am 30. Dezember 2021 in meinem Podcast "Im Hier und Morgen".

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10/2021: 2050: Eine Reise in die Zukunft - Keynote von Kai Gondlach (KGSt®-FORUM)

Anfang Oktober war ich für eine Keynote in Bonn - eingeladen hat mich die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) zum beim KGSt®-FORUM 2021 mit Rekordbeteiligung von 3700 Teilnehmenden!

Die beim KGSt®ist ein von Städten, Gemeinden und Landkreisen gemeinsam getragener Fachverband für kommunales Management, bezeichnet sich selbst als kommunalen Fachverband für Managementthemen. Die Themen der Keynote orientieren sich entsprechend an den Bedarfen des Kommunalmanagements, also von Städten und Gemeinden. Ich hatte großen Spaß, nicht zuletzt mal wieder vor einer solchen Menge von Menschen sprechen zu dürfen! Aber auch im Vorgespräch mit den Veranstalter:innen, Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner, Verwaltungsratsvorsitzendem Prof. Dr. Hans-Günter Henneke und dem Moderator Bill Mockridge.

https://youtu.be/v_l7z2XXYjg

Urheberrechte liegen bei den in der Präsentation angegebenen Rechteinhabern. Die Musik im Intro und Outro ist lizensiert via https://www.fesliyanstudios.com/license/?id=36a846a2-bd94-41f9-a067-ec043d94ed93


Podcast Im Hier und Morgen - Szenarien

#03.06 Szenario: Der Wahlabend im Bundestagsspecial Im Hier und Morgen

Stell dir vor, es ist schon der 26.09.2021 - der Tag der Bundestagswahl - und die ersten Hochrechnungen liegen bereits vor. Wer hat die Wahl gewonnen, welche Koalitionen sind wahrscheinlich? Was haben meine Gäste der letzten vier Episoden dazu gesagt? Wenige Tage vor der Wahl ist das Rennen noch immer spannend. Daher ganz kurz und knackig eine Zusammenfassung der Erkenntnisse und ein kurzer Ausblick.

Fun Fact: Diese Episode habe ich am 10.09.2021 aufgezeichnet, da ich zum Sendestart im Urlaub bin. Hoffentlich hat sich in der Zwischenzeit nicht allzu viel geändert ;-)

Die DIW-Studie zur Klimaneutralität der Parteien.

Die Linkedin-Profile meiner vier Gäste der zurückliegenden Folgen:
Ingmar Mundt, Techniksoziologie in Episode #032
Thomas Kastell, Agile Coach in Episode #033
Heiko Kretschmer, Politikberater in Episode #034
Alu Kitzerow, Familienexpertin in Episode #035

Und die dazugehörigen Episoden hier im Podcast kann ich natürlich nur ans Herz legen!

Der Themenüberblick:

00:00:00 DIE Wahl der Multikrisen und Extremparteien: Corona, Afghanistan, Klimakrise, Digitalisierung - Unzufriedenheit.

00:04:03 Szenario am 26.09.2021, 18:30 Uhr - die ersten Hochrechnungen liegen vor!

00:06:05 Prognosen können auch daneben liegen!

00:07:51 Sonderierungs- und Koalitionsverhandlungen ab dem 27.09.2021 - unter Leitung von Olaf Scholz

00:09:31 R2G (SPD-Linke-GRÜNE)?

00:13:16 Ampel (SPD-FDP-GRÜNE)?

00:14:48 Jamaika / schwarze Ampel / Schwampel (Union-FDP-GRÜNE)?

00:15:56 Ganz andere Koalition?

00:17:07 Transparenzhinweis

00:17:45 Outro: Der Countdown läuft!

Teaser

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Wir sprachen am 6. September, diese Episode wird erstveröffentlicht am 9. September.

Heikos Foto: (c) LotteOstermann


Foto: Katja Hentschel

#03.05 Alu Kitzerow im Bundestagsspecial: "Das kleinere Übel" Im Hier und Morgen

Alu (Anne-Luise) Kitzerow ist Familien- und Eltern-Bloggerin, Autorin und dreifache Mutter. Wir unterhielten uns mit Blick auf die Bundestagswahl über die dringenden Probleme der Familien in Deutschland, warum nur wenige Parteien ernsthaft Lösungen anbieten und natürlich, wen man als Familie eigentlich wählen kann.

Alu ist gelernte Buchhändlerin, diplomierte Kulturwissenschaftlerin und hat - wie ich - den Masterstudiengang Zukunftsforschung absolviert. Außerdem arbeitete sie viele Jahre im Bundesministerium für Arbeit und Soziales und kennt die Tücken der Ministerialbürokratie wie keine andere.

Alu bei Twitter: https://twitter.com/aluberlin
Ihr Blog "Große Köpfe": https://www.grossekoepfe.de
Ihr Podcast "kinderbuchtheke": https://www.podcast.de/podcast/647535/kinderbuchtheke
"Blog Familia", das angesprochene Elternbloggernetzwerk: https://blogfamilia.de/
Zukunftsforscherin.de findest du auch ohne URL - oder hier im Podcast mit Katja

Wahltraut, der diverse Wahl-o-Mat: https://wahltraut.de/matowahl
Progresso-Maschine, das progressive Wahltool: https://www.progressomaschine.org/
Enkelkinderbriefe: https://www.enkelkinderbriefe.de/

Alu Kitzerow wurde 1982 in Berlin geboren. Nach einer Lehre zur Buchhändlerin und einem Studium der Kulturarbeit begann sie im Internet aktiv zu werden und schrieb unter anderem für ihr Blog www.grossekoepfe.de, Edition F, Brigitte MOM uvm. Sie gründete den Verein Blogfamilia e.V., der sich für politische Belange von Familien in Deutschland einsetzte und ist die Organisatorin der größten Elternbloggerkonferenz im DACH Raum. Seit ihrem Masterabschluss in Zukunftsforschung widmet sie sich verstärkt den Themen der Sichtbarkeit von Frauen und Familien und ist eine der Gründerinnen von www.zukunftsforscherin.de. Mit ihren drei Kindern und ihrem Mann lebt sie am Berliner Stadtrand und schreibt in ihrer Freizeit Bücher.

Foto: Katja Hentschel.

Der Themenüberblick:

00:00:00 Intro
00:01:11 Alu Kitzerow stellt sich und ihre Projekte vor
00:03:01 Wie geht es Familien und Eltern in der Coronapandemie?
00:05:13 Wie gehen die Parteien bei der Bundestagswahl mit den Familienproblemen um?
00:08:45 Wie gelingt intergenerationales Wählen - und die Erziehung zu mündigen Menschen?
00:15:56 UN-Kinderrechtskonvention: Warum?
00:18:28 Warum werden Kinderrechte nicht in der Politik vertreten?
00:20:08 Alternativen zum Wahl-O-Mat für Familien
00:22:52 Was ist "Care-Arbeit"? Zwei Stimmen für Frauen!
00:25:16 Die große Werte-Transformation - aber wen wählen Familen denn dann?
00:28:26 Mehr Eltern in die Politik! Oder Digitalisierung?
00:30:22 Was ist deine dringenste Bitte an die/den zukünftige Bundeskanzler:in?

Teaser

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Wir sprachen am 7. September, diese Episode wird erstveröffentlicht am 16. September.

Heikos Foto: (c) Katja Hentschel


©LotteOstermann

#03.04 Renommierter Politikberater Heiko Kretschmer im Bundestagsspecial Im Hier und Morgen

Heiko Kretschmer ist Geschäftsführer der Berliner Beratungsfirma Johannsen + Kretschmer (J+K) und seit vielen Jahren erfolgreicher Politik- und CSR-Berater. Außerdem setzt er sich seit vielen Jahren für mehr Transparenz in der Politik sowie faire Kommunikation in der PR ein. Seine kürzliche Analyse zum künftigen Bundestag schlug Wellen in allen Medien, denn sie titelte: "Armin Laschet verpasst Einzug in den Bundestag". Meine berufliche Karriere begann übrigens als Praktikant und Werkstudent von Heiko!

Was Heiko außerdem von der Bundestagswahl erwartet, wer gute Chancen aufs Kanzleramt hat und vieles mehr diskutierten wir in dieser Episode "Im Hier und Morgen".

Heikos Linkedin-Profil: https://www.linkedin.com/in/heiko-kretschmer-7b30829/
Die Website von J+K: https://www.jk-kom.de/startseite/aktuelles/
Transparenzhinweis: J+K berät zwar unterschiedliche demokratische Parteien, Heiko selbst ist in Gegenwart und Vergangenheit in einigen SPD(-nahen) Positionen tätig (gewesen).

Der Themenüberblick:

00:00:00 Intro

00:02:00 Heiko Kretschmer stellt sich vor

00:02:33 Die jüngste Analyse von J+K über die wahrscheinlichen Bundestagsmandate - der größte Bundestag aller Zeiten!

00:06:55 Ist ein größerer Bundestag besser oder schlechter?

00:09:25 Kommen mehr Parteien neu ins Parlament? Was wird aus den "Volksparteien"?

00:19:45 Laschet schafft's nicht in den Bundestag! Warum?

00:23:22 Wie weiblich wird der neue Bundestag?

00:27:29 Wer gewinnt die Wahl - und welche Regierungskoalition folgt daraus?

00:31:16 Warum ist rot-rot-grün so unwahrscheinlich?

00:37:48 Angela Merkel könnte Helmut Kohl als amtslängster Kanzler:in ablösen!

00:41:56 Wählen gehen und am 26.09. abends weiterspekulieren - oder doch erst am Montag? [Briefwahl]

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Wir sprachen am 6. September, diese Episode wird erstveröffentlicht am 9. September.

Heikos Foto: (c) LotteOstermann


#03.03 Agile Coach über die Wahlen: Thomas Kastell im Bundestagsspecial Im Hier und Morgen

Thomas Kastell ist Agile Coach und berät Organisationen darin, sich effizienter und angemessen an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu organisieren. In der ersten Hälfte geht's genau darum - und in der zweiten übertragen wir diese Erkenntnisse aufs politische System der Bundesrepublik Deutschland.

Thomas ist außerdem studierter Politikwissenschaftler, digitaler Nomade mit unterschiedlichen, internationalen Stationen und ehemaliger Kollege von mir aus der Zeit bei 2b AHEAD in Leipzig. Wir unterhielten uns in meinem Wohnzimmer bei einem Gläschen Wein.

Der Themenüberblick:

00:00:00 Intro: Thomas Kastell im Bundestagswahlspecial "Im Hier und Morgen"

00:01:21 Thomas Kastell: Agile Coach, der Unternehmen demokratisiert und die Systemebene berücksichtigt

00:12:23 Was unterscheidet dauerhaft von einmalig innovativen Unternehmen? VW vs. Apple - das Prinzip der Planung ist Vergangenheit

00:20:07 60-100% Gewinnsteigerung durch Agilität - trotzdem sind 99% der Unternehmen konventionell organisiert; 99% der Menschen kennen nichts anderes. Wie kann das sein!?

00:24:31 Call to action: Was müssen interessierte Unternehmer:innen jetzt tun, um agil zu werden? Spoiler: Menschen haben keinen Widerstand gegen Veränderung!

00:28:16 Was hält der Experte vom Buzzword "Purpose" (Sinn)? Das Menschenbild der Geschäftsleitung ist falsch!

00:35:04 In 5-6 Monaten zur agilen Organisation - wenn der Wille da ist. Und wie funktioniert das?

00:48:15 Das erste Glas Wein wird eingeschenkt.

00:53:19 Agilität übertragen auf das politische und administrative System der Bundesrepublik Deutschland

00:58:35 Repräsentativität vs. Basisdemokratie - Facebook killed the election star

01:01:51 Bildungssystem: Lehrpläne und Noten sind sinnlos

01:08:42 Das Rezept gegen Querdenker, Corona- oder Klimawandelleugner ist nicht: Fakten!

01:16:20 Corona, West- und Ostdeutschland - gibt es einen Zusammenhang zwischen deutscher Teilung und AfD- oder Coronaleugner-Sympathie?

01:23:06 Resilienz: Was können wir aus der Biologie lernen?!

01:31:34 Zielgerade! Wer gewinnt die Bundestagswahl?

01:35:17 … das zweite Glas Wein passend zu Joe Biden …

01:35:57 Der Tipp!

01:39:35 Es war noch nie so ungewiss! Oder war das in den 1950er Jahren schon mal ähnlich?

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Das Gespräch haben wir am 31. August 2021 geführt.


Bill Gates: Wie wir die Klimakatastrophe verhindern (Rezension)

Bill Gates ist ein polarisierender Mensch. Er ist ...

  • einer der Gründer von Microsoft, einem der nach wie vor erfolgreichsten und wertvollsten Technologieunternehmen der Geschichte.
  • der Erfinder von Windows, einem der Gründe, dass fast jeder Mensch Zugang zu einem Personal Computer und dem Internet hat.
  • einer der reichsten Menschen aller Zeiten - als Folge der ersten zwei Punkte.
  • Philanthrop und als Mitgründer der Melinda und Bill Gates Foundation einer der größten Geldgeber für karitative Projekte, die zum Aussterben einiger schlimmer Krankheiten besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern beigetagen haben.
  • Technologie-Junkie, der für jedes Problem der Menschheit mindestens eine technologiebasierte Lösung kennt.
  • einer der wenigen Businessmenschen, die keinen Hehl daraus machen, sich in die Politik einzumischen; seit vielen Jahren gehört er zum Inventar globaler Veranstaltungen - bei der Münchener Sicherheitskonferenz am 19. Februar 2021 war er der einzige Nichtpolitiker auf der Agenda.
  • Ziel diverser Verschwörungstheorien, die sich in ihrer Absurdität gegenseitig übertrumpfen, wohl als Folge aller obigen Punkte.

All das weiß Bill. Nun hat er mit "Wie wir die Klimakatastrophe verhindern" (original: "How To Avoid a Climate Disaster") einen Ratgeber vorgelegt, der wohl die Bestsellerlisten stürmen wird. Veröffentlicht am 16. Februar reicht ein Blick in die Bewertungen auf beliebigen Portalen, um ein Gefühl für die Polarisierung dieser Person und natürlich auch des Buchs selbst zu bekommen. Deshalb habe ich mir das Buch sofort bei Veröffentlichung bestellt, gelesen und diese Rezension verfasst. Wer das Buch selbst noch lesen möchte, sollte die Inhaltsübersicht überspringen.

Update: Dank mehrfacher Rückfrage habe ich auch eine Podcast-Episode mit ausführlicherer Kritik und persönlicher Note dazu aufgenommen.

Tenor: Die Welt geht unter, aber ...

Bill Gates ist bekannt als sympathischer, superreicher Nerd, der sich sowohl verständnisvoll und geduldig als auch wahnsinnig klug inszeniert. Es wundert daher nicht, dass auch sein neuestes Buch rhetorisch brilliant formuliert und komponiert ist. Der Aufhänger dafür ist schnell umrissen:

  1. Die Welt geht unter: Das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen ist so gut wie verloren. Wenn wir nichts tun, werden die Folgen für alle Menschen auf der Welt verheerend sein - für die Ärmsten der Armen natürlich zuerst.
  2. Das Ziel ist zwar einigermaßen klar, aber die Pläne zur Erreichung nicht. Und es gibt (oft nachvollziehbare) nationale oder regionale Interessen, die eine schnelle Umkehr zu einer "grünen" Strategie verhindern. Die Anreizsysteme müssen global angepasst werden.
  3. Viele Zusammenhänge des Klimawandels sind wissenschaftlich gut erforscht und doch noch nicht in letzter Konsequenz bei allen angekommen. Mit diesem Ratgeber möchte Bill Gates dieses Vakuum nutzen.

Die Hoffnung aus der Einleitung ist also im Wesentlichen: die Welt geht unter, aber wenn wir jetzt - und in den nächsten 30 Jahren - alles richtig machen, haben wir gute Chancen auf ein Leben in Wohlstand, Reichtum und endlos verfügbarer, sauberer Energie.

Inhaltsübersicht: Onkel Bill erklärt die Welt

Bill Gates hört man gern beim Reden zu, denn er erklärt die Welt immer so, als wäre eigentlich alles ganz einfach. Dabei nutzt er sehr einfache Sprache, erklärt Fachbegriffe unaufdringlich, sodass sich weder der Leser beschränkt vorkommt, der den Begriff vorher nicht kannte, noch diejenige genervt fühlt, die täglich damit operiert. Diese sprachliche Komponente darf man nicht unterschätzen; sie ist einer der Gründe, warum ich wie gesagt davon ausgehe, dass die Bestseller-Position schon gesichert ist.

Und es gibt ein weiteres "trotz": Gates stellt zwar viele Themen immer wieder in den globalen Kontext, nennt vereinzelt Beispiele aus Europa, Asien, Afrika, Lateinamerika und Ozeanien; im Wesentlichen geht es aber um die USA. Und die scheinen auch der Adressat des Sachbuchs zu sein, also die Landbevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika. Die, die den Klimawandel immer noch nicht ernst genug nehmen, immer noch mehr übertrieben schwere Fahrzeuge kaufen und billig betanken, mehr Fleisch konsumieren als der Rest der Welt zusammen und mit kruden Methoden billiges Erdöl und -gas verbrennen, als wäre das folgenlos für den Planeten.

In zwölf Kapiteln nimmt Onkel Bill die Leser:in also an die Hand und erzählt eine in sich sehr konsistente Geschichte davon, wie die Klimakrise verhindert werden kann, warum das überhaupt wichtig ist und welche Gesellschaftsbereiche zu welchem Grad zum Klimawandel beitragen - und welche Lösungen wir benötigen, um das zu stoppen. Hier die wichtigsten Aussagen aus den zwölf Kapiteln, im Anschluss die Bewertung:

  1. Wir müssen es bis 2050 schaffen, keine weiteren Treibhausgase zu emittieren bzw. mehr Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre entfernen, als wir hineinblasen.
  2. Das ist allein deshalb eine Mammut-Aufgabe, da der jährliche Energiebedarf bis dahin um mindestens 50% ansteigen wird und gleichzeitig die Nutzwerte erneuerbarer Energien leider - anders als bei Moore's Law - nicht exponenziell wachsen, und weil die Politik zu kurzfristig denkt.
  3. Für alle klimawandelintensiven Produkte und Prozesse gibt es mehr oder wenig gut zugängliche "Green Premiums", die oft so teuer oder unattraktiv sind, dass sie zu lange brauchen, um sich durchzusetzen (Beispiel Elektroautos oder Recycling-Baustoffe).
  4. Der Strombedarf allein wird sich bis 2050 verzwei- bis verdreifachen, insbesondere Schwellen- und Entwicklungsländer müssen dazu auf fossile Energieerzeugung zurückgreifen, da sie schlicht günstiger und effizienter sind; die einzige Option ist es daher, Kernkraft aus der Schmuddelecke zu holen und dezentrale, kleine, dafür aber moderne Kernkraftwerke zu bauen (die emittieren kaum CO2).
  5. Fast ein Drittel der Treibhausemissionen stammt aus der Produktion moderner "Dinge" wie Zement, Beton, Plastik, Glas, Aluminium oder Dünger; da durch die erwartete Wohlstandsentwicklung im Globalen Süden in den nächsten Jahrzehnten ein dauerhafter Bau-Boom erwartet wird, werden auch diese Bereiche stark wachsen und müssen a) mit "nachhaltigen" Energien versorgt werden und b) wiederverwertete oder aufgewertete Baustoffe mit einbeziehen.
  6. Rinder sind einer der größten Treiber des Klimawandels und stoßen allein gut 4% der globalen Treibhausgasemissionen aus (!), industrielle Tierhaltung ist aus diversen Gründen ökologischer und sozialer Irrsinn, weshalb alternative Lebensmittel und Landwirtschaftsformen gefördert werden müssen.
  7. Transport und Mobilität machen insgesamt nur 16% der globalen Treibhausgasemissionen aus, aber immerhin - alternative Kraftstoffe müssen so schnell wie möglich Benzin und Diesel ersetzen, aber besonders die großen Fahr-, Flug- und Schwimmzeuge könnte man auch mit kleinen Atom-Reaktoren bewegen.
  8. Wohnräume zu kühlen oder zu erwärmen wird angesichts des Klimawandels und der Wohlstandssteigerung des Globalen Südens immer mehr Emissionen produzieren, weshalb Klimaanlagen und Heizungen sehr schnell grüner werden müssen.
  9. Der Klimawandel trifft die Ärmsten am härtesten, nicht zuletzt weil diese oft in Regionen leben, in denen die Auswirkungen extremer Wetterereignisse sich am heftigsten zeigen; Trinkwasseraufbereitung und Küstenschutz sollten schnell mehr Menschen zugänglich gemacht werden, was wiederum auf lange Sicht sehr viel Geld spart.
  10. Politik und staatliche Anreize für Forschung und Entwicklung spielen eine zentrale Rolle auf dem Weg, damit der Markt in die richtige Richtung gelenkt wird.
  11. Bis 2030 werden wir die Emissionen nicht auf "null netto" bringen, nicht zuletzt wegen der Covid-19-Pandemie, die vieles ins Wanken gebracht und Prioritäten verschoben hat; staatliche Förderung in F&E muss verfünffacht werden, die Preise für CO2 müssen wirksam erhöht werden und Welthandel muss an Klimaeinhaltung gebunden sein.
  12. Jede:r von uns ist Konsument, politisches Individuum, Mitarbeiter und/oder Arbeitgeber; es gibt nicht die eine Antwort, aber wir können alle einen Beitrag leisten.

Klimawandel ist die Wurzel, aber...

... alles, was wir in der "modernen Zivilisation" machen, zahlt darauf ein. Nahezu alles um uns herum produziert nach heutigem Stand von der Produktion bis zur Entsorgung Emissionen und die Errungenschaften der letzten 200 Jahre basieren auf billiger, aber schmutziger Energie.

Ich hatte schon vor der Lektüre damit gerechnet, dass das Thema Kernenergie bzw. Atomkraft eine wesentliche Rolle in dem Buch spielen wird, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: die Treibhausgasemissionen zu senken, während der Energiebedarf der wachsenden Weltbevölkerung weiterhin steigt. Gates macht seine eigene Position sehr transparent, nicht zuletzt da man weiß, dass er die Forschung des Unternehmens TerraPower maßgeblich vorantreibt und finanziert. Ziel des Unternehmens ist es, kleinere Kernkraftwerke zu etablieren, die weniger Abfall erzeugen als herkömmliche Reaktoren und somit eine Zwischenlösung für die Übergangszeit in der Dekarbonisierung sein können. Dass das Thema insbesondere seit dem Reaktorunglück von Fukushima und anderen stark polarisiert, ist offensichtlich. Die Debatte ist emotional und trägt zumindest offiziellen Statistiken nur wenig Rechnung - so bleibt es je nach Betrachtung alternativlos, den Energiehunger der Menschheit zu sättigen. Wie mit dem radioaktiven Müll umgegangen werden soll, der zwar weniger als bei herkömmlichen Kraftwerken ausfällt, aber immer noch ein Problem darstellt, diskutiert der Autor leider nicht.

Fazit: Lesen!

In der Essenz liest sich Bill Gates' Buch einfach weg und wer sich schon einmal mit Klimawandel beschäftigt hat, wird viele bekannte Fakten wiederfinden. Den Vorwurf einiger Kritiken, Bill Gates würde in diesem Buch lediglich auf eine technologische Lösung der Klimakrise pochen, teile ich nicht: Alle Kapitel zeigen die Verstrickung technologischer Lösungen mit gesellschaftlichen Dynamiken und politischen Ansätzen. Das Buch zeigt meiner Meinung nach, dass wir eigentlich schon alles wissen und nur noch die Bereitschaft fehlt, auf globaler Ebene wirklich wirksame und verpflichtende Schritte zu verabschieden. Diese dürfen jedoch nicht bloß in Legislaturen gedacht werden, sondern müssen den Horizont deutlich erweitern; und da wird es knifflig. Insofern scheint der Subtext des Buchs auch zu schreien: Liebe FridaysForFuture, bleibt laut und unbequem, bis wirklich verbindlich gehandelt wird.

Kurz: Eine lesenswerte Lektüre.

Rezensierte Ausgabe: Bill Gates (2021): How to avoid a climate disaster, Penguin Random House, UK. 1. Auflage, ISBN: 978-0-24144830-4.
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