Der Juli dieses Jahres war der heißeste jemals auf der Erde gemessene Monat; auf allen Kontinenten beobachten wir verheerende Brände, Überflutungen und Dürren. Lässt sich die Klimakatastrophe noch verhindern? Hier gibt’s die wissenschaftliche Problemlage sowie einen Lösungsvorschlag.
Wetterextreme im Sommer 2023 und politische Beben
Wer nicht unmittelbar betroffen war, musste nur eine beliebige Nachrichtensendung, -seite oder Zeitung konsultieren – der Newsflash wirkte wie ein dramatischer Zusammenschnitt in einem Katastrophenfilm. Manch eine:r fühlt sich nicht grundlos an die biblischen Plagen erinnert, wenn in Süddeutschland Ochsenfrösche zum Abschuss freigegeben werden, die nächste (gefährliche) Covid-Mutation auftaucht, Tausende in die Flucht getrieben werden (sogar in Norwegen!) und Urlaub am Mittelmeer lebensbedrohlich wird. Inzwischen ist bei den Wetterextremen und auch der Verbreitung von Viren gut erforscht, wie eng der Zusammenhang mit dem anthropogenen Klimawandel ist. Wetter heißt nicht gleich Klima, doch das über einen längeren Zeitraum extremer werdende Wetter fällt per Definition ins den Klimabereich.
Außerdem: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wird nicht der einzige Klimakrieg dieses Jahrzehnts bleiben, das Säbelrasseln in Nordkorea, China und diversen sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländern im globalen Süden erreicht nicht nur rhetorisch im Wochentakt neue Eskalationsebenen (z. B. kürzlich im Niger und Ecuador). Zeitgleich sprießen weltweit auch in sogenannten Industrieländern des globalen Nordens populistische und faschistische Parteien aus dem Boden wie Atompilze nach einem Super-GAU: Sie verstrahlen die verunsicherten Menschen mit vorgeblich einfachen Lösungen für komplexe Herausforderungen und Probleme, deren Grundrezept aus Hass und Ignoranz besteht; sie kontaminieren die Anstrengungen diverser Parteien und Nichtregierungsorganisationen für eine freiheitlich demokratische und gleichberechtigte Welt. Immerhin scheint sich in den USA der Rechtsstaat endlich gegen den Ex-Präsidenten und dessen Gefolgschaft im Zusammenhang mit der Verschwörung zu wehren – hierzulande schreckt das Establishment noch vor einem Verbotsverfahren rechtsradikaler Parteien wie der AfD oder NPD zurück. Ich hoffe, nicht mehr lang.
Was sagt die Wissenschaft dazu?
Zur Beantwortung dieser Frage habe ich mir die drei Teile von „Die Grenzen des Wachstums“ von Dennis und Donella Meadows et al. zur Hand genommen. Die Reihe ist besser bekannt als die Berichte des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Ich nenne sie auch gern die erste gesellschaftlich wertvolle Zukunftsstudie aller Zeiten, die nicht nur Technologien prognostizierte, sondern eben komplexe Zusammenhänge untersuchte und modellierte – größtenteils erstaunlich akkurat.
Die enger werdenden Grenzen des Wachstums
Vor 51 Jahren erschien der erste Teil von „Die Grenzen des Wachstums“, 20 Jahre später dann die Neuauflage „Die neuen Grenzen des Wachstums“ und 2004 schließlich „Grenzen des Wachstums – das 30-Jahre-Update“. 2022 wiederum schrieb die Bundeszentrale für politische Bildung eine schöne Rückschau „50 Jahre Grenzen des Wachstums“. Darin wird vor allem die eklatante Wissenschaftsignoranz der Menschheit deutlich, denn spätestens seit der ersten Veröffentlichung wussten „wir“, dass Emissionen durch das Verbrennen von Öl, Gas oder Holz das Klima nachhaltig beeinträchtigt. Der Earth Overshoot Day, an dem die natürlichen Ressourcen des Planeten eigentlich aufgebraucht sind, war damals noch am 19. Dezember – in diesem Jahr fiel er bereits auf den 2. August. Würden alle Staaten so wie Deutschland leben, wäre er schon am 5. April.
Zwar entstanden infolge der Veröffentlichungen weltweit „grüne“ Parteien, die den Umweltschutz auf die politische Agenda brachten; zwar wurden weltweit Flurchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) verboten, woraufhin das Ozonloch endlich schrumpfe und man sich wieder sorgloser in die Sonne begeben konnte; zwar wurden In vielen anschließenden Klimakonferenzen unverbindliche Klimaziele vereinbart (Kyoto-Protokoll, Paris Agreement, etc.) – doch der globale Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan oder Lachgas geht fröhlich weiter.
Zu den häufiger werdenden Extremwetterereignissen gesellen sich fast nebenbei jährliche Temperaturrekorden, Negativrekorde in der Biodiversität, den Eisschilden in der Antarktis und Grönland, dem Regenwaldbestand im Amazonas und dem Kongo und der weltweit sinkende Grundwasserspiegel. Damit verbunden rücken einige Klima-Kipppunkte näher, die ökologische Dominoeffekte auslösen könnten – leider keine von der unterhaltsamen Sorte. Aktuell wird unter anderem wieder der Kollaps des Golfstroms diskutiert, welcher zu einem Temperaturabsturz in Europa führen könnte. Fast schon zynisch wirkt hingegen der übertrieben unsinnige und unmenschliche Prunkbau des saudi-arabischen Kronprinzen mit der Wüstenstadt Neom.
Der Konsens der weltweiten Klimaforschung
Aber es ist ja nicht so, als gäbe es keine Einigkeit in der Klimawissenschaft hinsichtlich der Ursachen sowie möglichen Lösungsansätzen. Das Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC, auch bekannt als Weltklimarat, veröffentlicht regelmäßig Sachstandsberichte (und häufiger Sonderberichte). Im 6. IPCC-Sachstandsbericht aus diesem Jahr wurden erneut die Kernaussagen tausender Klimawissenschaftler:innen weltweit versammelt rund um Ökosysteme, Geologie, etc. Und nein, hinter dem IPCC steckt kein großer Plan einer neuen Weltordnung oder anderer rechtsradikaler Unfug.
Die Kernaussagen umfassen folgende Rubriken:
A. Aktueller Stand und Trends
B. Künftiger Klimawandel, Risiken und langfristige Reaktionen
C. Kurzfristige Maßnahmen
Hier meine kompakte und übersetzte Zusammenfassung:
A. Aktueller Stand und Trends
„A. 1 Menschliche Aktivitäten, vor allem durch die Emission von Treibhausgasen, haben zweifellos die globale Erwärmung verursacht, wobei die globale Oberflächentemperatur im Zeitraum 2011-2020 um 1,1°C über dem Wert von 1850-1900 im Zeitraum 2011-2020 lag. Die globalen Treibhausgasemissionen haben weiter zugenommen, wobei ungleiche Beiträge […] in den verschiedenen Regionen, zwischen und innerhalb von Ländern und zwischen Einzelpersonen variieren.“
Falls also Populisten wie Aiwanger, Söder, AfD-Gläubiger und Co. etwas davon faseln, man sei sich nicht einig in der Wissenschaft hinsichtlich des menschlichen Einflusses auf den Klimawandel: DOCH, es herrscht beispiellose Einigkeit. Die Menschheit verändert das Klima. Keine Meinung, sondern wissenschaftliche Fakten. Keine Diskussion.
„A. 2 Weitreichende und rasche Veränderungen in der Atmosphäre, den Ozeanen, der Kryosphäre und der Biosphäre sind eingetreten. Der vom Menschen verursachte Klimawandel wirkt sich bereits auf viele Wetter- und Klimaextreme in allen Regionen der Welt aus (…). Anfällige Gemeinschaften, die in der Vergangenheit am wenigsten zum aktuellen Klimawandel beigetragen haben, sind unverhältnismäßig stark betroffen.“
Unser angeblicher Humanismus ist nach wie vor auf bestimmte Bevölkerungsgruppen beschränkt. Die angeblich christliche Nächstenliebe hört immer noch an der Religionsgrenze auf. Wir haben in über 2000 Jahren „Zivilisation“ wirklich nicht viel gelernt – und jetzt, wo es auch in Europa langsam unbequem wird, kommen wir langsam ins Grübeln. Das hat mit Moral wenig zu tun, sondern ist wie immer nur mit einem: Egoismus.
„A. 3 Die Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen ist in allen Sektoren und Regionen fortgeschritten, mit dokumentiertem Nutzen und unterschiedlicher Wirksamkeit. (…) Die derzeitigen globalen Finanzströme für die Anpassung sind unzureichend und schränken die Umsetzung von Anpassungsoptionen ein, insbesondere in Entwicklungsländern.“
Anpassungen an ökologische Veränderungen sind nichts Neues. In kälteren Zeiten bauten die Menschen dickere Mauern und dichtere Dächer, als das Meer phasenweise die Kohlfelder überflutete, bauten sie höhere Deiche (und Kooge). Doch die Geschwindigkeit der Veränderungen hat zugenommen, weshalb besonders Menschen in ärmeren Regionen nicht schnell genug hinterherkommen. Und ja, auch hier müssen wir langfristig denken – anstatt über Wärmepumpen zu meckern, sollten wir uns freuen, dass das Thema nicht erst in zehn Jahren kommt, wenn es schon zu spät sein könnte. Dass es überhaupt öffentliche Förderungen und weltweite Darlehensprogramme gibt, ist doch fantastisch. Diese Programme müssen jedoch noch stärker als sonst im Sinne einer globalen Entwicklungshilfe zielgerichteter und mit geringeren Auflagen verteilt werden, um schnellen Wandel zu ermöglichen, auch im Sinne der immer noch ausstehenden Reparationen für koloniale Verbrechen.
„A. 4 Politische Maßnahmen und Gesetze, die sich mit der Abschwächung von Treibhausgasemissionen befassen, wurden seit dem 5. Sachstandsbericht ständig erweitert. Es ist wahrscheinlich, dass die Erwärmung im Laufe des 21. Jahrhunderts 1,5°C überschreitet und es schwieriger wird, die Erwärmung auf unter 2°C zu begrenzen.“
Konsens ist also auch, dass das 1,5°C-Ziel kaum noch erreicht werden kann, in Deutschland wurde es schon überschritten. Das heißt unter anderem, dass besonders Ältere und chronisch Kranke schon jetzt ein höheres klimawandelinduziertes Sterberisiko aufweisen. Immerhin eine wachsende, politisch hochgradig relevante Bevölkerungsgruppe.
B. Künftiger Klimawandel, Risiken und langfristige Reaktionen
„B. 1 Für jedes beliebige künftige Erwärmungsniveau sind viele klimabezogene Risiken höher als im 5. Sachstandsbericht bewertet worden, und die prognostizierten langfristigen Auswirkungen sind bis zu einem Vielfachen höher als die derzeit beobachteten. (…) Klimatische und nicht-klimatische Risiken werden zunehmend interagieren und zu kombinierten und kaskadierenden Risiken, die komplexer und schwieriger zu handhaben sind.“
Es wird ungemütlicher. Hier sollten besonders Versicherungsunternehmen die Details studieren. Kein mathematisches Underwriting-Modell der letzten Jahrzehnte ist jetzt noch aktuell – besonders nicht für Sachschäden. Zynisch gesprochen wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, um ein Ferienhaus in Skandinavien zu kaufen.
„B. 2 Einige künftige Veränderungen sind unvermeidbar und/oder unumkehrbar, können aber durch eine tiefgreifende, rasche und nachhaltige Reduzierung der globalen Treibhausgasemissionen begrenzt werden. Die Wahrscheinlichkeit von abrupten und/oder irreversiblen Veränderungen steigt mit einem höheren Niveau der globalen Erwärmung. Ähnlich ist die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen mit geringer Wahrscheinlichkeit, die mit potenziell sehr großen nachteiligen Auswirkungen verbunden sind.“
Anders ausgedrückt: Wildcards wie die Corona-Pandemie, die Ahrtal-Überflutung oder das Verbot zur Trinkwasserentnahme zur Bewässerung von Gärten rund um den Globus werden häufiger auftreten. Und: Wir müssen weniger fossile Ressourcen verbrennen, weniger Rinder und andere domestizierte Tiere halten. Vor ein paar Jahren spaltete ich einmal das Publikum eines Galadinners mit dem Hinweis, dass ein Rindersteak im Jahr 2030 wohl eher 100 Euro kosten wird, während das synthetische oder pflanzliche Pendant bei 5 Euro liegen dürfte. Besser für Klima und die Gesundheit wäre das allemal.
„B. 3 Anpassungsoptionen, die heute machbar und wirksam sind, werden mit zunehmender globaler Erwärmung weniger wirksam sein. (…) Fehlanpassungen können durch flexible, sektorübergreifende, integrative und langfristige Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen verhindert werden, die vielen Sektoren und Systemen zugutekommen.“
Das heißt nichts anderes, als dass wir schneller werden und mehr Verständnis für langfristige Politik säen müssen. Das ist wie mit dem Hebel-Effekt beim Spaten: Je weiter oben man ansetzt, umso einfacher gräbt sich das Loch. Zum Glück fängt die Bundesregierung auch allmählich an, eine Foresight-Strategie umzusetzen.
„B. 4 Die Begrenzung der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung erfordert Netto-Null-CO2-Emissionen. (…) Die prognostizierten CO2-Emissionen aus der bestehenden Infrastruktur für fossile Brennstoffe würden ohne zusätzliche Minderungsmaßnahmen das verbleibende Kohlenstoffbudget für 1,5°C (50 %) übersteigen.“
Nochmal: wir müssen schnell aus Kohle, Benzin und Diesel aussteigen und aufhören, alte Bäume abzuholzen. Es geht kein Weg vorbei an einem fundamentalen Umbau der Energie-Infrastruktur.
„B. 5 Alle globalen modellierten Pfade, die die Erwärmung auf 1,5°C (>50%) begrenzen, ohne oder mit begrenzter Überschreitung, und diejenigen, die die Erwärmung auf 2°C (>67%) begrenzen, erfordern rasche und tiefgreifende und in den meisten Fällen, sofortige Verringerung der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren in diesem Jahrzehnt. Globale Netto-Null-CO2 Emissionen werden für diese Pfadkategorien in den frühen 2050er Jahren bzw. in den frühen 2070er Jahren erreicht.“
Also: Bis 2050 wird es ohnehin erst einmal wärmer, sogar wenn wir den CO2-Ausstieg zeitnah schaffen. Klimaveränderungen sind immer langfristig, irgendwie logisch.
„B. 6 Übersteigt die Erwärmung ein bestimmtes Niveau, z. B. 1,5 °C, könnte sie schrittweise wieder reduziert werden durch das Erreichen und Aufrechterhalten negativer globaler Netto-CO2-Emissionen. Dies würde einen zusätzliche Kohlendioxid-Entfernung erfordern, verglichen mit Pfaden ohne Überschreitung, was zu größeren Bedenken hinsichtlich Machbarkeit und Nachhaltigkeit führt (…).“
Neben der einfachen Reduktion von Kohlendioxid muss es auch der Atmosphäre entnommen werden – im großen Stil. Dazu gehört vielleicht auch etwas Hightech, aber vor allem die Wiederaufforstung von Wäldern, Mooren, Mangroven etc.
C. Kurzfristige Maßnahmen
Neben der nun wirklich offensichtlichen Erkenntnis, dass Treibhausgase so schnell wie möglich reduziert werden müssen, schlägt das IPCC auch teils sehr konkrete Maßnahmen vor.
„C. 1 Verstärkte internationale Zusammenarbeit, einschließlich eines verbesserten Zugangs zu angemessenen finanziellen Ressourcen, insbesondere für anfällige Regionen, Sektoren und Gruppen, sowie eine integrative Regierungsführung und koordinierte Politik. Die in diesem Jahrzehnt getroffenen Entscheidungen und durchgeführten Maßnahmen werden Auswirkungen haben und für Tausende von Jahren.“
Wow. Klingt nach großer Verantwortung? Gut so. Es wird nicht übertrieben.
„C. 2 (…) Kurzfristige Maßnahmen beinhalten hohe Vorabinvestitionen und potenziell disruptive Veränderungen.“
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um private und unternehmerische Investments in nachhaltige Technologiebereiche zu tätigen. Der größte Finanzmarktumbruch aller Zeiten steht bevor – von fossilen in postfossile Anlagewerte. Wer noch klassische Investments hat, die nicht der EU-Taxonomie standhalten, sollte sich eher beeilen.
„C. 3 Die Priorisierung von Gerechtigkeit, Klimagerechtigkeit, sozialer Gerechtigkeit, Inklusion und gerechten Übergangsprozessen kann Anpassungs- und ehrgeizige Minderungsmaßnahmen sowie eine klimaresiliente Entwicklung ermöglichen.“
Da sind wir wieder beim Zusammenhang der drei Säulen der Nachhaltigkeit: der sozialen, ökologischen und ökonomischen Dimension. Ohne Gleichberechtigung, Integration und Inklusion wird das alles nix mit der friedlichen Zukunft.
„C. 4 Klare Ziele, Koordination über mehrere Politikbereiche hinweg und integrative Governance-Prozesse erleichtern wirksame Klimamaßnahmen. Regulierungs- und Wirtschaftsinstrumente können tiefgreifende Emissionssenkungen und Klimaresilienz unterstützen, wenn sie breite Anwendung finden.“
Der Pfad in die regenerative Zukunft ist interdisziplinär und angemessen staatlich getrieben. Das schmeckt natürlich der neoliberalen Bewegung nicht so sehr, weshalb die Transformation auch über Jahrzehnte ausgebremst wurde. Das dürfte jetzt zu Ende sein.
„C. 5 Finanzen, Technologie und internationale Zusammenarbeit sind entscheidende Voraussetzungen für einen beschleunigten Klimaschutz. Wenn die Klimaziele erreicht werden sollen, muss die Finanzierung von Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen um ein Vielfaches erhöht werden. Es gibt genügend globales Kapital, um die globalen Investitionslücken zu schließen, aber es gibt Hindernisse für die Umlenkung von Kapital in Klimaschutzmaßnahmen (…).“
Es existiert also genug Geld auf der Welt, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Freundlicher Hinweis: Auf einem Sparkonto oder in brachliegenden Immobilien stiftet Geld keinen Mehrwert. Investitionen in Klimaschutz und ernstgemeinte Entwicklungshilfe werden sich hingegen amortisieren und oft auch rentieren.
Die Lösung der Klimakrise
Ich bin kein Anhänger der technophilen Fraktion der Trend- oder Zukunftsforschung, die alle Probleme durch Technologie lösen möchte. Sicher müssen wir gesellschaftlich und politisch auch viel verändern, doch ohne Technologien bekommen wir den gordischen Klimaknoten nicht durchschlagen. Allerdings braucht’s dazu keine außerordentlich innovativen Entwicklungen, sondern eine sinnvolle Kombination der vorhandenen Mittel sowie politischen Gestaltungswillen, der sich möglicherweise nicht innerhalb einer Legislatur auszahlt.
Im Grunde benötigen wir für die Lösung der Klimakrise lediglich drei einfache Schritte und sehr viel Startkapital. Das Schöne daran: Alle Bereiche würden profitieren. Die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Umwelt. Wenn im Sinne der Moonshot-Technik ein reicher Milliardär sich mit dem UN-Generalsekretär oder noch besser, allen Teilnehmenden des nächsten World Economic Forum, zusammentun würde, wäre das Ganze in einem Jahrzehnt machbar. Ein echter Green New Deal, sozusagen.
- Energieerzeugung: Technologisch haben wir alles, was wir brauchen, um die Menschheit für immer mit Elektrizität für Strom, Wärme, Kälte und die industrielle Produktion zu versorgen. Täglich erreicht unseren Planeten so viel Sonnenenergie, wie wir in 10.000 Jahren verbrauchen würden. Daher ist für mich glasklar: Photovoltaik-Paneele müssen auf jedes größere Dach, über jede Autobahn, jeden Parkplatz und Bahnhof – die Großgrundbesitzer wie die Deutsche Bahn oder die katholische Kirche könnten hier Schlüsselpartner in der Umsetzung sein. Hinzu kommen gigantische Solarpaneele im Orbit, die Sonnenenergie schon vor der Atmosphäre ernten und kabellos zur Erde senden. Schließlich könnte die Kernfusion in rund 20 Jahren kommerziell nutzbar sein, was bis dahin aber vielleicht hinfällig ist, wenn wir endlich die natürliche Energiequelle im Himmel anzapfen würden. Logischerweise gibt es dann auch eine Energieflatrate für alle. Imagine the possibilities!
- Energienetz: Ein globales Energienetz (engl. global grid) muss her. Sicher sind dabei auch eher zentrale Knotenpunkte auf allen Kontinenten für die Verteilung zuständig, das muss aber aus Gründen der Sicherheit und Planbarkeit auch so sein. Denn: Strom muss immer fließen. Technisch machbar ist es, langfristig auch rentabel. Ein entsprechender wissenschaftlicher Beitrag dazu wird nächstes Jahr im Sammelband „Regenerative Zukünfte und künstliche Intelligenz“ erscheinen.
- Energiespeicher: Wenn Energie im Überfluss erzeugt wird, brauchen wir sehr viele Stromspeicher. Jede Kommune, jeder Bahnhof, jede Wohnung wird in einigen Jahrzehnten einen eigenen Stromspeicher haben, um die Niedriglastzeiten auszugleichen oder als flexible Kapazitätserweiterung des Netzes dienen zu können. Und ja, dazu gehören auch Elektrofahrzeuge. Eine Jobbeschreibung der Zukunft wird sein, Elektrofahrzeuge durch die Landschaft zu fahren, um Energie zu verbrauchen.
In der Folge hätten wir für mindestens ein Jahrzehnt keine Arbeitslosigkeit, einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung verbunden mit der Angleichung von Lebensstandards, eine endlos verfügbare Energieversorgung aus regenerativen Quellen und langfristig abgemilderte Klimawandeleffekte.
„Ja, aber…“ das klingt utopisch? Wenn wir aus der Gegenwart denken, ist das sicher so. Woher sollen die Ressourcen kommen? Wer soll das planen? Was ist mit Staaten, die nicht mitmachen? Jede gute Idee kann mit einem „ja, aber“ zunichte gemacht werden.
Wenn wir jedoch aus der Zukunft zurückdenken, von einer für alle Lebewesen lebenswerten Zukunft, erscheinen diese drei Schritte fast schon logisch. „Warum ist man darauf nicht früher gekommen?“, könnte mein Sohn mich im Jahr 2050 fragen. Er wird dann 27 Jahre alt sein und hoffentlich davon profitieren, was wir hier und heute aushecken. Ob er dann als Bauarbeiter, Ingenieur, Wartungstechniker oder Politiker das wohl größte Bauprojekt der Menschheit miterleben durfte, ist mir egal.
Fazit
Mein Sohn ist heute acht Wochen alt und ich wünsche mir, dass er im Jahr 2100 mit 77 Jahren glücklich und gesund dort lebt, wo er gern möchte, und nicht, wo er muss. Dasselbe wünsche ich mir für die anderen knapp neun Milliarden Menschen, die dann auf diesem Planeten leben. Es wäre traumhaft, wenn diese Menschen dankbar zurückblicken und anders als die heutige Generation sagt: Danke, dass ihr an uns gedacht habt.
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