Neue Website online und allgemeines Update

Während der Sommer etwas stockend in Gang kam, waren wir entgegen der längeren Stille hier im Zlog nicht untätig. Im Gegenteil. Wie vielleicht der eine oder die andere schon gemerkt hat, sieht die Website seit Ende Juli anders aus. Wir haben den Relaunch bzw. Facelift einige Monate lang vorbereitet und gemeinsam mit der Speaker Agentur Athenas und den Kollegen in Dänemark umgesetzt. Keine leichte Geburt bei so vielen individuellen Funktionen und Inhalten. Einige davon haben die Überarbeitung nicht überlebt und wurden im besten Sinne in den Ruhestand befördert.

Uns interessiert nun brennend, was Sie und ihr davon halten/haltet. Funktioniert alles? Sind die Inhalte gut auffindbar? Gefallen die Videos? Fehlt etwas? Passt das neue Design gut zur Kernmarke? Wir freuen uns sehr über jede Form von Feedback, gern über das Kontaktformular.

Update von Kai Gondlach & PROFORE im Sommer 2024

Das Jahr begann turbulent und wie es sich für Turbulenzen gehört, wirken sie oft noch nach. Glücklicherweise haben sich einige strategische Entscheidungen in der Unternehmensführung der Kai Gondlach GmbH und der PROFORE Gesellschaft für Zukunft mbH als goldrichtig bzw. bis dato sehr erfolgreich erwiesen. Die Anwendung der Methoden der Zukunftsforschung aufs eigene Unternehmen hat sich wirklich gelohnt, wenn auch - wie es sich gehört - mit einigen Wachstumsschmerzen.

Die Anzahl der Presse- und Medienanfragen hat sich sehr positiv entwickelt, besonders von überregionalen Medien. Das bisherige Highlight des Jahres war natürlich mein Interview mit dem RTL Nachtjournal im Mai, von dem unfassbare 18 Minuten tatsächlich ausgestrahlt wurden. So viel Sendezeit für Zukunftsforschung in einem Top-Medium; ich weiß nicht, ob es das schon einmal gab. Die Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen im Berliner Studio hat darüber hinaus auch noch richtig Spaß gemacht, sodass ich mich schon auf zukünftige Sessions dieser Art freue!

Keynote-Update 2024

Die Keynote-Saison 2024 begann erst zögerlich, entwickelte sich dann aber rasch zur intensivsten seit 2019, dem Jahr vor Corona. Und das ist ein wahrer Grund zur Freude, denn das Jahresziel ist nun, da ich diesen Text schreibe, zu 98 Prozent erreicht und der Kalender im zweiten Halbjahr ist gut gefüllt. Vielen Dank an die vielen Menschen, die dies ermöglicht haben und weiterhin ermöglichen! Außerdem 1000 Dank an die zahlreichen Menschen, die ich im Zuge der bisherigen 23 Auftritte dieses Jahres kennenlernen durfte. Mein Highlight war eine Reise nach Oldenburg auf Einladung der dortigen Wirtschaftsförderung - dort traf ich auf ein großes, begeistertes Publikum, wertschätzende Kundengespräche und einen echten DeLorean wie im Film "Zurück in die Zukunft" (und meinem Imagefilm). Der Herbst wird aller Voraussicht nach sehr reiseintensiv und es gibt nur noch wenige Zeitfenster in meinem Kalender, zu denen ich neue Termine annehmen könnte. Einerseits eine schöne Situation, da ich dann in meinem Element bin, andererseits schade, wenn interessante Anfragen aus Kapazitätsgründen abgelehnt werden müssen. Aber heute ist nicht alle Tage, ich komm' wieder, keine Frage!

Buch-Update 2024

In der Zwischenzeit erschien mein erstes Sachbuch "KI jetzt!" Ende April, in dem ich gemeinsam mit dem KI-Experten Mark Brinkmann den Spagat probiert habe, sowohl die wichtigsten Begriffe und Konzepte (und natürlich Zukunftsbilder) von Künstlicher Intelligenz zu beschreiben, als auch konkrete Starthilfe für Führungskräfte in Organisationen zu geben, wie sie KI gewinnbringend implementieren können. Viele positive Rezensionen in diversen Medien lassen den vorsichtigen Schluss zu, dass dieser Spagat ganz gut funktioniert hat, was mich sehr glücklich macht. Immerhin entstand das Buch in kürzester Zeit und zwischendurch erschien der für mich wichtigste Protagonist auf der Bühne meines Lebens - mein Sohn, der inzwischen das erste Lebensjahr mit allen Höhen und Tiefen erfoglreich absolviert hat und unsere Leben durcheinanderwirbelt.

Noch ein wichtiges Buchprojekt wird demnächst veröffentlicht: Gemeinsam mit drei Co-Herausgebenden habe ich in den letzten zwei Jahren einen bislang einzigartigen Sammelband in drei Teilen vorbereitet, an dem über 200 Autor:innen mitgewirkt haben. Die Rede ist von "Regenerative Zukünfte und künstliche Intelligenz" in den drei Bänden PLANET, PEOPLE und PROFIT, welche im Springer VS Verlag und konkret der Sonderserie zu den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDG) erscheinen werden. Über 100 Beiträge aus dem großen Spektrum der Nachhaltigkeit auf allen Ebenen haben wir ausgewählt, gelesen, strukturiert und machen sie demnächst verfügbar für die interessierte Öffentlichkeit. Darin enthalten sind sowohl Problembeschreibungen als auch innovative Lösungsansätze, Konzepte und Utopien. Den Verkaufspreis haben wir auf 49,90 Euro reduzieren können, was für Fachbücher dieses Umfangs sehr günstig ist - dafür verzichten wir auf Tantiemen. Warum? Weil wir möchten, dass die wertvollen Inhalte eine möglichst große Zielgruppe erreichen! Zudem gibt es wohl kaum einen besseren Beweis für intrinsische Motivation, als ein solches Mammutprojekt pro bono zu stemmen. Umso dankbarer sind wir, wenn diese Botschaft bei möglichst vielen Gelegenheiten weitererzählt wird! Der erste und zweite Band erscheinen noch in diesem Jahr, PROFIT folgt dann Anfang 2025.

Derweil hat meine Co-Herausgeberin von "Arbeitswelt und KI 2030" (Springer Gabler), Dr. Inka Knappertsbusch, die zweite, erweiterte Auflage des Bestsellers (über 700.000 Zugriffe allein bei Springer!) maßgeblich vorangetrieben und organisiert. Ein paar Beiträge konnte ich auch lesen und korrigieren und kann schon jetzt sagen: Das Update wird noch besser als das Original und mit fast doppelt so vielen Beiträgen auch deutlich umfangreicher. Das Veröffentlichungsdatum steht noch nicht fest; bei Linkedin werde ich auf jeden Fall darüber berichten, vermutlich auch im Newsletter.

Last but not least habe ich ein neues Buchprojekt gestartet. Dabei handelt es sich wieder um ein Sachbuch, bei dem ich mich als Co-Autor eingeklinkt habe. Viel darf ich über den Inhalt noch nicht verraten, aber so viel: Es besetzt eine einzigartige Nische im Business-Bereich und wird auch stilistisch für viele neuartig sein. Ein Veröffentlichungsdatum gibt es noch nicht, da die Verlagsabsprachen noch laufen. Stay tuned!

PROFORE-Update 2024

Ein paar Takte zum unternehmerischen Big Picture. Das PROFORE Zukunftsinstitut wird in diesen Tagen zwei Jahre alt und hat damit den wichtigsten Meilenstein für ein junges Unternehmen geschafft! Jetzt sind wir sogar KfW-kreditwürdig 😇 Der Beiname "Zukunftsinstitut" ist natürlich ein kleiner Sidekick zu den Kolleg:innen nach Frankfurt, das Geschäftsmodell und die Angebote könnten in derselben Branche kaum unterschiedlicher sein. Was PROFORE auszeichnet, ist seine Dezentralität, Agilität und der klare Fokus auf Erkenntnisvermehrung der Kundschaft. Wir machen keinen Outbound-Vertrieb, sondern stellen für jedes Projekt einzigartige und kompetente Teams zusammen.

Aktuell realisieren wir mit einem kleinen Team eine wahnsinnig spannende und zukunftsweisende Szenarioanalyse in der Immobilienwirtschaft. Darüber wird es ab November mehr Infos geben. Nur so viel: Nach einigen Monaten Recherche, vielen Interviews und einer Online-Befragung ergaben sich 460 Milliarden verschiedene Szenarien, die wir computergestützt errechnet haben, was selbst mit einem Hochleistungscomputer mehrere Tage gedauert hat. Cliffhanger: Die Arbeit hat sich gelohnt! Darüber hinaus macht die Foresight Akademie wichtige Schritte in die richtige Richtung. Was dahintersteckt, wird schon bald im Newsletter kommuniziert werden.

Derweil arbeite ich mit einem völlig anderen Team an einer Startup-Idee, die das Potenzial hat, den demografischen Wandel und die angespannte Fachkräftesituation nachhaltig zu verändern. Mehr kann ich natürlich noch nicht verraten, damit will ich nur sagen: Meine Interpretation von Zukunftsforschung beinhaltet durchaus auch die aktive Zukunftsgestaltung 😉

Fazit

Das Jahr 2024 ist alles andere als entspannt oder geradlinig verlaufen und mit diesem Befund bin ich ganz sicher nicht allein. Die Nachfrage nach seriösen Zukunftsanalysen hat sich nach Corona- und Ukraine-Schock endlich erholt, was mich als intrinsischen


Keine Angst vor der Zukunft

Heute durfte ich beim Bundesverband der Vertriebsmanager Grußworte (ca. 20 Minuten) an die Mitglieder richten. Das Thema sollte einerseits um "Angst vor der Zukunft" kreisen, andererseits einen positiven Ausblick in plausible Zukünfte vermitteln. Da das Event online stattfand, habe ich mich gegen die "klassische" Variante mit einer Powerpoint-Präsentation entschieden und stattdessen einen Nachdenktext vorgetragen. Diesen möchte ich nun auch hier veröffentlichen und wünsche viel Spaß & Erkenntnis.

Intro

  • Moin. Ich bin ein echter Zukunftsforscher, das heißt, ich habe unter anderem den Masterstudiengang Zukunftsforschung studiert. Ich arbeite seit 11 Jahren daran, aktuelle Trends zu verstehen und Einschätzungen zu möglichen Szenarien zu geben.
  • Das tue ich unter anderem als Inhaber des PROFORE Zukunftsinstituts, als Keynote Speaker, Autor und Podcaster.
  • Vielleicht fragen sich jetzt einige, ob ich die Zukunft auch vorhersagen kann. Nein, kann ich nicht. Aber ich lag schon oft richtig: Corona habe ich Mitte 2019 angekündigt, fast ein Jahr vor dem Beginn der Pandemie. Den Krieg in der Ukraine habe ich in meinem Podcast Ende 2021 thematisiert, also rund ein Vierteljahr vor dessen Beginn. Mein Whitepaper über Künstliche Intelligenz erschien im Oktober 2022 – zwei Monate vor ChatGPT.
  • Damit will ich nicht sagen, dass ich die Zukunft doch irgendwie vorhersehen kann, sondern dass die Methoden der wissenschaftlichen Zukunftsforschung verdammt gut darin sind, kommende Entwicklungen früher als die Allgemeinheit zu erkennen.
  • Aber heute wurde ich gebeten, einen Impuls zum Thema „Zukunftsangst“ vorzubereiten. Dafür habe ich keine Präsentation vorbereitet, wie sonst bei Keynotes und anderen Gelegenheiten, sondern ganz old fashioned einen Text für euch geschrieben.
  • Und der geht so.

Keine Angst vor der Zukunft

Angst ist eine reale, unmittelbare Emotion.

Der Angst-Teil unseres Gehirns, die Amygdala, hat Vorfahrt vor den meisten anderen neurologischen Vorgängen. Aus evolutionärer Sicht ist Angst überlebenswichtig für jede Spezies, denn sie hält uns oft von dummen Entscheidungen ab und sagt unseren Gliedmaßen eher: „LAUF!“ statt „mal abwarten, ob das Rascheln im Busch ein Tiger oder eine Tüte Popcorn ist“

Angst wird allerdings oft mit Furcht verwechselt: Angst ist der allgemeine Gefühlszustand im Hinblick auf die Zukunft, auf mögliche Ereignisse, die uns oder unseren Liebsten zustoßen könnten. Unser Gehirn simuliert permanent etwa eine Sekunde in die Zukunft, was als nächstes total schiefgehen könnte, weshalb wir in manchen Situationen erstaunlich schnelle Reflexe haben – wenn etwa jemand ein Glas vom Tisch stößt. Das ist dann weniger Angst als aufmerksame Beobachtung mit allen Sinnen.

Furcht wiederum ist die gerichtete Form der Angst: Ich fürchte mich vor Spinnen in meinem Bett, ich fürchte, dass das Glas vom Tisch fällt und ich mich daran schneide; ich fürchte mich vor einem Fahrradunfall auf dem Weg zur Arbeit, ich fürchte, dass die Faschisten in den sächsischen Landtag einziehen und die Demokratie zerstören.

Ich persönlich kenne Angst und Furcht sehr gut. Ich bin Traumapatient seit einer privaten Tragödie vor einigen Jahren; vor fast 3 Jahren habe ich einen schweren Fahrradunfall überlebt; ich habe einen 7 Monate alten Sohn, der letztes Wochenende in der Klinik am Beatmungsgerät hing.

Angst ist allgegenwärtig.

Wir fürchten uns ja auch in der Freizeit wirklich gern: Fällt euch ein Science-Fiction-Film ein, der eine komplette Utopie einer perfekten Welt beschreibt? Ich kenne keinen. Horror und Actionfilme funktionieren nur, wenn wir uns auch gruseln oder fürchten lassen, dass zum Beispiel der Protagonistin etwas zustößt – James Bond hätte nicht funktioniert, wenn der am Ende nicht immer wieder die Welt gerettet hätte.

Angst ist sexy, make Angst great again!

… aber doch bitte nur mit Happy End!

Die deutsche Gesellschaft kennt Angst besser als jede andere, weshalb uns oft die „German Angst“ zugeschrieben wird. Wir haben Angst vor Veränderung, Angst vor dem Statusverlust durch eine diversere Gesellschaft oder hohe Inflation. Wir haben Angst vor Innovationen, die die Erfindungen unserer Vorfahren obsolet machen könnten, Angst, dass uns die Politik das Auto verbietet oder Gender-Sternchen aufzwingt. Wir haben Angst vor Putin, Angst vor Trump, Angst vor Xi Jinping.

Angst ist also nicht einfach nur unser Hobby, Angst ist unsere Berufung.

Dabei ergaben diverse Umfragen selbst während der Corona-Pandemie, dass die Menschen hierzulande meistens Angst vor diffusen Schreckensbildern haben – privat und beruflich schätzt eine überwältigende Mehrheit ihre individuelle Zukunft sehr zuversichtlich ein. Wie passt das zusammen? Sind wir individuell naiv-optimistisch, aber kollektiv krankhaft-paranoid?

Mein Eindruck ist, dass uns gesellschaftlich das Verständnis einer gesunden Angst, die uns zu vernünftigen Entscheidungen leitet, abhandengekommen ist. Angst und Furcht sind keine Phänomene, die es nur in schwarz und weiß gibt, sondern auch in allen Farben dazwischen. Das ist eine zentrale Erkenntnis, wenn man sich Gedanken über die Zukunft machen möchte, die nicht durch Angst verzerrt sind.

[PAUSE]

Ich bin Zukunftsforscher, Soziologe und Politikwissenschaftler. Ich genieße das fabelhafte Privileg, sehr häufig sehr klugen Menschen und mir selbst immer wieder die Frage stellen zu dürfen:

Welche anderen Perspektiven als Angst oder Zweifel können wir auf die Zukünfte richten?

Wir alle befassen uns mehr oder weniger strukturiert mit der Zukunft. Urlaubsplanung, Steuererklärung, Einkaufsliste, Rentenversicherung, Weihnachtsgeschenke. Paradoxerweise findet aber Zukunft für die meisten Menschen in der Regel kaum explizit statt.

Unser Bildungssystem ist ein verheerendes Beispiel dafür: Junge Menschen sollen Gehorsam lernen, sollen das Wiedergeben der Lehrpläne perfektionieren, es geht mehr ums Verwalten des Status Quo als das Erdenken und Gestalten der Zukunft. Und das wird uns gerade gesellschaftlich mit einiger Brutalität zurückgespiegelt.

Denn: Wer nicht nach einer plausibel erreichbaren Zukunft strebt, wird destruktiv oder depressiv. Das gilt für einzelne Personen genauso wie für Gesellschaften. Leider zieht sich dieser eklatante Zukunftsmangel bis in die höchsten politischen Ämter durch.

„Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“, hat Altkanzler Helmut Schmidt einst gesagt und ist damit der geistige Vater der Zukunftslosigkeit ganzer Generationen. Dass er das nicht so gemeint hat, hilft uns leider nicht mehr.

Doch ich möchte eure Zeit bei diesem Neujahrsempfang nicht mit Lamentieren vergeuden, denn Experten für Nörgelei gibt es wahrlich genug. Stattdessen möchte ich euch ab jetzt ausgewählte plausible, erreichbare positive Zukunftsszenarien der nächsten paar Jahrzehnte erzählen. Sie basieren auf den Erkenntnissen der seriösen Zukunftsforschung, sind also technologisch machbar und unter der Annahme wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Interessen konsistent – das heißt, sie widersprechen nicht anderen naturwissenschaftlichen Gesetzen und gängigen Prognosen.

Willkommen im Jahr 2050!

Lasst uns ausschließlich einen Blick auf die guten Errungenschaften werfen.

1. Gesundheit

Seit der Entdeckung der Genschere CRISPR/Cas9 im Jahr 2013 ist es möglich, die genetische Struktur von Lebewesen zu verändern. Und wir wissen ja längst, dass viele Gesellschaftskrankheiten durch bestimmte Kombinationen bzw. Prädispositionen der Gene begünstigt werden. Die gute Nachricht ist also: Im globalen Norden gibt es 2050 kaum noch bekannte Fälle von Diabetes, Alzheimer-Demenz, Parkinson, multipler Sklerose und selbst Krebs tritt nur noch selten auf und verläuft fast nie tödlich!

Künstliche Organe liegen in großen Organdatenbanken bereit für den Fall, dass durch einen Unfall oder eine unvorhergesehene Krankheit die Leber, Lunge oder das Herz ersetzt werden muss. Diese Datenbanken werden von den Krankenkassen verwaltet – die Premiumvariante ist natürlich auch im Jahr 2050 den Superreichen vorbehalten. Sie lassen sich besonders leistungsfähige Organe anfertigen, die nicht nur dann ausgetauscht werden, wenn die erste Version nicht mehr funktioniert. Schönheits-OP 2.0, sozusagen. Nur das Gehirn konnte bislang nicht dupliziert werden, aber das ist vielleicht auch gut so.

Natürlich gibt’s trotzdem noch diverse weniger schlimme Krankheiten; Körper und Geist brauchen auch gelegentliche Erkältungen, zudem entstehen immer neue Viren und Bakterien. Aber auch dagegen gibt’s ein Wundermittel: Mithilfe von Quantencomputern und künstlicher Intelligenz werden für bestimmte Krankheitsbilder seit vielen Jahren individualisierte Arzneimittel hergestellt.

Tatsächlich hat das zwei erstaunliche Entwicklungen begünstigt. Das eine ist, dass Menschen heutzutage sehr viel gesünder altern. Viele Alterskrankheiten und Todesursachen sind schlicht nicht mehr nötig. Heute ist es keine Seltenheit mehr, dass 90-Jährige einen Marathon laufen oder als Nachhilfelehrer ihre Rente aufbessern. Das zweite ist, dass einige wenige Menschen weit über 100 Jahre alt werden. Das liegt daran, dass nicht nur die Krankheiten heilbar wurden, die sonst den Tod bedeutet haben, sondern auch erste Mittel zugelassen wurden, die den Alterungsprozess einfrieren oder sogar umkehren! Der älteste Mensch ist im Jahr 2050 stolze 140 Jahre alt und auf dem körperlichen und mentalen Stand wie ein 50-Jähriger. Das verleiht einigen gesellschaftlichen Konzepten eine völlig neue Bedeutung: Was kostet eine Lebensversicherung? Wann gehen wir in Rente? Wie lange muss ich zur Schule gehen, wenn ich danach noch über 100 Jahre arbeiten werde? Wer heiratet noch, wenn „bis dass der Tod uns scheidet“ kein Ablaufdatum mehr hat? Brauchen wir ein Enddatum, zu dem das Leben enden soll?

2. Mobilität

Das Wichtigste vorweg: Ja, es gibt Flugtaxis. Gab es ja zu eurer Zeit auch schon, zumindest in Dubai und einigen anderen Orten der Welt. Auch in Deutschland sind sie inzwischen angekommen und entlasten den Verkehr auf den Autobahnen und in Ballungsgebieten zunehmend. Der größte Vorteil ist gar nicht unbedingt die individuelle Mobilität, sondern dass man dafür kaum Infrastruktur braucht. Immerhin gab es zu eurer Zeit rund 600 stillgelegte Kleinflughäfen, die inzwischen als Mobility Hubs genutzt werden.

Aber natürlich besitzt man kein Flugtaxi für den Privatgebrauch, sondern man mietet sich eins – einen Flugschein braucht man dafür nicht, weil es komplett autonom von A nach B steuert. Keine Angst: Es herrscht kein Chaos am Himmel, denn wie es sich für Deutschland gehört, sind die erlaubten Korridore recht eingeschränkt.

Aber überhaupt ist der Privatbesitz eines Fahrzeugs, das kein Fahrrad ist, im Jahr 2050 eher eine Seltenheit. Es ist seit Jahren viel einfacher und günstiger, ein Fahrzeug für den aktuellen Nutzungszweck zu mieten, als mehrere Tonnen Metall zu kaufen, zu versichern und für dessen Unterhalt zu sorgen. Sehr merkwürdiges Konzept, das ihr zu eurer Zeit noch „normal“ nennt. Selbstfahrende Autos, wie ihr sie euch vorstellt, gibt es trotzdem in der Form noch sehr wenig – das liegt daran, dass die Städte dafür einfach nicht geeignet sind. Außerorts ist das natürlich was anderes.

Derweil ist das Streckennetz im Schienenverkehr deutlich gewachsen, sodass die überregionale Bahnmobilität deutlich angenehmer wurde. 100 Prozent Pünktlichkeit bekommen wir trotzdem noch nicht hin, das ist weiterhin Zukunftsmusik 😉

3. Künstliche Intelligenz

KI ist im Jahr 2050 so normal und allgegenwärtig wie zu eurer Zeit die Verwendung von Smartphones. Im Arbeitsalltag heißt das: Die meisten Erwerbstätigen haben einen KI-Kollegen, der sie bei fachlichen Fragen, bei der Einhaltung des Freizeitausgleichs und für sämtliche Korrespondenz unterstützt. Das heißt auch, dass alle jetzt einen persönlichen Coach zur Stelle haben, mit dem sie konzeptionelle Fragen durchspielen oder die Selbstverwirklichung vorantreiben können. Ähnlich wie die Sozialabgaben werden die Kosten für diese KIs über einen kleinen Gemeinwohlbeitrag vom Bruttolohn abgezogen.

Es gibt keine Unternehmen und öffentliche Einrichtungen mehr, in denen KI nicht Standard ist. Alle Organisationen, die sich zu eurer Zeit nicht mit KI beschäftigt haben, gibt es schlicht nicht mehr. In einer Übergangszeit waren also einige Menschen arbeitslos, haben sich aber dann mit den Möglichkeiten von KI befasst und dann eine neue Existenz aufgebaut. Eine 40-Stunden-Woche gibt es längst nicht mehr, klar arbeiten einige so viel oder auch mehr, aber nicht mehr nur in einem Job. Die meisten haben nämlich auch ein zweites Standbein in Form einer freiberuflichen Arbeit oder eines Kleingewerbes, mit dem sie ihren Traum verwirklichen und dabei trotzdem noch gutes Geld verdienen. Ob das nun ein Job im Metaverse oder eine eigene Gärtnerei ist, spielt dabei keine Rolle.

Eine der markantesten Entwicklungen ist die Verschmelzung von KI und Mensch. Es gibt einige wenige, die sich tatsächlich kleine Computerchips direkt ins Gehirn transplantieren lassen, um unmittelbar per Gedankenkraft mit der KI kommunizieren zu können.

Wäre das was für euch?

4. Nachhaltigkeit

Zwar sind viele Prognosen aus eurer Zeit in Bezug auf den Klimawandel leider eingetreten, doch vieles hat sich auch zum Guten gewendet. Durch massive Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft und der Zivilgesellschaft hat sich die Biodiversität nahezu erholt. Das hatte auch damit zu tun, dass seit etwa 2030 die Massentierhaltung verboten wurde – einer der wichtigsten Emittenten von Treibhausgasen. Es gibt zwar noch Fleisch von echten, toten Tieren im Handel, doch das ist sehr teuer. Stattdessen wird es für 95 Prozent des Verbrauchs künstlich hergestellt und zwar genau dort, wo es auch verbraucht wird: Im Supermarkt, Restaurant, der Kantine, im Zug oder Flugzeug. Das ist übrigens auch viel gesünder für die Menschen, hat aber trotzdem eine Weile gedauert, bis sich die Ernährungskultur darauf eingestellt hat. Die Technologie dahinter war zu eurer Zeit längst erforscht, doch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit brauchte noch ein paar Jahre. Irgendwann fand es dann die Mehrheit der Gesellschaft barbarisch, lebendige Tiere zu schlachten, um ein leckeres Steak zu essen – und das kommt schneller als einige von euch heute vielleicht noch denken.

Stichwort Wettbewerbsfähigkeit: Wir haben ein Energieproblem im Jahr 2050, aber nicht das, was ihr jetzt denkt… wir haben nicht zu wenig, sondern ZU VIEL ENERGIE! Das liegt daran, dass der Ausbau Erneuerbarer Energien aus Wind, Sonne und Wasser so rasend schnell ging, dass Haushalte und Gewerbeimmobilien sich inzwischen fast komplett selbst versorgen können. Dazu kommen aber noch zwei weitere, disruptive Faktoren: Erstens ist die Kernfusion, die ja seit 2022 erwiesenermaßen funktioniert, seit ein paar Jahren auch kommerziell interessant geworden. Deshalb haben die meisten Staaten Kernfusionsreaktoren, die nahezu unendlich viel Energie erzeugen können. Zweitens haben wir aber auch riesige Photovoltaikanlagen im Weltall, die Sonnenenergie direkt dort oben einsammeln und per Mikrowelle an Stationen auf der ganzen Welt und dem Mond senden – wir dürfen ja nicht unsere Mitmenschen auf Mond und Mars vergessen, die haben ja auch Bedürfnisse. Das heißt also: Wir haben Energie im Überfluss und „müssen“ uns immer wieder neu überlegen, wie wir noch mehr Strom verbrauchen können, damit die Energienetze nicht überlasten. Für die Großindustrie ist das natürlich etwas anders, aber mit dem vielen Strom gibt es seit wenigen Jahren ein globales Netz für grünen Wasserstoff und das funktioniert erstaunlich gut.

Ach ja, Müll gibt’s auch nicht mehr. Seit den 2030er Jahren ist es weltweit vorgeschrieben, dass Unternehmen für das Recycling und Upcycling ihrer Produkte verantwortlich sind. Das hat komplett den Anreiz zerstört, möglichst schnell möglichst viele Produkte herzustellen, die irgendwo auf der Welt gekauft, benutzt und entsorgt werden. Stattdessen leben wir inzwischen in einer echten Kreislaufwirtschaft, in der alle Gegenstände und selbst defekte Geräte als Rohstoff wieder aufgewertet werden können und müssen. Das Paradigma hat sich entsprechend von schnellem Konsum bzw. schnellen Gewinnen gewandelt zu hochwertigen, langlebigen und problemlösenden Erzeugnissen. Dadurch sind auch viele Länder des globalen Südens immer schneller wirtschaftlich vorangekommen – seit das Energieproblem kein Problem mehr ist, haben sich die Währungen stabilisiert, Inflation ist überall moderat und es entstand vielerorts eine kreative, sehr facettenreiche neue Ökonomie. Das Zeitalter des Turbokapitalismus wurde abgelöst von einer für alle Lebewesen und Ökosysteme gewinnbringenden Form des Postkapitalismus. Ich meine nicht die Hippie- oder Trotzki-Version, sondern einen Kapitalismus, der andere Währungen kennt als Geld, nämlich das Gemeinwohl von Menschen überall auf dem Planeten und der Natur.

Zurück ins Jahr 2024.

Ich wette, dass diese Ausführungen einigen von euch im wahrsten Sinne fantastisch vorkommen – also basierend auf Fantasie. Doch hinter jedem einzelnen stecken nennenswerte Stränge in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Dieses Jahr erscheinen unter anderem drei Sammelbände von mir, die einige der genannten Themen unterfüttern – und ein Handbuch für KI in Unternehmen namens „KI jetzt!“.

Nach vielen Jahren und hunderten Mandaten im Kontext der seriösen Zukunftsforschung bin ich überzeugt: Wir sollten öfter über unsere positiven Zukunftsbilder sprechen. Und auch darüber streiten. Denn es ist ja offensichtlich, dass mein Blick in die Zukunft ein anderer ist als der meiner Nachbarin oder eines Kindes, das gerade in Lagos aufwächst. Doch wir werden uns und unsere Welt nicht retten, wenn wir nur über die Schattenseiten sprechen. Lasst uns häufiger und strukturierter über schöne Zukünfte sprechen.

Dann klappt’s auch mit der Angst, das verspreche ich euch.

Vielen Dank fürs Zuhören!

Foto von Etienne Girardet auf Unsplash


Grafik Triple Bottom Line Nachhaltigkeit

Ohne Nachhaltigkeit geht die Welt bald unter

Ohne Nachhaltigkeit geht die Welt bald unter. Soweit die sehr verkürzte Zusammenfassung der aktuellen Debatten rund um den Klimawandel, Klimakrise oder Klimakatastrophe – abhängig von Medium und Organisation. Dass Nachhaltigkeit sehr viel mehr als Umweltschutz umfasst, wird sehr schnell deutlich, wenn man sich eingehend mit verschiedenen Konzepten befasst. In diesem Beitrag gebe ich einen Überblick über die drei wichtigsten Dimensionen der Nachhaltigkeitsdebatte: die ökologische, die soziale und die ökonomische, auch bekannt als Triple Bottom Line oder Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit.

Eine ganz kurze Geschichte der Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist kein Trend. Trends zeichnen sich durch eine kurze Lebensdauer aus, sie tauchen kurzfristig und in der Regel nur in einer oder wenigen gesellschaftlichen Sektoren auf – so wie Trendfarben in der Mode oder Geschmacksrichtungen bei Limonaden. Nachhaltigkeit wiederum wurde erstmals bereits im Jahr 1713 vom sächsischen Forstwirt Hans Carl von Carlowitz beschrieben: In seinem epochalen Werk „Sylvicultura oeconomica“ (1713, Neuauflage 2022) beschrieb er bereits die Grundlagen einer „nachhaltenden“ Wirtschaft. Richtig, mehr als ein halbes Jahrhundert vor Beginn der Industrialisierung. Es war also bereits bekannt, welche Auswirkungen menschliches Handeln, insbesondere durch das Abholzen und Verbrennen von Holz, auf die natürliche Umwelt hat.

Diese fundamentale Erkenntnis, dass die ökologischen Ressourcen nicht – wie vorher gedacht – endlos seien, wurden einerseits in den folgenden Jahrhunderten und zum Teil bis heute vielfach ignoriert, andererseits wuchs die wissenschaftliche Evidenz über die Thesen von Carlowitz‘. Sie gipfelten vorerst in der ersten interdisziplinären und computermodellierten Studie über „Die Grenzen des Wachstums“ von 1972 im Auftrag des Club of Rome, geschrieben von Donella und Dennis Meadows. Infolge dieser Veröffentlichung entstanden weltweit erste „grüne“ Parteien, das Thema Umweltschutz und Klimawandel gelang erstmals auf die politische Agenda, angesichts der damaligen Ozonproblematik kam es relativ schnell zu strikter, teils global koordinierter Umweltgesetzgebung, wie u. a. das globale Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) in technischen Geräten eindrucksvoll zeigte. Diverse globale Klimakonferenzen brachten (fast) alle Staaten der Welt immer wieder zusammen, um Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels zu beschließen.

Somit ist Nachhaltigkeit sogar zu groß für einen Megatrend. Es handelt sich dabei eher um einen Gigatrend, der uns nie wieder loslassen wird. Wie wir nachhaltiger leben und wirtschaften können, schauen wir uns jetzt konzeptionell an.

Die Triple Bottom Line / Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit

Mehrere Konzepte der Nachhaltigkeit kommen zu einem ähnlichen Schluss: Es genügt nicht, Umweltschutz voranzubringen, um das Klima zu schützen oder die Erderwärmung aufzuhalten. Um staatliche Ausgaben in den Naturschutz zu rechtfertigen oder unternehmerische Anreize für nachhaltigere Produktion zu setzen, braucht es auch ein Bewusstsein der Menschen für die Notwendigkeit des Umdenkens. Nun sind aber nicht alle Menschen mit derselben Bildung, demselben ethischen Grundgerüst oder einer hinreichenden wirtschaftlichen Situation ausgestattet. Wie sagte Berthold Brecht so passend sinngemäß: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Oder: Erst kommt der Neuwagen, dann die Nachhaltigkeit.

Offensichtlich hat Nachhaltigkeit erstens mehr als eine Dimension – dazu kommen wir noch – und zweitens sind diese Dimensionen miteinander verbunden und verstärken sich drittens zum Teil sogar wechselseitig. Wird es dauerhaft deutlich wärmer auf der Erde, werden einige Regionen unbewohnbar, was zu sozialen und ökonomischen Krisen führen wird. Oder: Ohne grundlegenden Zugang zu demokratischen Institutionen oder das Recht auf freie Meinungsäußerung wird es äußerst schwer, soziale Nachhaltigkeitsziele wie Gleichberechtigung der Geschlechter oder bessere Bildungschancen sowie Teilhabe zum öffentlichen Leben für alle Menschen zu erreichen.

Viele der Nachhaltigkeitsziele wurden in den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (engl. sustainable development goals, SDG) formuliert, die wiederum aus den Millennium Goals hervorgingen. Sie sind nicht perfekt, sie beinhalten einige neokoloniale Perspektiven, doch sie sind das beste und globalste, was uns aktuell zur Verfügung steht. Die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele sowie deren Unterziele, diverse Veröffentlichungen und Fortschritte werden von den Vereinten Nationen online gepflegt. In diesem Beitrag soll es aber um die unterschiedlichen Dimensionen gehen. Das statistische Bundesamt pflegt auf einer eigenen SDG-Website die Indikatoren für Deutschland.

Im Schaubild des Stockholm Resilience Center der Stockholmer Universität sehen wir eine (!) Aufteilung der 17 SDG in mehrere Dimensionen, die aufeinander aufbauen. Das Fundament für sämtliche menschliche Aktivitäten bildet die Ökologie bzw. Biosphäre. Darauf basiert die Gesellschaft (society), darauf wiederum die Wirtschaft (economy) und schließlich schwebt über allem die Vernetzung verschiedener Institutionen.

Ökologische Dimension der Nachhaltigkeit

Hierzu werden die SDGs 6, 13, 14 und 15 eingeordnet, also:

Es liegt fast auf der Hand, dass diese Ziele allein nicht ohne Unterziele erreicht werden können. Die Links in der Liste führen Sie direkt zu den Unterzielen und genaueren Beschreibungen. Klar ist: Ohne Fortschritte in diesen zahlreichen Unterzielen wird die Biodiversität, also die Anzahl und Komplexität der pflanzlichen und tierischen Arten auf dem Planeten, weiter massiv sinken – mit gravierenden Folgen auch für die Menschheit.

Soziale Dimensionen der Nachhaltigkeit

Hierzu zählen die Ziele 1-5, 7, 11 und 16, also:

Diese Liste der gesellschaftlichen Faktoren der Nachhaltigkeit verleiht ein Gefühl dafür, wie umfangreich die Herausforderungen für Politik und Zivilgesellschaft sind. In den meisten europäischen Staaten ist der Status Quo bereits vergleichsweise fortgeschritten; sicherlich gibt es berechtigte Kritik am Zustand jedes einzelnen Faktors und wie politische Entscheidungen die Entwicklung einzelner Faktoren langfristig möglicherweise sogar gefährden könnten. Einig sind sich jedoch viele Wissenschaftler:innen, dass ein solides Fundament in diesen Zielen auf Ebene der Gesellschaft eine Bedingung dafür ist, um wahre Nachhaltigkeit erreichen zu können. Keine leichte Übung. Und einer der Gründe, warum es mehr Aufklärung über diese miteinander verwobenen Themengebiete geben muss.

Ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit

Ohne Wirtschaft keine Nachhaltigkeit – doch dann bitte richtig. Zur ökonomischen Dimension zählen die Ziele 8-10 und 12, also:

Spätestens an diesem Punkt wird ersichtlich, dass es eine Frage der Perspektive ist, was „menschenwürdig“ bedeutet – beispielsweise ist die von der Weltbank definierte Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar am Tag durchaus umstritten. Auch der Begriff „nachhaltiger Konsum“ ist schwierig zu fassen, da letztlich jeder Konsum den Bedarf von Ressourcen und Energie mit sich bringt, was genau genommen nur in geschlossenen Kreisläufen (Stichworte Kreislaufwirtschaft oder cradle-to-cradle) wirklich „nachhaltig“ sein kann. Davon sind wir jedoch noch weit entfernt. Doch das hier ist ja ein Zukunfts-Blog 😉

Über diesen drei Kerndimensionen schwebt letztlich das SDG 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele. Spätestens nach der Operationalisierung in Ziele, Unterziele und Messindikatoren wird nämlich deutlich, dass all dies nicht durch einzelne Organisationen oder Regierungen erreicht werden kann. Stattdessen ist ein beispielloser Kraftakt notwendig, um das angesammelte Wissen über die diversen Nachhaltigkeitsbereiche aus unterschiedlichsten Forschungsgebieten und Regionen zu dokumentieren, zusammenzufassen, in die politischen Gremien unter Beteiligung der Zivilgesellschaft einzubringen und die Fortschritte auf dem Weg in die Zukunft zu begleiten.

Fazit

Die Triple Bottom Line bzw. Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit ist – wie jedes Modell – nicht perfekt, sondern immer im jeweiligen Kontext zu betrachten. Ein wesentlicher Nutzen ist die Erhöhung der Sichtbarkeit von Komplexität der Nachhaltigkeit. Ein wesentlicher Nachteil ist, dass die unterschiedlichen Denkrahmen und unterschiedliche ethische Schwerpunkte darin keinen Platz finden. Somit bleiben die Nachhaltigkeitsziele im Stadium eines zahnlosen Tigers verharren, da sie nicht bindend sind; das wiederum führt nicht nur mich zur eher nüchternen Einschätzung, dass die Zielmarke zur Erreichung der SDG für das Jahr 2030 nahezu unmöglich ist, zumal kulturelle Aspekte in der Regel eine zu geringe Rolle bei solchen Zielen spielen – in der Realität aber nicht vernachlässigt werden sollten.

Unterm Strich werbe ich jedoch dafür, wenigstens gut gebildeten Menschen die Zusammenhänge der drei Dimensionen von Nachhaltigkeit immer wieder zu zeigen. Denn letztlich hängt, so der eindeutige Konsens in Zukunfts- und Klimafolgenforschung, das Wohlbefinden und die Stabilität der menschlichen Zivilisation direkt vom Gelingen von Nachhaltigkeit ab. Insofern lade ich Sie herzlich dazu ein, diesen Beitrag mit Ihrer Filterblase zu teilen – und, falls noch nicht geschehen, tragen Sie sich gern für den Newsletter ein. Dort wird es nächstes Jahr eine Reihe aufregender Neuigkeiten in diesem Themenkomplex geben!


#03.03 Agile Coach über die Wahlen: Thomas Kastell im Bundestagsspecial Im Hier und Morgen

Thomas Kastell ist Agile Coach und berät Organisationen darin, sich effizienter und angemessen an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu organisieren. In der ersten Hälfte geht's genau darum - und in der zweiten übertragen wir diese Erkenntnisse aufs politische System der Bundesrepublik Deutschland.

Thomas ist außerdem studierter Politikwissenschaftler, digitaler Nomade mit unterschiedlichen, internationalen Stationen und ehemaliger Kollege von mir aus der Zeit bei 2b AHEAD in Leipzig. Wir unterhielten uns in meinem Wohnzimmer bei einem Gläschen Wein.

Der Themenüberblick:

00:00:00 Intro: Thomas Kastell im Bundestagswahlspecial "Im Hier und Morgen"

00:01:21 Thomas Kastell: Agile Coach, der Unternehmen demokratisiert und die Systemebene berücksichtigt

00:12:23 Was unterscheidet dauerhaft von einmalig innovativen Unternehmen? VW vs. Apple - das Prinzip der Planung ist Vergangenheit

00:20:07 60-100% Gewinnsteigerung durch Agilität - trotzdem sind 99% der Unternehmen konventionell organisiert; 99% der Menschen kennen nichts anderes. Wie kann das sein!?

00:24:31 Call to action: Was müssen interessierte Unternehmer:innen jetzt tun, um agil zu werden? Spoiler: Menschen haben keinen Widerstand gegen Veränderung!

00:28:16 Was hält der Experte vom Buzzword "Purpose" (Sinn)? Das Menschenbild der Geschäftsleitung ist falsch!

00:35:04 In 5-6 Monaten zur agilen Organisation - wenn der Wille da ist. Und wie funktioniert das?

00:48:15 Das erste Glas Wein wird eingeschenkt.

00:53:19 Agilität übertragen auf das politische und administrative System der Bundesrepublik Deutschland

00:58:35 Repräsentativität vs. Basisdemokratie - Facebook killed the election star

01:01:51 Bildungssystem: Lehrpläne und Noten sind sinnlos

01:08:42 Das Rezept gegen Querdenker, Corona- oder Klimawandelleugner ist nicht: Fakten!

01:16:20 Corona, West- und Ostdeutschland - gibt es einen Zusammenhang zwischen deutscher Teilung und AfD- oder Coronaleugner-Sympathie?

01:23:06 Resilienz: Was können wir aus der Biologie lernen?!

01:31:34 Zielgerade! Wer gewinnt die Bundestagswahl?

01:35:17 … das zweite Glas Wein passend zu Joe Biden …

01:35:57 Der Tipp!

01:39:35 Es war noch nie so ungewiss! Oder war das in den 1950er Jahren schon mal ähnlich?

Teaser

Abspann

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Das Gespräch haben wir am 31. August 2021 geführt.


#03.02 Zukunft und Politik: Ingmar Mundt im Bundestagsspecial Im Hier und Morgen

Der erste Gast in der Sonderserie zur Bundestagswahl ist Ingmar Mundt. Wir unterhielten uns über die Positionen der Parteien, welche Themen den Wahlkampf besonders in der heißen Phase dominieren werden - und zum Schluss gibt Ingmar einen Tipp ab, wer Kanzler:in wird und welche Koalition daraus entstehen könnte. Wer hätte das gedacht?

Ingmar Mundt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Soziologie der Universität Passau mit dem Schwerpunkt auf Techniksoziologie und nachhaltige Entwicklung. Neben Volkswirtschaftslehre und Soziologie hat er auch den Masterstudiengang Zukunftsforschung studiert, weshalb sich unser Gespräch problemlos in den Geist dieses Podcasts einreiht. Ingmar twittert außerdem viel und spannende Dinge: https://twitter.com/zukunftsheld

Letzte Ankündigung: "Im Hier und Morgen" hat ein neues Logo! Ich freue mich wie immer über Feedback zur Episode, aber dieses Mal natürlich auch übers Logo ;-)

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Das Gespräch haben wir am 20. August 2021 geführt.


#02.02: Sozialunternehmerin Sina Trinkwalder Im Hier und Morgen

In dieser Sonderepisode spreche ich mit Sina Trinkwalder, einer der bekanntesten Unternehmerinnen des Landes. Sie hat diverse Unternehmen gegründet und legt dabei seit 2010 den Fokus auf sozial und ökologisch nachhaltige und wertvolle Projekte. Dafür wurde sie mit diversen Preisen ausgezeichnet, darunter auch mit dem Bundesverdienstkreuz.

Wir hatten viel Spaß und haben viel geflucht, denn unsere Themen reichten von ihrer Firma Manomama und deren Entstehungsgeschichte über gesellschaftliche Themen mit Sprengkraft (wen können wir überhaupt noch wählen und warum gibt es im Internet so viele Idioten?) bis zur Frage, wie man besser lebt. Hören Sie direkt rein:

Teaser gefällig? Dann gern erstmal in die 15-sekündige Vorschau reinhören:

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#02.01 Klima-News in die Primetime mit Norman Im Hier und Morgen

In dieser Episode geht es wieder um den Klimawandel, genauer: um die Berichterstattung in den Medien. Verglichen mit anderen wichtigen Themen kommt die Klimakrise nämlich kaum vor, nur in speziellen Formaten - außerhalb der besten Sendezeiten.

Die Initiative KLIMA° vor acht ist angetreten, das zu ändern. Sie möchte bewirken, dass auch die breite Bevölkerung stärker über die Zusammenhänge des Klimawandels informiert werden. Um mehr zu erfahren, habe ich einen der Gründer und Pressesprecher Dr. Norman Schumann eingeladen und ihn ausgequetscht.

Erstmal in die Vorschau reinhören?

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Mit dieser Episode hat sich auch der gesamte Podcast gewandelt; Intro und Outro sind neu, professionell produziert und nun auch auf noch mehr Plattformen verfügbar.


Bill Gates: Wie wir die Klimakatastrophe verhindern (Rezension)

Bill Gates ist ein polarisierender Mensch. Er ist ...

  • einer der Gründer von Microsoft, einem der nach wie vor erfolgreichsten und wertvollsten Technologieunternehmen der Geschichte.
  • der Erfinder von Windows, einem der Gründe, dass fast jeder Mensch Zugang zu einem Personal Computer und dem Internet hat.
  • einer der reichsten Menschen aller Zeiten - als Folge der ersten zwei Punkte.
  • Philanthrop und als Mitgründer der Melinda und Bill Gates Foundation einer der größten Geldgeber für karitative Projekte, die zum Aussterben einiger schlimmer Krankheiten besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern beigetagen haben.
  • Technologie-Junkie, der für jedes Problem der Menschheit mindestens eine technologiebasierte Lösung kennt.
  • einer der wenigen Businessmenschen, die keinen Hehl daraus machen, sich in die Politik einzumischen; seit vielen Jahren gehört er zum Inventar globaler Veranstaltungen - bei der Münchener Sicherheitskonferenz am 19. Februar 2021 war er der einzige Nichtpolitiker auf der Agenda.
  • Ziel diverser Verschwörungstheorien, die sich in ihrer Absurdität gegenseitig übertrumpfen, wohl als Folge aller obigen Punkte.

All das weiß Bill. Nun hat er mit "Wie wir die Klimakatastrophe verhindern" (original: "How To Avoid a Climate Disaster") einen Ratgeber vorgelegt, der wohl die Bestsellerlisten stürmen wird. Veröffentlicht am 16. Februar reicht ein Blick in die Bewertungen auf beliebigen Portalen, um ein Gefühl für die Polarisierung dieser Person und natürlich auch des Buchs selbst zu bekommen. Deshalb habe ich mir das Buch sofort bei Veröffentlichung bestellt, gelesen und diese Rezension verfasst. Wer das Buch selbst noch lesen möchte, sollte die Inhaltsübersicht überspringen.

Update: Dank mehrfacher Rückfrage habe ich auch eine Podcast-Episode mit ausführlicherer Kritik und persönlicher Note dazu aufgenommen.

Tenor: Die Welt geht unter, aber ...

Bill Gates ist bekannt als sympathischer, superreicher Nerd, der sich sowohl verständnisvoll und geduldig als auch wahnsinnig klug inszeniert. Es wundert daher nicht, dass auch sein neuestes Buch rhetorisch brilliant formuliert und komponiert ist. Der Aufhänger dafür ist schnell umrissen:

  1. Die Welt geht unter: Das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen ist so gut wie verloren. Wenn wir nichts tun, werden die Folgen für alle Menschen auf der Welt verheerend sein - für die Ärmsten der Armen natürlich zuerst.
  2. Das Ziel ist zwar einigermaßen klar, aber die Pläne zur Erreichung nicht. Und es gibt (oft nachvollziehbare) nationale oder regionale Interessen, die eine schnelle Umkehr zu einer "grünen" Strategie verhindern. Die Anreizsysteme müssen global angepasst werden.
  3. Viele Zusammenhänge des Klimawandels sind wissenschaftlich gut erforscht und doch noch nicht in letzter Konsequenz bei allen angekommen. Mit diesem Ratgeber möchte Bill Gates dieses Vakuum nutzen.

Die Hoffnung aus der Einleitung ist also im Wesentlichen: die Welt geht unter, aber wenn wir jetzt - und in den nächsten 30 Jahren - alles richtig machen, haben wir gute Chancen auf ein Leben in Wohlstand, Reichtum und endlos verfügbarer, sauberer Energie.

Inhaltsübersicht: Onkel Bill erklärt die Welt

Bill Gates hört man gern beim Reden zu, denn er erklärt die Welt immer so, als wäre eigentlich alles ganz einfach. Dabei nutzt er sehr einfache Sprache, erklärt Fachbegriffe unaufdringlich, sodass sich weder der Leser beschränkt vorkommt, der den Begriff vorher nicht kannte, noch diejenige genervt fühlt, die täglich damit operiert. Diese sprachliche Komponente darf man nicht unterschätzen; sie ist einer der Gründe, warum ich wie gesagt davon ausgehe, dass die Bestseller-Position schon gesichert ist.

Und es gibt ein weiteres "trotz": Gates stellt zwar viele Themen immer wieder in den globalen Kontext, nennt vereinzelt Beispiele aus Europa, Asien, Afrika, Lateinamerika und Ozeanien; im Wesentlichen geht es aber um die USA. Und die scheinen auch der Adressat des Sachbuchs zu sein, also die Landbevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika. Die, die den Klimawandel immer noch nicht ernst genug nehmen, immer noch mehr übertrieben schwere Fahrzeuge kaufen und billig betanken, mehr Fleisch konsumieren als der Rest der Welt zusammen und mit kruden Methoden billiges Erdöl und -gas verbrennen, als wäre das folgenlos für den Planeten.

In zwölf Kapiteln nimmt Onkel Bill die Leser:in also an die Hand und erzählt eine in sich sehr konsistente Geschichte davon, wie die Klimakrise verhindert werden kann, warum das überhaupt wichtig ist und welche Gesellschaftsbereiche zu welchem Grad zum Klimawandel beitragen - und welche Lösungen wir benötigen, um das zu stoppen. Hier die wichtigsten Aussagen aus den zwölf Kapiteln, im Anschluss die Bewertung:

  1. Wir müssen es bis 2050 schaffen, keine weiteren Treibhausgase zu emittieren bzw. mehr Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre entfernen, als wir hineinblasen.
  2. Das ist allein deshalb eine Mammut-Aufgabe, da der jährliche Energiebedarf bis dahin um mindestens 50% ansteigen wird und gleichzeitig die Nutzwerte erneuerbarer Energien leider - anders als bei Moore's Law - nicht exponenziell wachsen, und weil die Politik zu kurzfristig denkt.
  3. Für alle klimawandelintensiven Produkte und Prozesse gibt es mehr oder wenig gut zugängliche "Green Premiums", die oft so teuer oder unattraktiv sind, dass sie zu lange brauchen, um sich durchzusetzen (Beispiel Elektroautos oder Recycling-Baustoffe).
  4. Der Strombedarf allein wird sich bis 2050 verzwei- bis verdreifachen, insbesondere Schwellen- und Entwicklungsländer müssen dazu auf fossile Energieerzeugung zurückgreifen, da sie schlicht günstiger und effizienter sind; die einzige Option ist es daher, Kernkraft aus der Schmuddelecke zu holen und dezentrale, kleine, dafür aber moderne Kernkraftwerke zu bauen (die emittieren kaum CO2).
  5. Fast ein Drittel der Treibhausemissionen stammt aus der Produktion moderner "Dinge" wie Zement, Beton, Plastik, Glas, Aluminium oder Dünger; da durch die erwartete Wohlstandsentwicklung im Globalen Süden in den nächsten Jahrzehnten ein dauerhafter Bau-Boom erwartet wird, werden auch diese Bereiche stark wachsen und müssen a) mit "nachhaltigen" Energien versorgt werden und b) wiederverwertete oder aufgewertete Baustoffe mit einbeziehen.
  6. Rinder sind einer der größten Treiber des Klimawandels und stoßen allein gut 4% der globalen Treibhausgasemissionen aus (!), industrielle Tierhaltung ist aus diversen Gründen ökologischer und sozialer Irrsinn, weshalb alternative Lebensmittel und Landwirtschaftsformen gefördert werden müssen.
  7. Transport und Mobilität machen insgesamt nur 16% der globalen Treibhausgasemissionen aus, aber immerhin - alternative Kraftstoffe müssen so schnell wie möglich Benzin und Diesel ersetzen, aber besonders die großen Fahr-, Flug- und Schwimmzeuge könnte man auch mit kleinen Atom-Reaktoren bewegen.
  8. Wohnräume zu kühlen oder zu erwärmen wird angesichts des Klimawandels und der Wohlstandssteigerung des Globalen Südens immer mehr Emissionen produzieren, weshalb Klimaanlagen und Heizungen sehr schnell grüner werden müssen.
  9. Der Klimawandel trifft die Ärmsten am härtesten, nicht zuletzt weil diese oft in Regionen leben, in denen die Auswirkungen extremer Wetterereignisse sich am heftigsten zeigen; Trinkwasseraufbereitung und Küstenschutz sollten schnell mehr Menschen zugänglich gemacht werden, was wiederum auf lange Sicht sehr viel Geld spart.
  10. Politik und staatliche Anreize für Forschung und Entwicklung spielen eine zentrale Rolle auf dem Weg, damit der Markt in die richtige Richtung gelenkt wird.
  11. Bis 2030 werden wir die Emissionen nicht auf "null netto" bringen, nicht zuletzt wegen der Covid-19-Pandemie, die vieles ins Wanken gebracht und Prioritäten verschoben hat; staatliche Förderung in F&E muss verfünffacht werden, die Preise für CO2 müssen wirksam erhöht werden und Welthandel muss an Klimaeinhaltung gebunden sein.
  12. Jede:r von uns ist Konsument, politisches Individuum, Mitarbeiter und/oder Arbeitgeber; es gibt nicht die eine Antwort, aber wir können alle einen Beitrag leisten.

Klimawandel ist die Wurzel, aber...

... alles, was wir in der "modernen Zivilisation" machen, zahlt darauf ein. Nahezu alles um uns herum produziert nach heutigem Stand von der Produktion bis zur Entsorgung Emissionen und die Errungenschaften der letzten 200 Jahre basieren auf billiger, aber schmutziger Energie.

Ich hatte schon vor der Lektüre damit gerechnet, dass das Thema Kernenergie bzw. Atomkraft eine wesentliche Rolle in dem Buch spielen wird, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: die Treibhausgasemissionen zu senken, während der Energiebedarf der wachsenden Weltbevölkerung weiterhin steigt. Gates macht seine eigene Position sehr transparent, nicht zuletzt da man weiß, dass er die Forschung des Unternehmens TerraPower maßgeblich vorantreibt und finanziert. Ziel des Unternehmens ist es, kleinere Kernkraftwerke zu etablieren, die weniger Abfall erzeugen als herkömmliche Reaktoren und somit eine Zwischenlösung für die Übergangszeit in der Dekarbonisierung sein können. Dass das Thema insbesondere seit dem Reaktorunglück von Fukushima und anderen stark polarisiert, ist offensichtlich. Die Debatte ist emotional und trägt zumindest offiziellen Statistiken nur wenig Rechnung - so bleibt es je nach Betrachtung alternativlos, den Energiehunger der Menschheit zu sättigen. Wie mit dem radioaktiven Müll umgegangen werden soll, der zwar weniger als bei herkömmlichen Kraftwerken ausfällt, aber immer noch ein Problem darstellt, diskutiert der Autor leider nicht.

Fazit: Lesen!

In der Essenz liest sich Bill Gates' Buch einfach weg und wer sich schon einmal mit Klimawandel beschäftigt hat, wird viele bekannte Fakten wiederfinden. Den Vorwurf einiger Kritiken, Bill Gates würde in diesem Buch lediglich auf eine technologische Lösung der Klimakrise pochen, teile ich nicht: Alle Kapitel zeigen die Verstrickung technologischer Lösungen mit gesellschaftlichen Dynamiken und politischen Ansätzen. Das Buch zeigt meiner Meinung nach, dass wir eigentlich schon alles wissen und nur noch die Bereitschaft fehlt, auf globaler Ebene wirklich wirksame und verpflichtende Schritte zu verabschieden. Diese dürfen jedoch nicht bloß in Legislaturen gedacht werden, sondern müssen den Horizont deutlich erweitern; und da wird es knifflig. Insofern scheint der Subtext des Buchs auch zu schreien: Liebe FridaysForFuture, bleibt laut und unbequem, bis wirklich verbindlich gehandelt wird.

Kurz: Eine lesenswerte Lektüre.

Rezensierte Ausgabe: Bill Gates (2021): How to avoid a climate disaster, Penguin Random House, UK. 1. Auflage, ISBN: 978-0-24144830-4.
Auf deutsch bei Buch7 bestellen.


World Economic Forum at en.wikipedia, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

Weltwirtschaftsforum WEF Davos 2021: Xi & Merkel und die Tianxia

Diese Woche findet / fand das Weltwirtschaftsforum von Davos (World Economic Forum, WEF) statt - natürlich digital. Ich habe mir die wichtigsten Botschaften angeschaut.

Wer es nicht kennt: beim Weltwirtschaftsforum treffen sich seit 1971 Staats- und Regierungschefs, Unternehmensvorstände und führende zivilgesellschaftliche Akteure. Der Gründer, Prof. Dr. Klaus Schwab, hatte es ursprünglich als Europäisches Management Forum ins Leben gerufen und seit 1987 - zufälligerweise mein Geburtsjahr - auf die globale Bühne gebracht. Ich möchte allen die hervorragenden Studien des Weltwirtschaftsforums ans Herz legen, beispielsweise zu den Themen "Future of Jobs" oder "Global Risks". Aber nun erstmal zur aktuellen Lage.

Xi Jinping trump(f)t beim Weltwirtschaftsforum mit großen Worten

Der chinesische Staatschef Xi Jinping hat es sichtlich genossen, nach der vierjährigen Isolation der Weltmacht USA mit großen Worten und Versprechen sein Land zu positionieren. Was steckt dahinter?

Führende politische und ökonomische Analyst*innen weltweit rechnen fest damit, dass China schon sehr bald die USA als Hegemonialmacht ablösen wird. Die Frage, die uns in Europa umtreibt, ist nicht, ob dieser bevorstehende Machtwechsel eintreten wird, sondern wie er aussehen wird. Und Xis Rede beim wichtigsten geopolitischen Format lässt hoffen - stimmt aber auch skeptisch.

China hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine atemberaubende Wende vom Entwicklungsland zum Global Player vollzogen. Die strikte Führung der Kommunistischen Partei hat mit ambitionierten Fünfjahresplänen immer wieder Wachstumsrekorde aufgestellt, geht dabei auch im wahrsten Sinne über Leichen. Die kürzlichen Eingriffe in einige der größten Unternehmen des Landes (und der Welt) wie Alibaba, dessen Gründer Jack Ma zeitweise unerklärlich von der Bildfläche verschwand, sind da nur die Spitze des Eisbergs - oder wenigstens eine maximal konsequente Kartellpolitik mit fragwürdigen Mitteln. Die Diskriminierung und Verfolgung einiger Volksgruppen wie der Uiguren passt weder zum "westlichen" Humanismus noch zu der Rhetorik in öffentlichen Auftritten des Staatspräsidenten.

Haben Xis Redenschreiber von Obama abgeschrieben?

Die Rede von Xi könnte mit einigen Ausnahmen auch von einer europäischen oder der neuen US-amerikanischen Regierung stammen. Weniger pathetisch vorgetragen, da wird nichts dem Zufall überlassen. Er spricht darin natürlich über die Corona-Pandemie und den "Global Reset". Vor allem mahnt er die Staatengemeinschaft zu Frieden, Gleichheit, Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit. Er prangert exklusive Politik an und wirkt erleichtert über den US-Regierungswechsel, um vor allem ökonomische Lieferketten wiederherzustellen.

Tatsächlich erwähnt Xi indirekt die Tianxia, über die ich einen kurzen Beitrag verfasst habe. Das, was in den Politikwissenschaften und auch der Zukunftsforschung "Global Governance" genannt wird, benennt Xi unmissverständlich als globale, multilaterale Kooperation - basierend auf unseren geteilten Werten und international verbindlichen Regeln, anstatt auf Machtstrukturen, die von einem oder wenigen Akteuren ausgenutzt werden, um singuläre Interessen durchzusetzen. Welche geteilten Werte das abgesehen von Floskeln sind, bleibt vage.

Internationale Gemeinschaften wie die Vereinten Nationen und sogar der Internationale Gerichtshof lobt der chinesische Staatschef ausdrücklich. Allerdings fordert er von anderen Staaten, Unterschiede zu respektieren und staat Wirtschaftskriegen den Dialog bei Meinungsverschiedenheiten zu suchen. Einen neuen Kalten Krieg gilt es ebenso wie die gängige Nullsummen-Mentalität zu verhindern. Besonders gefällt mir als Zukunftsforscher natürlich die Phrase "take on new perspectives and look to the future".

Da Xi direkt die WHO oder WTO adressiert und eine Stärkung dieser globalen Institutionen fordert, klingen seine Worte tatsächlich global kompatibel, zumal er explizit die Unterstützung von Entwicklungsländern, globale digitale Governance und grünen Fortschritt als Leitlinien der Politik fordert. China will seinen CO2-Peak noch vor 2030 erreichen, CO2-Neutralität vor 2060 - und das bei einer weiterhin wachsenden Volkswirtschaft. Wir dürfen gespannt sein.

"Nullsummenspiel oder winner-takes-all ist nicht die Leitphilosophie des chinesischen Volkes."*
Xi Jinping beim Weltwirtschaftsforum 2021

Klar, ein bisschen Eigenlob muss auch sein. Die moderne sozialistische chinesische Gesellschaft hat als erster Staat der Welt das Covid19-Virus eingedämmt und bietet großzügig seine Kooperation in der Pandemie an. Denn: die Leben der Menschen sind das wichtigste Gut. Wow.

Mein Fazit zu Xi Jinpings Rede

Diese Ansagen stehen zum Teil im derben Kontrast zu den faktischen Entscheidungen und Handlungen des Landes. Die Welt schaut gebannt nach China - wird der neue Fünfjahresplan, vergleichbar mit dem Marshall-Plan der Nachkriegszeit, als Xi-Plan in die Geschichtsbücher eingehen? Das hängt vielleicht auch ein bisschen davon ab, wer diese verfassen wird.

"Ladies and gentlemen, friends. There is only one earth and one shared future for humanity. ... We need to stand united and work together. ... Let us all join our hands and let multilateralism light our way toward a community with a shared future for mankind."
Xi Jinping beim Weltwirtschaftsforum 2021

Merkel stellt beim Weltwirtschaftsforum 2021 "Great Reset" infrage

Exakt ein Jahr nach der ersten Covid19-Infektion in Deutschland war am 26.01.2021 dann Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel dran. Zu Beginn ihrer Rede stellt sie zunächst den Begriff des "Global Reset" infrage, befasst aber sich lieber mit drei Fragen:

1. Konnte sich die globale Kooperation beweisen?

Das Virus habe uns nun endlich Globalisierung erklärt - Abschottung klappt nicht, wir brauchen mehr Zusammenarbeit. Die Pandemie hat indes die Souveränität einiger Länder infrage gestellt, die von globalen Lieferketten abhängig sind. Also fast alle. Dabei spricht sich Frau Merkel aber klar gegen Protektionismus aus. Auch sie betont immer wieder, wie entscheidend heutzutage ein multilateraler Ansatz ist - z.B. bei Impfungen (Covax als solidarisches Prinzip). Diese gegenseitige Unterstützung innerhalb der Staatengemeinschaft darf aber nicht im Nachhinein ausgenutzt werden für machtpolitische Spielchen, denn:

"Es ist die Stunde des Multilateralismus ... nicht nur irgendwie zusammenarbeiten, sondern auch transparent zusammenarbeiten."
Dr. Angela Merkel beim Weltwirtschaftsforum 2021

Immerhin sei Entwicklungshilfe auch im nationalen Interesse und dazu gehört auch, die Verbindungen nach Afrika weiter zu stärken. Mehr fairer, weltweiter Handel, stärkere WTO-Strukturen und den asiatischen Aufschwung mitbegleiten. Andererseits müssen Subventionen und Investitionen immer beiden Seiten dienen und transparent sein, damit alle Menschen von Hightech-Kooperationen und Arbeitsnormen (ILO) gleichermaßen profitieren können.

Ganz kurz fällt auch die Forderung nach einer Mindestbesteuerung digitaler Unternehmen und Wettbewerbsrecht vs. Monopole - da hat sie in Xi Jinping sicher einen guten Fürsprecher. Wir wissen alle, dass diese Lippenbekenntnisse unverbindlich sind. Schließlich sieht Merkel verhaltene Wachstumsaussichten in Europa und anderen Teilen der Welt, weshalb sie in Summe zuversichtlich, wenn auch sichtlich gestresst ist.

Kurz: Tianxia.

2. Sind unsere Gesellschaften verwundbar?

Unsere Abhängigkeit von der Natur und globalen Lieferketten wurde uns ziemlich rabiat durch ein winzig kleines Virus vorgeführt. Versäumnisse in der Nachhaltigkeit, dem Schutz der Biodiversität und dem Abwenden des Klimawandels - kurz, die Inhalte des Pariser Abkommens - haben die Entstehung und Entwicklung der Pandemie begünstigt. Der EU-Green Deal muss entsprechend konsequenter und ambitionierter umgesetzt werden. Und schneller. Dabei werden teilweise auch unliebsame Entscheidungen durchgesetzt werden müssen, aber es müssen alle Menschen mitgenommen werden. Da ist sie wieder, die "Alternativlosigkeit".

Das Konjunkturpaket des Bundes wiederum sei konsequent an "Zukunfsinvestitionen" gekoppelt: 20% müssen für Digitalisierung aufgewendet werden, 50% für Nachhaltigkeit. Doch bei allen Anstrengungen, die Pandemie zu überstehen, dürfen die Industrieländer sich nicht zu sehr auf sich selbst konzentrieren, sondern die Entwicklungszusammenarbeit eher noch verstärken. Denn wie immer trifft es die Ärmsten am härtesten.

Kurz: Wir sitzen alle im selben Schlauchboot auf einem rauen Ozearn. Wir müssen zwar den aktuellen Sturm überleben, dabei aber auch darauf achten, beim aktuellen Manöver kein Loch in die Rückseite des Boots zu reißen.

3. Sind wir widerstandsfähig genug?

Die "Jahrhundertkatastrophe" hat Schwachstellen in unseren Gesellschaften offengelegt. Der grundlegende Zusammenhalt der Bürger*innen hat dennoch - trotz der föderalen Strukturen - in Summe funktioniert. Sie gesteht Fehler ein, die oft auch infolge der langwierigen bürokratischen Prozesse entstehen. Dennoch hat die Entschlossenheit und ein vergleichsweise gut aufgestellter Fiskus dazu beigetragen, die Konjunktur zu stützen.

Der "Mangel an Digitalisierung" wurde ebenso offenkundig und bremst uns aus - Merkel mahnt sehr klar die Missstände im Gesundheits- und Bildungssystem an. Die Selbstkritik ist zwar nett gemeint, aber kommt dann doch etwas zu kurz. Andere Analysten sehen die Gesellschaft gespalten - dazu kein Wort.

Kurz: Wir müssen resilienter werden!

4. Eigenlob

Eigenlob widerstrebt der herkömmlichen deuschen Seele, daher gleitet Merkel erwartungsgemäß schnell ab. Die Forschung sei zwar in ihrer Amtszeit deutlich vorangegangen, auch protenzual am BIP, und das hat uns auch in dieser Krise geholfen. Dieser Punkt bringt sie gedanklich direkt zur kritischen Fragestellung hinaus in die Welt, wie das Verhältnis von Worten und Taten ist. Damit verbindet sie die klare Kritik an Chinas Kommunikation zu Beginn der Pandemie; will jedoch nicht nur schimpfen, sondern vor allem daraus lernen.

Einen kleinen Sidekick über den großen Teich kann sie sich nicht verkneifen und lobt den Wiedereintritt der USA in die WHO, nachdem Bidens Vorgänger vier Jahre lang einen Stillstand der gedeihlichen globalen Zusammenarbeit provozierte.

Merkels Fazit

"Pandemie kann als Bestätigung all dessen gelten, was in den letzten Jahren den Geist von Davos ausgemacht hat. Die Fragen, die diskutiert wurden, waren richtig, aber entsprechend dem deutschen Schriftsteller Erich Kästner haben wir ein Sprichwort: 'Es gibt nichts Gutes, außer man tut es'"
Dr. Angela Merkel beim Weltwirtschaftsforum 2021

Nach Frau Merkel ist das Reden und Diskutieren natürlich wichtig, aber jetzt kommt ein "Zeitraum des Handelns" möglichst nach gemeinsamen Prinzipien. Nehmen wir sie beim Wort!

Mein Fazit zu Dr. Angela Merkels Rede

Frau Merkel stellt den "Great Reset" infrage, begründet aber nicht genau, was sie meint. Was sie meiner Meinung nach sagen möchte, ist: es wird kein Zurück zum alten Normal geben. Doch bleibt sie uns - wie immer - eine Vision schuldig. Oder ist das in didaktisch kluger Schachzug, um die Zivilgesellschaft zum Erarbeiten einer Vision aufzurufen?

Ihre drei Kernthemen sprechen zwar wichtige Herausforderungen an, doch Merkel wirkt wenig souverän bei der Ausführung; sie stockt öfter als üblich, wirkt überarbeitet, räuspert sich oft und "ähmt" oft. So richtig will mich die Rede einfach nicht inspirieren. Wir wissen alle, dass es gewisse Pfadabhängigkeiten gibt. Diese dürften auch dazu führen, dass große Unternehmen schneller gerettet werden als Branchenzweige im Mittelstand - ein großer Fehler. Auch die bestehenden Subventionen bspw. für konventionelle Landwirtschaft, Importe nicht nachhaltiger Waren oder Rüstungsexporte in Kriegsgebiete unterliegen diesen Abhängigkeiten.

Auf der anderen Seite verdienen Beschäftigte in den Epizentren der Pandemie heute nicht mehr als zu Beginn der Pandemie, also primär in Kliniken, Heimen und dem Rest des Gesundheitssektor - trotz Doppelbelastung, leeren Versprechungen und der oft als höhnisch wahrgenommenen Geste applaudierender Mitbürger*innen. Es ist ein Wunder, dass das System noch nicht kollabiert ist und ist wohl der intrinsischen Motivation der Health Worker zuzuschreiben.

Gesamtfazit zum Weltwirtschaftsforum 2021

Hätte Joe Biden einen Beitrag geleistet, hätte ich auch diesen kommentiert. So taucht der neue US-Präsident nur passiv auf, aber wie in meiner Szenarioanalyse zur US-Präsidentschaftswahl beschrieben, wird er sich wohl beim "echten" Weltwirtschaftsforum in Singapur im Mai äußern. So bekommt er lediglich sein Fett weg, da die neue Administration weiterhin an der Politik des "buy at home", also "America first light" festhält. Abgesehen von vielen wichtigen Kehrwenden zum Trump-Trauma ereilt Biden und seine Gefolgschaft das Los der Abwesenden.

Xi Jinping und Angela Merkel füllen entsprechend das fortdauernde geopolitische Machtvakuum liebend gern aus. Sie trumpfen mit großen Ansagen für globale Kooperation, freien Handel, Menschenrechte und, das werden beide nicht müde zu betonen, den ambitionierten Kampf gegen den Klimawandel noch entschiedener zu führen.

  • Xi verspricht viel, konnte in seiner aktuell knapp achtjährigen Amtszeit auch vieles halten - ist aber natürlich nicht der Heilige, als der er sich inszeniert. Staatliche und kollektive Ziele stehen in China traditionell über der Würde des Menschen und es bleibt abzuwarten, ob die Ambitionen des Reichs der Mitte an der Spitze der geopolitischen Nahrungskette den Versprechen der Führung gerecht werden können. Walk the walk!
  • Merkel hatte nun 16 Jahre, um wirksame, ökologisch nachhaltige Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Sie und ihre wechselnden Kabinettsmitglieder konnten vielleicht Schlimmeres verhindern - doch wie so vieles aus ihrer Legislatur, bleiben die Fortschritte infolge des moderaten Mittelweges und dem "Primat der Raute" leider genau das: mittelmäßig.
  • Wladimir Putin sprach übrigens auch: Viele Worte, wenige Inhalte. Er liefert exakt das, was zu erwarten war: Weltfremdes Eigenlob ohne ein Wort zu den eigenen Völkerrechtsverletzungen (Georgien, Ukraine, Bergkarabach). Es lässt sich kaum ein Unterschied zu einer Stalin-Rede finden und genau das könnte es sein, was der Kreml damit bezwecken will. Das einzige Machtinstrument Russlands bleibt nach dem Abschied von der geopolitischen Realität das Atomwaffen-Arsenal - immerhin das ist durch den New START Vertrag begrenzt. Putins Freiheitsbegriff war nie weiter entfernt vom globalen Konsens - das könnte noch knallen. Hoffen wir das Beste.

Das verbale Anmahnen von "Taten statt Worten" könnte genau das bleiben, was es ist: leere Worte. Es müssen stattdessen klare und unbequeme Einschnitte verabschiedet werden, um die skizzierten Ziele ernsthaft anzugehen. Gemäß der klassischen Verhandlungstheorie sollten dies klar formulierte Forderungen gegenüber WHO, WTO und UN sein, inklusive Nachkommastelle.

* im Original: "Zero-sum-game or winner-takes-all is not the guiding philosophy of the Chinese People", Xi Jinping, 25. Januar 2021 beim Weltwirtschaftsforum Davos, "Full Video: Xi Jinping delivers speech at WEF Davos Agenda 2021 via video link", at 22:10. Online.

Fun Fact: Indiens Premierminister Narendra Modi, dessen Land immerhin 18% der Weltbevölkerung beheimatet, war der einzige, der ohne Skript sprach. Und der darauf hinwies, dass man vielleicht den generellen Gesundheitszustand der Menschen infragestellen muss. Ansonsten eher ein Werbeclip für Investoren.


#01.07 Energieautark und nachhaltig leben mit Prof. Timo Leukefeld Im Hier und Morgen

In dieser Episode spreche ich mit Prof. Timo Leukefeld, Energieexperte und Ingenieur, über energieautarkes Wohnen und nachhaltiges Leben. Er realisiert seit zehn Jahren energieautarke Bauprojekte in Europa - nach zehn Jahren haben sich die Mehrkosten amortisiert und das Gebäude verdient Geld für die Eigentümer. Warum gibt es nicht mehr solcher Projekte?

Jetzt anhören auf Spotify:

https://open.spotify.com/episode/0ygcTzw0F8AMFmppMU9TSH?si=qtfMq8rOS6SJo6OwDOwnpQ

Anhören auf Itunes:

Anhören auf Soundcloud:

https://soundcloud.com/zukunftsforscher/007-energieautark-und-nachhaltig-leben

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https://www.deezer.com/de/episode/267548002

Anschauen auf Youtube:

https://youtu.be/EJMMLQNmons